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E-Book

Der Krieg gegen die Raucher

Zur Kulturgeschichte der Rauchverbote

AutorWalter Wippersberg
VerlagPromedia Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783853718056
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Vor gar nicht so langer Zeit war das Rauchen noch selbstverständlicher, zum Teil glamouröser Bestandteil unserer Alltagskultur. Heute stellt man Raucher als unverantwortliches Gesindel dar, das die Gesundheit der Mitmenschen schädigt, und als Suchtkranke, die man eigentlich - notfalls mit drastischen Mitteln - zu ihrem 'Gesundheitsglück' zwingen sollte. Im vorliegenden Buch geht der passionierte Raucher Walter Wippersberg der Frage nach, wie es zu diesem Meinungsumschwung in der öffentlichen Debatte gekommen ist. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den kulturhistorischen Hintergründen dieses erstaunlichen Paradigmenwechsels und stellt diesen in einen gesellschaftspolitischen Kontext. Das Kulturphänomen Rauchen nur vom Standpunkt der Gesundheit aus zu betrachten, hält er für eine barbarische Sichtweise. Denn der stimulierenden Wirkung des Tabaks verdanken wir zum Beispiel einen gar nicht so kleinen Teil unserer Kultur.

Walter Wippersberg, geboren 1945 in Steyr, lebt als Schriftsteller, Regisseur und Filmemacher in Losenstein/ Oberösterreich und in Wien. Er ist ordentlicher Universitätsprofessor an der Wiener Filmakademie und seit 1990 Leiter der Klasse 'Drehbuch und Dramaturgie'. Veröffentlichungen: Theaterstücke, Hörspiele, Romane, Essays, TV-Dokumentationen, Filme (u.a. 'Das Fest des Huhnes'). Zuletzt erschien von ihm 'Eine Rückkehr wider Willen. Zwei Berichte über mich' (2008).

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Leseprobe

Wie es zu diesem kleinen Buch kam.


Was wäre der Welt alles erspart geblieben, hätte Adolf Hitler das Rauchen nicht aufgegeben! In seiner Jugend hat er 40 Zigaretten am Tag geraucht, dann aber, im Jahr 1919, machte er Schluß damit und warf sein letztes Packl Zigaretten in die Donau. Nur so, schwadronierte er später in einem seiner »Tischgespräche«, habe er zum Reichskanzler aufsteigen und die »Wiedergeburt Deutschlands« einleiten können. Im Rauchen sah er nun ein Laster der »minderen Rassen« – und die Rache des roten Mannes dafür, daß ihm der weiße Mann den Schnaps gebracht und ihn damit zugrunde gerichtet hätte. Am liebsten hätte er allen deutschen Volksgenossen das Rauchen verboten, auch den deutschen Soldaten. Diese aber wollte er dann lieber doch bei Laune halten, sollten sie halt bis zum »Endsieg« weiterrauchen, danach aber mußte Schluß sein damit. Spät erkannte er, daß diese Nachgiebigkeit ein großer Fehler gewesen war. Denn Studien belegten, wie sehr Tabak die Kampfkraft der deutschen Soldaten schwächte, ihr Durchhaltevermögen beim Marschieren und sogar ihre Fähigkeit, geradeaus zu schießen.

Daß Hitler mit dem Rauchen aufgehört hat, war also ganz schlecht für die Welt, daß er aber seinen Kampf gegen die Raucher nicht konsequent genug geführt hat, das war gut für die Welt, denn sonst wären wohl die deutschen Soldaten noch ausdauernder marschiert und hätten noch treffsicherer geschossen und so vermutlich dem Führer die Weltherrschaft erobert.

Wer das für eine schwachsinnige Argumentation hält, hat natürlich recht. Aber sie ist nicht schwachsinniger als so manche aktuelle Internetdiskussion rund ums Rauchen. Was sich dort auf erbärmlichstem Niveau abspielt, davon hatte ich lange keine Ahnung. Ich erfuhr es erst, als ich mich zum ersten Mal selbst öffentlich zum Thema Rauchen zu Wort meldete. Das war im Frühjahr 2009.

