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Der Klassikstar - Das Starphänomen und seine Ausprägung auf dem Klassikmarkt

Das Starphänomen und seine Ausprägung auf dem Klassikmarkt

AutorHayat Caroline Issa
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl110 Seiten
ISBN9783638559386
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Kulturwissenschaften - Empirische Kulturwissenschaften, Note: 1,0, Universität Bremen (Kulturwissenschaften), 91 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Was ist ein Star? Diese Frage individuell zu beantworten, dürfte kaum schwer fallen. Jeder hat schließlich seine eigene Vorstellung von dem, wer ein Star ist und was ihn ausmacht - für den einen ist der Hollywood-Schauspieler ein Star, für den anderen der europäische Charakterdarsteller, die international bekannte Popsängerin, der eloquente Politiker, der täglich auf dem Fernsehschirm erscheinende Seifenoper-Darsteller, der zeitgenössische Maler, der exaltierte Modeschöpfer oder die klassische Operndiva. Doch haben diese Menschen etwas gemeinsam? Gibt es tatsächlich Aspekte und Merkmale, die bestimmte Persönlichkeiten zum Star werden lassen und andere, vielleicht nicht weniger talentiert und ambitioniert, eben nicht? Gibt es eine einheitliche Definition vom 'Star'? Was ist das Faszinierende an diesen 'besonderen' Menschen, das andere sie bewundern, verehren und ihnen nacheifern lässt? Dies waren die Ausgangsfragen, mit denen ich mich im Vorfeld dieser Arbeit beschäftigt habe. Da ich bereits seit einigen Jahren beruflich überwiegend mit klassischer Musik und Klassik-Künstlern im Rahmen des Konzerthaus- und Festivalbetriebs zu tun habe, lag es nah, sich diese Fragen auch und insbesondere in Bezug auf den Klassikmarkt zu stellen. Es fällt auf, dass in den letzten Jahren der Klassikmarkt immer mehr und in immer schnellerer Folge so genannte Stars hervorbringt. Immer neue Musiker, Sänger und Instrumentalisten, junge Talente, die stets als 'die neue große Klassik-Sensation' angekündigt werden - aber auch allzu häufig rasch wieder aus dem öffentlichen Blickfeld verschwinden. Ist das Phänomen des Klassikstars ein neues? Wie werden die Musiker heutzutage inszeniert? Wie gelingt es, sie einem großen Publikum nahe zu bringen und sie möglichst langfristig am Markt zu etablieren? Wer steckt hinter dieser Vermarktung?

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Leseprobe

3. Gründe für die Krise


3.1. Klassikhörer sind zu alt

Die Gründe für die Krise des Klassikmarktes sind vielfältig. Macht die Musikindustrie für die Rückgänge der Verkaufszahlen im Pop-Bereich vor allem illegale CD-Kopien und Internet-Piraterie verantwortlich[7], hat die Klassik-Branche neben diesem noch ein anderes großes Problem: Das Publikum, bzw. der durchschnittliche Klassikhörer, ist schlicht zu alt und schwindet so auf natürliche Weise kontinuierlich – ohne entsprechenden klassikinteressierten Nachwuchs. Jugendliche und junge Erwachsene von heute sind in der Regel mit Pop- und Rockmusik groß geworden und behalten die Vorliebe für diese Musikrichtungen in den meisten Fällen mit zunehmendem Alter. Klassik gilt erst bei den über 40-Jährigen als bevorzugte Musikrichtung. Fast 60 Prozent aller Klassik-CD-Käufer sind sogar über 50 Jahre alt. Es sind jedoch die unter 40-Jährigen, die beim CD-Kauf als besonders aktiv gelten. Menschen über 50 kaufen dagegen nur noch zu 27 Prozent Tonträger.[8]

 

Bei der so genannten E-Musik dominiert also eindeutig die ältere Käuferschicht. Die über 40-Jährigen kaufen fast 70 Prozent aller Klassiktonträger. Dieser Bereich konnte am deutschen Musikmarkt seit einem Jahrzehnt einen Marktanteil von etwa zehn Prozent halten, der allerdings langsam aber stetig abbröckelt. Hierbei liegt die sinfonische Musik vorne, gefolgt von der Oper sowie vom Lied und der Chormusik.[9]

 

