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Der Medien-Fall Uli Hoeneß. Populismus in den Sportmedien

Wie Süddeutsche Zeitung und BILD mit der Steueraffäre umgehen

AutorMaximilian Kettenbach
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl99 Seiten
ISBN9783946458203
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
'Wir leben im Zeitalter der Skandale', erklärten die Wissenschaftler Kepplinger und Hartung bereits 1993 in ihrer Fallstudie 'Am Pranger'. Gut 20 Jahre später gilt das noch genauso. 25 Skandale, die pro Jahr im öffentlichen Interesse stehen, zählte Kepplinger 2009. Es gibt einige Studien zu Verläufen von Skandalen, auch anhand fester Beispiele und in Bezug auf die Medien, wie die von Kepplinger (2009). Doch es gibt bislang noch keine Untersuchung, die im Zuge eines Skandals die Absicht eines Mediums, die Öffentlichkeit zu manipulieren, eruiert. Die folgende Studie versucht dies, indem sie anhand der Steuerhinterziehung des ehemaligen Präsidenten des FC Bayern München, Uli Hoeneß, alle 124 Artikel der Süddeutschen Zeitung und alle 170 der BildZeitung zu diesem Thema zwischen dem 22. April 2013 und dem 15. März 2014 auf diese Aspekte hin vergleicht. Die Untersuchung ergibt, dass beide Medien nicht objektiv berichteten und nur selten zwischen Nachricht und Meinung trennten. Die SZ berichtete fast durchgehend positiv über die Person Hoeneß, macht das allerdings zurückhaltend. Die Bild dagegen legte sich nicht auf eine Richtung fest, sondern schwankte zwischen pro und contra. Dies machte sie jedoch wesentlich extremer und offensichtlicher als die SZ. Als zusätzliches Ergebnis zeigt sich, dass sich der Trend von Schlegel (2007) und Schmalenbach (2009) fortsetzt und sowohl in der SZ als auch in der Bild immer mehr spekuliert wird.

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Leseprobe

2. (Sport-) Berichterstattung in den Tageszeitungen


 

Im folgenden Kapitel wird zunächst dargestellt, wie es um den aktuellen Pressemarkt in Deutschland steht. Außerdem dient dieses Kapitel dazu Qualitäts- und Boulevardjournalismus sowie die Skandalberichterstattung vorzustellen.

 

2.1 Presse in Deutschland aktuell


 

63,2 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren und damit insgesamt 44,6 Millionen Menschen lesen Tageszeitungen. Mehr als die Hälfte liest jeden Tag regionale Abonnement-Zeitungen (51 Prozent), 18 Prozent lesen Kaufzeitungen. Die treuesten Leser sind die besser Gebildeten (vgl. Goedecke, 2014b). Sieht man sich die Altersstruktur der regelmäßigen Tageszeitungsleser genauer an, zeigt sich das oftmals diskutierte Problem deutlich: Im Schnitt nutzen mehr als drei Viertel der über 40-Jährigen die Zeitung als Informationsmedium. Jedoch sinkt die Nutzung bei den 14- bis 19-jährigen Deutschen um fast fünf Prozentpunkte seit dem Jahr 2011 auf 35 Prozent. Auch in der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen ist ein leichter Schwund festzustellen (47 Prozent). Das Internet hat gerade bei der jüngeren Generation längst die Zeitungen ersetzt. Dafür sind immerhin zwei Fünftel der über 14-Jährigen im Netz auf Websites der Verlage unterwegs (vgl. Pasquay, 2013).

 

Ausgehend von ihrer Bedeutung als vierte Gewalt im Staat gilt die Presse in Deutschland als unverzichtbares Instrument Öffentlichkeit herzustellen und die Allgemeinheit über alle bedeutenden Vorgänge in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu informieren. Und das unabhängig von staatlichem Einfluss. Dieser Funktion soll die Presse „durch Information, Beitrag zur Meinungsbildung sowie Kritik und Kontrolle nachkommen“ (Pürer & Raabe, 2007, S. 11). Dank Artikel 5 des Grundgesetzes erhält die Presse auch die uneingeschränkte Befugnis für diese Aufgabe. Doch speziell der deutsche Zeitungsmarkt, der sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kontinuierlich weiterentwickelte, befindet sich seit der Verbreitung des Internets zur Jahrtausendwende in einer Krise und hat weiterhin mit sinkenden Auflagenzahlen und Reichweiten zu kämpfen (vgl. Schmalenbach, 2011, S.17f.). Anzeigenkunden ziehen sich nach und nach zurück, die Leserschaft nutzt die kostenlosen Angebote im Netz. Die daraus resultierenden Sparmaßnahmen bestimmen die Medienwelt heute und wirken sich zu Lasten der journalistischen Qualität aus (vgl. Arnold, 2009, S. 81; Schmalenbach, 2011, S. 102). Um die Leser-Blatt-Bindung dennoch zu forcieren, senken sie bewusst ihre Angebote, „um im unbedingten Streben nach wirtschaftlichem Erfolg Massen an sich zu binden, ohne dabei weitreichende Folgen zu bedenken“ (Schmalenbach, 2009, S. 2). Denn dadurch verlieren Printmedien an Vertrauen der Leser. Das Rennen um Aktualität und Fülle an Information haben die Printmedien laut Schmalenbach (2009) bereits verloren. Um lesenswert zu bleiben müssen die Zeitungen nun auf die Karte Qualität setzen (vgl. Schmalenbach, 2009, S. 3).