Man konnte damals von selbsternannten »Rauchsheriffs« lesen – meiner Einschätzung nach Menschen, die früher einmal Blockwart geworden wären, vor denen man sich vor 70 Jahren hat fürchten müssen, wenn man »Feindsender« hörte. Die zogen (und ziehen noch) durch die Gaststätten, um jeden Wirt zu vernadern und anzuzeigen, der sich nicht buchstabengetreu an die damals neuen Gesetze hielt, die das Rauchen in der Gastronomie regeln. Das u. a. hat mich bewogen, einen kleinen – zugegeben: polemischen – Essay zu schreiben. Als dieser dann am 5. Mai unter dem Titel »Die Stunde der Eiferer« im »spectrum« der Wiener Tageszeitung Die Presse erschien, da brach ein Leserbrief- und Internetposting-Wirbel los, wie ihn Die Presse noch nicht oft erlebt hat.

Von Anfang an wurde höchstens ansatzweise über das diskutiert, was ich geschrieben hatte. Die weitaus meisten Wortmeldungen kamen mir standardisiert und vorfabriziert vor, in jedweder Diskussion ums Rauchen verwendbar und wohl auch verwendet. Aber ein paar »Poster« gingen zu Beginn immerhin auf meine Argumente ein, heftig zustimmend oder heftig ablehnend, wie sich das gehört. Auch Bewertungen wurden abgegeben. Jemand schrieb, das sei »Unterschichtenjournalismus«, jemand anderer meinte, ich sei ein »Anwärter auf den Pulitzerpreis«, jemand fragte »Wie drogensüchtig muss man eigentlich sein, um so viel gequirlte Scheisse auf einem Haufen zu schreiben?«, jemand anderer vermutete, mein Text werde noch ein »Kultartikel« werden.

Bald tauchte dann die Vermutung auf, ich sei von der Tabakindustrie bezahlt und gekauft. »Wieviel zahlt die Tabakindustrie eigentlich für die Veröffentlichung solchen Schwachsinns?« »Die Tabakmafia hat bei Herrn Wippersberg ganze Arbeit geleistet.«

Dann kamen die Rufe nach Zensur: »Offen gesagt finde ich es bedenklich, dass man einen Mann mit einer solchen Geisteshaltung das Veröffentlichen von Texten in einem Medium mit nennenswerter Reichweite ermöglicht.«

»Habe den Artikel ein paar Freunden aus Deutschland geschickt und die waren schockiert, dass so etwas überhaupt abgedruckt wird! Weiters waren sie der Meinung, dass in Deutschland der Chefredakteur einer Zeitung, die dies publiziert, seinen Hut hätte nehmen müssen, weil – Meinungsfreiheit hin oder her – eine Grenze des Journalismus überschritten wurde!«

»Ich bin entsetzt, dass ein christlich-konservatives medium es zulässt, solch etwas abzudrucken! ich hoffe, im nächsten spectrum eine distanzierung von hrn fleischhacker [d. i. der Chefredakteur der Presse] zu lesen, weil solch ein abdruck ist schlicht und ergreifend eine beleidigung des lesers!«

Einzelnen »Postern« fiel natürlich auf, daß manche Wortmeldungen etliche meiner Thesen durchaus bestätigten (etwa daß es vielen Anti-Raucher-Aktivisten gar nicht so sehr um den Nichtraucherschutz geht, sondern um die Lust am Verbieten).

Bald aber hatte sich die Internetdiskussion ganz und gar von ihrem Anlaß, nämlich meinem Essay, losgelöst. Spätestens seit sich organisierte Raucher-Aktivisten (die gibt es auch!) eingemischt haben. Von da an beschäftigten sich militante Nichtraucher und militante Raucher nur noch miteinander, prügelten mit erschreckend brutalem Vokabular aufeinander ein, beschuldigten sich gegenseitig, mit gefälschten Zahlen zu operieren und sich bezahlen zu lassen – je nachdem, von der Tabakindustrie oder von der Pharmaindustrie … Die letzten differenzierenden Stellungnahmen gingen in diesem Gekeife einfach unter.

Ich hatte in meinem Text die Vermutung geäußert, daß hier ein religiös grundierter Kampf, eine Art Glaubenskrieg ausgefochten werde, das wurde mir nun eindrucksvoll bestätigt, und das war einer der Fälle, in denen ich lieber nicht recht behalten hätte.

