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Der Klimawandel im 'Spiegel' der 'Zeit'. Eine vergleichende Diskursanalyse der Klimawandel-Berichterstattung der beiden politischen Wochenzeitschriften

Eine vergleichende Diskursanalyse der Klimawandel-Berichterstattung der beiden politischen Wochenzeitschriften

AutorRobin Avram
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl129 Seiten
ISBN9783638041911
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik, Note: 1,0, Hochschule Bremen (Internationaler Studiengang Fachjournalistik), 98 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Klimawandel war im Jahr 2007 das Top-Thema auf der medialen Agenda. Einige Medien dramatisierten die Folgen (BILD: 'Die Erde stirbt'), andere verharmlosten sie (Cicero: 'Die Klima-Lüge'). Der SPIEGEL tat beides. Noch im November 2006 warnte er vor dem 'Weltuntergang', sechs Monate später konstatierte er eine 'Klima-Hysterie'. In der Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie sich dieser Deutungswandel erklären lässt. Die Klimawandel-Berichterstattung des SPIEGEL und der ZEIT werden zu diesem Zweck miteinander verglichen. Als Untersuchungsmethoden dienen eine quantitative Inhaltsanalyse und eine Diskursanalyse. Die Ergebnisse zeigen, dass das Deutungsmuster bei der ZEIT in allen Phasen konstant bleibt. Beim SPIEGEL kommt es dagegen zu einem doppelten Deutungswandel, der durch die Schlüsselereignisse EU-Gipfel und G8-Gipfel ausgelöst wird. Als Gründe können eine skeptische Haltung gegenüber erneuerbaren Energien, einem Wandel des Lebensstils sowie eine mangelnde kritische Distanz zur Energiewirtschaft ausgemacht werden. Der Chefredakteur Stefan Aust sowie der Leiter des Wissens-Ressorts, Olaf Stampf, scheinen als Gate-Keeper erheblichen Einfluss auf den Tenor der Berichterstattung gehabt zu haben. Damit erweitert die Arbeit die Erkenntnisse von sozialwissenschaftlichen Forschungsarbeiten über den Klimawandel-Diskurs der Massenmedien. Das Schema der 'skeptischen Kommunikation' über den Klimawandel ist nicht, wie von Weingart, Engels und Pansegrau (2002) angenommen, allein mit einer medienimmanenten Dynamik zu erklären. Vielmehr steht es in enger Verbindung mit der redaktionellen Linie eines Mediums hinsichtlich der Bewertung der Klimapolitik.

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Leseprobe

II. THEORETISCHER TEIL


 

1. Die Wahrheiten über den Klimawandel


 

Wie die Wirklichkeit aussieht, hängt ab von dem, der sie betrachtet. Eine Erkenntnis, die in der interpersonalen Kommunikation allgemein anerkannt ist, deren Bedeutung in Bezug auf die „gesellschaftliche Wirklichkeit“ jedoch oftmals unterschätzt wird.

 

Dabei wird alles, was wir als Realität bezeichnen, letztlich durch Sprache geformt.  (Keller, 1999). Insbesondere bei komplexen Sachverhalten, die sich einer unmittelbaren Erfahrung entziehen, existieren dabei oft eine Vielzahl von Bedeutungszuschreibungen, die miteinander konkurrieren. Sie richten sich danach, welche Beobachterperspektive eingenommen wird und welche Rationalitäten und Geltungsansprüche sich daraus ergeben. Das, was letzten Endes in einer sozialen Gemeinschaft als natürlich, notwendig und rational wahrgenommen wird, muss zuvor erst durch kommunikative und soziale Prozesse herausgebildet werden. Machtwirkungen und die Medien spielen eine große Rolle dabei, welche Deutung der Wirklichkeit zum hegemonialen Diskurs[1] wird (vgl. Foucault, 1982). Das Thema Klimawandel ist ein interessantes Beispiel dafür, wie solche Prozesse der Bedeutungskonstruktion ablaufen. Denn nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die unterschiedlichen Wirklichkeitskonstruktionen der Politik, der Wirtschaft und der Medien haben ein gutes Stück dazu beigetragen, wie der Klimawandel heute in der Gesellschaft wahrgenommen wird.