3.2. Der Fachhandel verschwindet

Ein weiterer Grund für die Krise der Klassik ist die mittlerweile verschwindend geringe Anzahl der Klassik-Fachhändler. Wurde man noch in den 70er und 80er Jahren bei zahlreichen Fachhändlern gerade im Klassikbereich kompetent beraten, steht man heute im Normalfall in den Filialen der großen Elektromarkt-Ketten und wird mit einem unübersichtlichen Angebot an Klassik-CDs konfrontiert. In 2001 war der Fachhandel in Deutschland bereits auf 22 Prozent geschrumpft.[10] Dies scheint ein spezifisch deutsches Problem zu sein:

Während es in Frankreich mit FNAC eine Kette gibt, die Bücher und Klassik in einem stimmigen Ambiente anbietet, hat sich ein solches Modell in Deutschland nicht etabliert. Dussmann in Berlin und Beck in München sind die einzigen Häuser, die vergleichbare Konzepte der Integration verfolgen, Hugendubel lässt sich nicht auf diesen Markt ein, und sonst wird Klassik (zu der meist auch Crossover, Helmut Lotti und Vanessa Mae gezählt werden) vor allem durch Mediamärkte oder Karstadt vertrieben. […] Fachzeitschriften wie ‚Fono Forum‛ oder ‚Klassik Heute‛ erreichen nur wenige zehntausend Leser, ganz anders als ‚Gramophone‛ in England oder ‚Diapason‛ und ‚Le Monde de la Musique‛ in Frankreich. Die französischen Journale verteilen zudem Zensuren, die auf CDs aufgeklebt werden: ein verbraucherorientiertes Leitsystem, das in Deutschland fehlt.[11] 

Zum schwindenden verbraucherfreundlichen Fachhandel äußert sich Werner Dabringhaus von der kleinen Musikproduktion „Dabringhaus und Grimm“ folgendermaßen:

Ich erinnere mich, wenn früher eine neue LP herauskam, wurde sie im Fachhandel hochgehalten. Dann hieß es, ‛Herr Doktor Sowieso, ich habe hier etwas ganz Besonderes, das habe ich für sie zurückgelegt.’ Solchen Kundenservice finden sie heute kaum noch.[12] 

Auch Rainer Kahleyss, Geschäftsführer der Firma „Klassik Center Kassel“, einem eigenständigen Klassik-Label und Vertrieb, weiß um die schwierige Situation des Einzelhandels in Deutschland:

Die [Einzelhändler, Anm. d. Verf.] befinden sich nämlich in einem unauflösbaren Dilemma: Sie haben irrsinnige Innenstadt-Mieten zu bezahlen, die man nur als Mondpreise bezeichnen kann. Sie brauchen darüber hinaus, wenn sie Klassik verkaufen wollen, geschultes Fachpersonal. […] Die Fachkraft kostet aber. Abgesehen davon, dass es geschultes Klassikpersonal nicht gibt wie Sand am Meer. […] Also, die Fachkraft hat der Einzelhändler nicht. Und wenn er sie hätte, könnte er sie im Grunde nicht bezahlen. Wenn er sie aber nicht bezahlen kann, bleibt ihm zwangsläufig der Klassik-Käufer weg und wechselt zum Versandhandel. Da hat er zwar auch keine Beratung, aber die CD ist unter Umständen auch noch einen Euro billiger.[13]

Trotzdem glaubt Rainer Kahleyss nicht an eine baldige völlige Substitution des Einzelhandels:

Zum einen haben wir in Deutschland lediglich eine Zugangsmöglichkeit zum Internet von lediglich etwa 50 Prozent. Da aber unsere Kundschaft in der Regel bei 40 aufwärts beginnt, erreicht der Anteil der Internetkunden hier vielleicht höchstens 25 Prozent. [14]

Er weist auf einen weiteren Grund hin:

Wir bewegen uns in einer Luxus- und Geschenkartikel-Branche. Ein ganz erheblicher Anteil der Klassik-CDs, die über den Ladentisch gehen, wird gar nicht zum Selbstverbrauch gekauft, sondern als Geschenk wie ein Buch. Es gibt Untersuchungen, dass über die Hälfte aller Klassik-CDs, die verkauft werden, nie einen CD-Player von innen zu sehen bekommen. […] Aber gerade, wenn ich etwas als Geschenk kaufen will, möchte ich es mir normalerweise vorher anschauen, und zwar rein physisch. Ich will auch mal das Booklet in die Hand nehmen können, vielleicht sogar in die CD reinhören. Das sind alles Dinge, die über den Versandhandel nicht funktionieren.[15]

Trotz dieser Einwände kann man abschließend festhalten, dass der Fachhandel mitsamt der individuellen Beratung durch gut geschultes Verkaufspersonal mittlerweile stark geschrumpft bis ganz verschwunden ist, und der Markt heutzutage von wenigen großen Produktions- und Vertriebskonzernen beherrscht wird.[16]