Eine zweite Interneterfahrung folgte kurz vor Weihnachten 2009. Damals hatte der österreichische Gesundheitsminister angekündigt, er wolle die das Rauchen in den Lokalen betreffenden Regelungen evaluieren lassen, sobald in einem halben Jahr die Übergangsregelungen ausgelaufen seien. Da lud mich die Presse-Redaktion ein, einen Gastkommentar zum Thema zu schreiben (und, weil um Ausgewogenheit bemüht, lud man auch noch einen Lungenfacharzt, der sich dem Kampf gegen Rauchen verschrieben hat, ein, das gleiche zu tun.) Mein kleiner Beitrag trug die Überschrift »Aufruf zur Vernunft« und plädierte dafür, das Problem ein wenig gelassener zu sehen, unaufgeregter anzugehen, und vor allem möge man nicht vergessen, daß es durchaus vernünftige Alternativen zum totalen Rauchverbot allüberall gebe.

Zu den Internetreaktionen von der Art, die ich schon kannte, kamen für mich neue hinzu, die sich mit meiner Person beschäftigten. Einer, der so tat, als kenne er mich, dichtete mir die Lungenkrankheit COPD an, behauptete, ich sei als Folge meines Rauchens nicht mehr imstande, einen Treppenabsatz hinaufzusteigen, ohne wenigstens einmal anzuhalten, und verlieh im übrigen der Hoffnung Ausdruck, ich werde wohl bald den allerletzten Zug aus der allerletzten Zigarette tun. Daß das Internet wie kein anderes Medium dazu einlädt, durch die Nickname-Anonymität geschützt Lügengeschichten in die Welt zu setzen, um unliebsame Menschen zu diskreditieren, das war mir damals natürlich schon bekannt; ist man jedoch zum ersten Mal selbst davon betroffen, dann ist das doch ein etwas seltsames Gefühl. Und mir fällt in solchen Fällen dann ein, wozu bestimmte Leute wohl fähig wären, erlaubten ihnen geänderte politische Verhältnisse, so mit anderen zu verfahren, wie sie es offenkundig gerne täten. Freilich ist mir bisher noch nicht geschehen, was in anderen Internetforen Leuten wie mir schon widerfahren ist. Denen – man nennt sie gern Asoziale – rät man zur Auswande­rung oder droht ihnen die Abschiebung an und läßt sie gelegentlich auch wissen, daß sie eigentlich vergast werden müßten. Woher kommt, frage ich mich, dieses erschreckende Maß an blankem Haß, wenn eine doch recht simple Frage (Wo soll geraucht werden dürfen und wo nicht?) diskutiert wird?

Übrigens bewegt sich vieles, was militante Raucher zur Diskussion beitragen, gleichfalls am Rande des Schwachsinns oder sogar schon jenseits dieses Randes. Wenn manche sich zur Behauptung versteigen, die verfolgten Raucher seien die neuen Juden, dann sind solche Vergleiche einfach nur degoutant. Und was da nicht für gewagte Vermutungen angestellt werden, wer hinter den Anti-Raucher-Aktivisten stehen könnte, da blühen Verschwörungstheorien der wüstesten Art. Mir sind – ich sag’s, wie’s ist – die militanten Raucher nicht sympathischer als die militanten Nichtraucher. Es gibt sehr dumme, sogar atemberaubend und himmelschreiend dumme Raucher, so wie es himmelschreiend dumme Nichtraucher gibt (und das gilt auch für Trinker und Abstinenzler, Auto- und Radfahrer, Gläubige und Atheisten etc. etc.).

Einmal redete ich mit einem Presse-Redakteur über all dies und meinte, daß mittlerweile auf vielerlei Ebenen tatsächlich schon so eine Art Raucherverfolgung stattfinde, da fragte er: »Warum schreibst du nicht ein Buch drüber?« Und meine Antwort war: »Ja, warum eigentlich nicht.« Es gibt ja in der Tat viele Aspekte des Themas, die einer näheren Betrachtung wert sind.

Claus-Marco Dieterich hat 1998 ein Buch geschrieben, »Dicke Luft um Blauen Dunst«, das ist, auch wenn der g’schmackige Titel es nicht vermuten läßt, eine recht gute Darstellung von – wie auch der Untertitel lautet – »Geschichte und Gegenwart des Raucher/Nichtraucher-Konflikts«. Dieterich bestätigt darin der damals geführten Auseinandersetzung »ein allseitiges Bemühen um eine grundsätzliche Vernünftigkeit der Auseinandersetzung« und meint: »Rationalität ist dem Anspruch nach der Bezugspunkt...

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