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Von der Kita zum Familienzentrum. Ein Bildungsmanagementprozess

AutorGeorg Hädicke
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783668145313
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Immer häufiger entwickeln Kitas sich deutschlandweit zu Zentren für Familien und öffnen sich in den Sozialraum. Häufig sind diese Einrichtungen gut vernetzte Knotenpunkte für alle Menschen im Stadtteil, die ein vielfältiges Unterstützungsspektrum an Bildungs- und Beratungsangeboten und Hilfen für Familien offerieren. Diese Entwicklungstendenzen entstanden als Konsequenz einer sich immer weiter verändernden Gesellschaft. Die Familie als wichtigster Lebens- und Bildungsort für Kinder, in der wertvolle Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung und des Kompetenzerwerbs stattfinden, steht dabei im Fokus dieser Betrachtung. Veränderungsprozesse erfordern vielfältige Gestaltungs-, Koordinierungs- und Managementaufgaben. Dazu gehört eine komplexe Strategie zur Planung, Steuerung und Evaluierung von Lernprozessen die in Organisationen stattfinden oder von diesen veranlasst und verantwortet werden. Die Forschungsfrage dieser Arbeit lautet: 'Welchen Beitrag / welche Unterstützung kann ein Bildungsmanagementprozess für die Entwicklung einer Kita hin zum Familienzentrum leisten?'. Der gesamte Bildungsmanagementprozess wird dabei als komplexe Strategie aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und es werden Gestaltungswege des Lernens aufgezeigt. In einem Familienzentrum verstehen sich alle Beteiligten als Lernende. Aus diesem Grund gehören Führungskräfte, Pädagogen und Teams von Kitas zu den Hauptzielgruppen dieser Untersuchung, da sie Bildungsprozesse, Beratungsangebote und Hilfen für Familien gestalten und verantworten. Zudem werden Familien als Rezipienten und Hauptnutzer der Angebote nachgeordnet als Zielgruppe des Bildungsmanagement-Prozesses definiert. In diesem Sinne nimmt diese Arbeit aktuelle bildungs- und familienpolitische Diskurse auf und versucht herauszufinden, wie und mit welchen Unterstützungsmöglichkeiten ein Bildungsmanagement derartige Veränderungsprozesse begleiten kann.

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Leseprobe

4. Aktuelle Trends – Warum sich Kitas zum Familienzentrum entwickeln?


 

In diesem Kapitel wird der Versuch unternommen den Bogen zu spannen zwischen den aktuellen Trends und den gestiegenen Herausforderungen für die Gestaltung des Familienalltags, über die Bedeutung der Familie für das kindliche Aufwachsen, bis hin zur Frage, inwiefern ein gutes Miteinander zwischen Familie und Bildungseinrichtung gelingen kann?

 

4.1 Bedeutung des Bildungsortes „Familie“


 

Die Familie ist der erste Ort für die Erziehung, Bildung und frühe Förderung der Kinder. Somit sind Eltern für ihre Kinder die wichtigsten Bezugspersonen und haben einen entsprechend verfassungsrechtlich festgeschriebenen Erziehungsauftrag (vgl. Bundesministerium für Familie, 2013, S. 4). Zudem stellt die Familie als Lebensmittelpunkt für Kinder auch einen Bildungsort[3] dar, in dem entscheidende Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung und des Kompetenzerwerbs stattfinden. Diesem Bildungsort ist in der Vergangenheit zu wenig Beachtung geschenkt worden. Dies liegt sicherlich an der Überbewertung der formalen Bildung, die sich u.a. in schulischen institutionalisierten Lernkontexten wiederfindet. Der Familie als Bildungsort für alle Generationen wird mittlerweile eine große Bedeutung zugemessen. Untermauert wird dies durch den hohen Grad an informellen Bildungsgelegenheiten, die zur Alltagspraxis in Familien gehören (vgl. Die Zeit, 2015). Diese vollziehen sich zumeist in Interaktion mit Familienmitgliedern und im praktischen Tun, im Mitmachen, Abgucken, Ausprobieren und Einüben, aber auch im gezielten Vermitteln von Wissensinhalten (vgl. Büchner, 2006, S. 47). Der Begriff Familie stellt hier einen Rahmen dar, der durch die Weitergabe von Werten, Tugenden, Regeln und Kompetenzen nicht nur die Identitätsentwicklung von Kindern fördert, vielmehr wird hier nach Bourdieu (1982, S. 137) ein bestimmter „Geschmack“ erworben. Dieser Geschmack ist in diesem Kontext nicht als genetische Veranlagung zu verstehen, vielmehr ist er Resultat eines Sozialisationsprozesses, der wiederrum durch die soziale Herkunft, also die Familie, geprägt und beeinflusst wird. Damit ist klar, dass Bindungs- und Sozialisationsprozesse, die in der Familie stattfinden, zu den Grunderfahrungen und zur Keimzelle der Persönlichkeit eines Menschen gehören (vgl. Büchner, 2006, S. 14). Für die Gesellschaft hat Familie einen unermesslichem Wert, da sie neben der Gestaltung der Sozialisation für die nachwachsenden Generationen, auch den Zusammenhalt fördert und letztlich den Erhalt unseres Wohlfahrtsstaates sichert (vgl. Jurczyk et al., 2014, S.11). Dies alles macht Familie mit Abstand zu einem der einflussreichsten „Soziotope“ unserer Gesellschaft (vgl. Bundesministerium für Familie, 2013, S. 38).