 

Um dies verständlicher zu machen, soll zunächst auf die von Niklas Luhmann (1984) entwickelte Systemtheorie zurückgegriffen werden. Die Gesellschaft hat sich demnach im Laufe der Geschichte in die Teilsysteme Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Religion und Recht ausdifferenziert. Diese „Arbeitsteilung“ ist notwendig, um die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt zu erhöhen. Gesteuert werden die Teilsysteme durch Kommunikation. Hervorstechendes Merkmal dabei ist, dass sie Informationen jeweils nach eigenen Regeln verarbeiten und interpretieren (Luhmann 1984, 1986). Jedes Teilsystem verfügt über einen eigenen binären Code, der sich danach richtet, was für eine Aufgabe das Teilsystem für die Gesellschaft übernimmt. Mithilfe dieses Codes filtern die Teilsysteme aus allen verfügbaren Informationen die für sie wichtigen heraus und machen sie bearbeitbar. So interessiert sich die Wissenschaft dafür, ob etwas nachgewiesen werden kann oder nicht, die Wirtschaft, ob es bezahlt werden kann oder nicht, die Politik, ob es mit Machtausübung verbunden ist oder nicht. Die Teilsysteme folgen unterschiedlichen Rationalitäten, Routinen und Handlungs­programmen, oder vereinfachend formuliert: Sie sprechen ganz unterschiedliche Sprachen - und reden daher oftmals aneinander vorbei. Dies ist keine gute Nachricht für jenes System, dass selbst nicht sprachlich kommunzieren kann: das Ökosystem.

 

 „Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag

 

 Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen, und die  Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen; solange darüber nicht  kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen.“

 

         (Luhmann, 1986, S.63).

 

Welch wichtige Rolle der Journalismus bei der Kommunikation über Umweltgefahren spielt, wird in Kapitel 1.2 näher erläutert. Zunächst ist wichtig, zu betonen, dass drei Teilsysteme ganz besonders gefordert sind, um die Gesellschaft dazu zu befähigen, auf Umweltgefahren zu reagieren. Dies sind die Wissenschaft, die Wirtschaft und die Politik. Im Falle des Klimawandels heißt das: Die Wissenschaft ist dafür zuständig, das Problem zu identifizieren, Ursachen und Auswirkungen zu erforschen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Diese Forschung ist bereits seit über drei Jahrzehnten fester Bestandteil der Wissenschaft. Neben der Klimaforschung hat sich die Klimafolgenforschung formiert, sie wird zunehmend durch sozioökonomische Perspektiven ergänzt (vgl. Peters, Heinrichs, 2005).

 

Die Wirtschaft muss auf diese Erkenntnisse reagieren, indem sie die Energie effizienter nutzt, die Nutzung fossiler Brennstoffe einschränkt und immer stärker auf erneuerbare Energien zurückgreift und diese dafür ausbaut. Zusammen mit der Wissenschaft muss sie zudem die für eine klimafreundlichere Produktionsweise notwendigen Technologien entwickeln und auf breiter Front zum Einsatz bringen. Und die Politik muss Wege finden, wie sie Wissenschaft und Wirtschaft dazu bringen kann, dies zu tun.

 

1.1 Komplexe Anforderungen an die Politik


 

In der Theorie hört sich dies recht einfach an. In der Praxis jedoch ist der Klimawandel ein Problem, dass als politisches Problem an Komplexität kaum zu überbieten ist (Engels, 2007). Er stellte die Regierungen weltweit vor die Aufgabe, Prognosen, die mit wissenschaftlicher Unsicherheit behaftet sind, in politische Entscheidungen überführen zu müssen. Dies war für die Politik mit der Gefahr eines Legitimationsverlustes verbunden: Neue wissenschaftliche Erkenntnisse hätten die Handlungsnotwendigkeit abschwächen oder noch steigern können. Die gefällten Entscheidungen bargen die Gefahr, dass sie im Nachhinein unter diesem Lichte betrachtet entweder als zu weitreichend oder als unzureichend beurteilt worden wären (vgl. Weingart, Engels, Pansegrau, 2002).