 

3.3. Große Labels und Billiganbieter

Rund 75 Prozent des europäischen Musikmarktes werden von vier großen Musikkonzernen, so genannten „Majors“, dominiert: Im Jahr 2004 fusionierten Sony Music und die Bertelsmann Music Group zu Sony BMG und haben so mit einem gemeinsamen Marktanteil von 25,1 Prozent den bisherigen Weltmarktführer Universal mit seinen Klassik-Labels Deutsche Grammophon, Decca und Philips (23,5 Prozent Marktanteil) überholt. Es folgen EMI (13,4 Prozent) und Warner (12,7 Prozent).[17]

 

Bei diesen Majors ist die Klassik allerdings heute oft ein eher vernachlässigtes Feld. In den großen Konzernen zählt nur der kurzfristige kommerzielle Erfolg, die CD als Kulturgut und längerfristige Geldanlage hat an Bedeutung verloren. Verkaufserwartungen werden in die Höhe geschraubt – und in der Regel nicht oder zumindest nicht schnell genug erreicht, so dass der Sparhebel angesetzt wird.

 

Als unangenehme Folge werden ganze Abteilungen aufgelöst oder umgebaut, Mitarbeiter entlassen, weniger neue CDs produziert, Exklusiv-Verträge gelöst – und  nicht zuletzt wird auch Künstlern gekündigt.

 

Einige Fallbeispiele nennt Gregor Willmes, Redakteur der Zeitschrift „Fono Forum“: 1998 entließ EMI Electrola in Deutschland rund 50 Mitarbeiter, darunter fast die gesamte Klassik-Abteilung. Erst wurden hohe Abfindungen gezahlt, wenig später baute man die Klassik-Abteilung neu auf. Im Mai 2000 geriet BMG Classics in die Schlagzeilen, als es einen Großteil seiner Exklusiv-Künstler abservierte: betroffen waren u.a. Lorin Maazel, Thomas Hengelbrock, die King’s Singers, Steven Isserlis und Olli Mustonen.

 

Der amerikanische Konzern Warner schloss im Frühjahr 2001 seine Klassik-Filialen in Paris und Hamburg, um bei der Zusammenlegung Synergie-Effekte zwischen den Traditions-Labels Erato und Teldec zu erzielen. Die Zahl der Mitarbeiter wurde stark reduziert, wichtige Produzenten wurden vor die Tür gesetzt. Gleichzeitig sollte ein neues Crossover-Label aufgebaut werden.[18] In diesen so genannten Crossover-Bereich werden seit Jahren offenbar große Hoffnungen gesetzt:

Während der Klassik-Markt Krisen und sinkende Anteile (zuletzt gut vier Prozent) vermeldet, expandiert der Crossover, also die Kombination von Klassik, World Music, Jazz und Pop, und ebenso die neue Welle fernöstlicher Meditationsmusik und mittelalterlicher Gesänge, z.B. die Musik der Hildegard von Bingen. Der Kampf um Marktanteile wird zunehmend mit dem Kitsch der Kuschelklassik oder durch Verbindung berühmter Tenöre zur Rock- und Popmusik ausgefochten. Die Auswahl obliegt mittlerweile den Marketing-Chefs der Konzerne.[19] 

Neuproduktionen sind teuer und bringen selten den gewünschten finanziellen Erfolg – infolgedessen haben sich die großen Plattenfirmen vielfach darauf verlegt, alte Aufnahmen in immer neuer Verpackung anzubieten – diese Taktik bestimmt heute zum großen Teil das Klassik-Geschäft.

 

Die Vermarktung des althergebrachten Katalogs hat sich jedoch nicht als langfristig Erfolg versprechend erwiesen: Die Preisbindung für Tonträger wurde 1972 aufgehoben und seit der in Hongkong lebende deutsche Geschäftsmann Klaus Heymann 1987 begann, mit seinem Label „Naxos“ CDs von weniger bekannten, aber auch weniger hoch bezahlten Musikern für maximal zehn DM zu verkaufen und damit alle in der Plattenindustrie herrschenden Praktiken, wie aufwändiges Marketing, das Starsystem, teure Produktion und das Setzen auf bekanntes Repertoire, in Frage stellte, sind die CD-Preise merklich gesunken.[20] Rund zwei Drittel aller Klassik-Alben werden heute im so genannten Mid- und Low-Price-Bereich verkauft.

 

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