 

Auf der Gestaltungsebene kann Familie mit einer Herstellungsleistung gleichgesetzt werden. Denn das alltägliche Handeln setzt voraus, dass Familie als gemeinschaftliches Ganzes permanent neu hergestellt wird ("Doing Family"). Dazu kommt, dass sich die Beziehungen in ihr auch im Laufe der Zeit verändern und zum anderen werden konkrete Praktiken und Handlungen der Familienmitglieder, im Alltag der Familie lebbar gemacht (vgl. Schier & Jurczyk, 2007). Unter dem Begriff „Familie“ können viele Formen eines auf Dauer angelegten, intergenerationalen privaten Zusammenschlusses gefasst werden (vgl. Bundesverband der Familienzentren e.V., 2015). Intergenerativ meint in diesem Zusammenhang, dass die Familienmitglieder unabhängig vom Lebensalter füreinander Sorge tragen und Verantwortung übernehmen. Diese definitorischen Ausführungen begründen sich auf einem psychologischen[4] Begriffsverständnis von Familie, da sie die intergenerationalen Beziehungen betonen und Familie als System behandeln (vgl. Kramlinger, 2000, S. 9 ff.). U.a. handelt es sich bei den verschiedenen Familien- und Lebensformen heute um Kernfamilien, Lebensgemeinschaften, Patchworkfamilien, Stieffamilien, Regenbogenfamilien und Migrationsfamilien. Diese Vielfalt zeigt einerseits wie unterschiedlich sich Familien gegenwärtig zusammensetzen und andererseits die dahinter häufig komplexe Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Trends, die Familien bei der Bewältigung ihres Alltages herausfordern.

 

4.2 Aktuelle Trends – Lebenslagen von Familien heute


 

Wie im vorangegangen Absatz erläutert, sind die Rahmenbedingungen für das familiäre Zusammenleben heute komplexer geworden. Eltern werden immer häufiger mit hohen oder kaum zu bewältigenden Anforderungen an die Gestaltung ihres Alltags zwischen Beruf und Familie konfrontiert. Diese Herausforderungen und Anforderungen unterliegen gesellschaftlichen Trends. Die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung publizierte Studie „Vater, Mutter, Kind? – Acht Trends in Familien, die Politik heute kennen sollte“ (Jurczyk & Klinkhardt, 2014), kann hier einen vertieften und fundierten Einblick liefern.[5] Zudem wird diese Studie ergänzt und erweitert durch eine Publikation gesellschaftlicher Megatrends des Zukunftsinstitutes (vgl. Zukunftsinstitut, 2015). Im Folgenden wird nun trivial auf die relevanten Trends und die damit verbundenen Auswirkungen auf Familie und Kindheit eingegangen.

 

Zunahme vielfältiger Lebens- und Familienformen (vgl. Jurczyk & Klinkhardt, 2014, S. 17 ff.)