 

Hinzu kommt, dass Wirtschaftswachstum in der Geschichte immer auch mit erhöhtem Einsatz fossiler Brennstoffe und damit auch mit einem Wachstum der Emissionen verbunden war. Beides voneinander zu entkoppeln erfordert große Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie eine Verteuerung fossiler Brennstoffe. Auseinandersetzungen zwischen der Politik und einigen der umsatzstärksten Wirtschaftszweige überhaupt waren und sind die Folge. Zudem wird die Wirkung klimapolitischer Maßnahmen zur Vermeidung von Emissionen erst dann sichtbar, wenn die Politiker, die sie beschließen, schon längst nicht mehr an der Macht sind. Die Belastungen müssen Wirtschaft und Wähler jedoch sofort tragen. Ein großes Problembewusstsein in der Bevölkerung ist daher ebenso unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Klimapolitik wie die Verbindung von Emissionsreduzierungen mit anderen politischen Zielen.

 

Da es sich beim Klimawandel um ein globales Problem handelt, müssen wirksame politische Lösungen darüber hinaus auf UN-Ebene ausgehandelt werden, wo verschiedenste nationalstaatliche Interessen die Verhandlungen enorm verkomplizieren. Diejenigen Länder, die über viele fossile Brennstoffe verfügen (Saudi-Arabien, USA,  Australien, Russland) blockieren hier hartnäckig.

 

Der Hauptkonflikt bei der Aushandlung darüber, wer welche Belastungen tragen soll, besteht jedoch zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern. Denn Letztere haben zu den Treibhausgas-Emissionen, die bislang in die Atmosphäre entlassen wurden, lediglich 20 Prozent beigesteuert. Abgesehen davon, dass sie stärker von den Folgen betroffen sein werden, haben sie ihre Industrialisierung zudem zu einem guten Teil noch vor sich. Dennoch müssen auch sie dazu bewegt werden, Emissionsbegrenzungen zu akzeptieren, mithin ein anderes Wirtschaftsmodell zu entwickeln als die Industrieländer.

 

Dies geht nur über finanzielle Unterstützung, Technologietransfer und die Bereitschaft der Industrieländer, in Vorleistung zu gehen und selbst in den Klimaschutz zu investieren. Die aufstrebenden Riesen Indien und China machen den Industrieländern mit günstigen Produktionsbedingungen, billigen Waren und zunehmend auch geistigem Know-How jedoch schon jetzt Marktanteile und Arbeitsplätze streitig. Internationale Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz bilden also einen Zielkonflikt, der nur gelöst werden kann, wenn alle Akteure zu Zugeständnissen bereit sind und sich gleichermaßen beteiligen. Die Blockade der US-Regierung von 2001 bis 2007 (Näheres zu den Hintergründen in Kapitel 1.3) hat deshalb die gesamten Verhandlungen zurückgeworfen. Wird dies alles in Betracht gezogen, verwundert es nicht, dass die bisherigen Bemühungen zum Schutz des Klimas bislang so erfolglos geblieben sind.

 

1.1.1 Die Botschaften des IPCC


 

Das große Problem dabei: Der Menschheit läuft die Zeit davon. Dies legt jedenfalls der vierte Sachstandsbericht (AR4) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) nahe. Aufgabe des „Weltklimarates“ IPCC ist es, in einer umfassenden, objektiven und transparenten Weise das Wissen zum Klimawandel zusammenzufassen, welches in Tausenden in der Fachliteratur verstreuten Studien zu finden ist. Jeder Wissenschaftler kann Studien oder Kommentare einreichen, entscheidend ist allein die fachliche Expertise. Die Berichte werden anschließend einer intensiven, dreistufigen Begutachtung unterworfen, an der Hunderte von Wissenschaftlern beteiligt sind. Dieses Verfahren ist wegen seiner Transparenz und der sorgfältigen Prüfung in der Wissenschaft einzigartig. Daher repräsentieren die IPCC-Berichte den allgemein anerkannten Stand des Wissens der Klimaforschung.

Die Haupt-Botschaften des vierten Berichtes sind:

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