 

Die Ehe als immer noch meistgelebte Familienform schwindet zugunsten anderer Familienformen. Im vorangegangen Kapitel wurden bereits einige dieser Formen genannt. Durch die zunehmende Individualisierung entstehen vielfältige Lebens- und Familienformen (vgl. Zukunftsinstitut, 2015). Somit wachsen Kinder heute seltener in einer „Normalfamilie“ auf. Trennung und Scheidung, sowie Neuanfänge können dabei Ursachen für diese Pluralisierung darstellen. Es entstehen beispielweise alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Familienformen und durch neue Partnerschaften können sich u.a. unverheiratete Lebensgemeinschaften, Patchwork- und Stieffamilien konstituieren. Aufgrund dieser Brüche haben Kinder Übergangsleistungen von der einen Familienform in die andere zu bewältigen.

 

Erosion des konventionellen Ernährermodells (vgl. Jurczyk & Klinkhardt, 2014, S. 33 ff.)

 

Die nicht vor allzu langer Zeit vorherrschende strikte Trennung der Aufgabenbereiche zwischen Männern und Frauen hat sich in den letzten drei Jahrzehnten drastisch gewandelt (vgl. Zukunftsinstitut, 2015). Männer sind nicht mehr die alleinigen Ernährer der Familie. Im Zuge der Bildungsexpansion kam es zu einem Anstieg der Frauenerwerbsquote. Diese und andere Veränderungen in der Gesellschaft begünstigen die Tatsache, dass Kinder „[…] insgesamt quantitativ immer weniger Zeit in ihrer häuslichen Umgebung und damit in der Familie […]“ verbringen (Bundesministerium für Familie, 2013, S. 101). Allerdings hat dieser Wandel auch begünstigt, dass Kinder heutzutage deutlich mehr Zeit mit ihrem Vater verbringen und in einem vorwiegend partnerschaftlichen Umfeld aufwachsen, in dem sie weniger starre Rollenbilder erleben.

 

Entgrenzung von Erwerbsbedingungen (vgl. Jurczyk & Klinkhardt, 2014, S. 55 ff.)

 

Das Normalarbeitsverhältnis mit seinen geregelten Arbeitszeiten und einer konstanten Vollzeiterwerbstätigkeit ist nicht mehr die Regel. Hingegen nehmen atypische Beschäftigungsformen, durch zeitliche Flexibilität und räumliche Mobilität zu (vgl. Zukunftsinstitut, 2015). Viele Arbeitnehmer befinden sich heute in Teilzeit- oder befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Auch die frühere Trennung zwischen Arbeit und (Privat)-Leben weicht zugunsten eines entgrenzten Arbeitszeitmodells mit verschiedenen Arbeitsorten und höheren Anforderungen. Gestiegene Ansprüche, Überforderung und Stress aus der Arbeitswelt bestimmen heute zu einem hohen Maß das Privatleben von Arbeitnehmern. Dies führt dazu, dass die Gemeinsamkeit in Familien komplizierter herzustellen ist und Kinder häufiger gestresste Eltern erleben, die für die kindlichen Bedürfnisse nur Zeitlücken zur Verfügung haben. Im schlechtesten Fall werden Aufmerksamkeit und Zuwendung für Kinder dadurch noch vermindert.

 

Eltern unter Druck – Vereinbarkeit von Beruf und Familie (vgl. Jurczyk & Klinkhardt, 2014, S. 75 ff.)

 

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt eine immer schwierigere Aufgabe dar. Gründe dafür liegen einerseits in den steigenden Anforderungen und veränderten Erwerbsbedingungen. So steigt die Anzahl von Müttern die in Teilzeitbeschäftigungen arbeiten stetig. Väter wiederum arbeiten häufig Vollzeit und teils sogar länger als Männer ohne Kind. An dieser Stelle divergieren Wunsch und Wirklichkeit. Väter wollen gern mehr am Familienleben teilhaben, können sich aber häufig aus vielerlei Gründen nicht durchringen ihre Arbeit dem Familienleben anzupassen. Modelle in denen sich die Stundenzahl der beiden Partner angleicht werden favorisiert, lassen sich allerdings selten umsetzen. Der Wunsch nach mehr Zeit für die Familie ist groß, doch leider müssen Kinder immer häufiger überforderte und verunsicherte Eltern erleben und wachsen zudem vermehrt in Lebenswelten außerhalb der Familie auf. So müssen erziehende Eltern „[…] verstärkt in Außenbeziehungen agieren – im Unterschied zu früheren Generationen, die sich deutlich mehr in familialen Binnenwelten bewegen konnten, Kinder erleben damit keine reine...

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