 

2.2 Qualität im Journalismus


 

2.2.1 Forschungsstand


 

„Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“, bemerkte Ruß-Mohl (1992, S. 85) bereits Anfang der 90er Jahre. Und auch Schmalenbach (2011, S. 111f.) schließt sich dem an und behauptet, dass nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Blickwinkel auf die Problematik, sondern auch der unterschiedlichen Zielsetzungen wegen, der Diskurs um Qualität im Journalismus zu einem „bodenlosen Fass“ werde. Das Problem journalistische Qualität zu konkretisieren, zeigt allein die Quantität der Studien zu diesem Thema. Einige werden in diesem Kapitel vorgestellt.

 

Vorläufer der Qualitätsforschung waren die Pressekonzentrations-, die Objektivitäts-, die Vielfalts- sowie die Verständlichkeitsforschung. Ihren richtigen Ursprung aber findet die Qualitätsdiskussion im Ethikdiskurs, der als Vorläufer der verhältnismäßig erst sehr spät einsetzenden Qualitätsdiskussion gelten darf. Neuere Studien von Köstner (2005) und Schlegel (2007) beschäftigen sich mit Ethik in den verschiedenen Zeitungen. Die Ethik gilt wegen ihrer Appelle an Verantwortung und moralisch richtigem Handeln als Voraussetzung für (journalistische) Qualität. Dass der Ethikdiskurs bis heute fast vollständig von der Qualitätsdebatte abgelöst wurde, liegt nach Kaiser-Rumstadt & Ruß-Mohl (2000, S. 243) an „mangelndem Praxisbezug der Diskussion“. Trotz der Abwendung von ihr gilt sie als eine „wichtige Grundlage für die Auseinandersetzung mit Qualität in den Medien“ (Schmalenbach, 2011, S. 51). Die Beschäftigung mit der Qualitätsdiskussion begann in Deutschland erst Anfang der 1990er Jahre. Anlass dafür waren journalistische Fälschungsskandale, sich häufende Beschwerden und Klagen bei Presseräten und ordentlichen Gerichten, sowie dramatische Glaubwürdigkeitskontraste der Medien (vgl. Ruß-Mohl, 2005, S. 375). Konkret waren dies Programmformate wie Reality-TV, verschiedene Infotainment-Formen, aber auch Gewaltdarstellungen und Pornographie gerade von Seiten der in den 1980er Jahren gegründeten privaten Fernsehsender. Die allzu seichten Unterhaltungsformate und die zunehmende Boulevardisierung von Informationsangeboten zwangen in erster Linie die öffentlich-rechtlichen Anstalten fortan dazu, ihren gesellschaftlichen Leistungsbeitrag zu überdenken und machten so die Wissenschaft auf dieses Forschungsfeld aufmerksam. Hinzu kam Anfang des neuen Jahrtausends der Absturz der New Economy der angesichts dramatisch einbrechender Werbeeinnahmen eine Medienkrise zur Folge hatte. Es zeigten sich außerdem bereits damals die Vorzüge des Internets und insbesondere Kleinanzeigen wanderten in das neue Medium ab (vgl. Arnold, 2009, S. 81; Schmalenbach, 2011, S. 102). So war die Übertragung der Qualitätsdiskussion auf den Print-Journalismus die logische Konsequenz.

 

Doch im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsunternehmen ist es bei Medien relativ schwierig Qualitätskriterien festzulegen. Dies liegt am sehr komplexen Medienprodukt, das auf der einen Seite Profit bringen soll, andererseits jedoch auch der öffentlichen Aufgabe unterliegt (vgl. Bucher, 2003, S. 12ff.).

 

So gibt es für journalistische Qualität zwar mehrere Ansätze von Qualitätsmaßstäben – es konkurrieren systemtheoretische, konstruktivistische, funktionale, handlungstheoretische und akteurorientierte – einen Standard gibt es aber nicht. Meist spielt sich die Diskussion auf drei Ebenen ab: normativ-demokratietheoretische Ansätze wurden von Mc Quail (1992) begründet. Er entwickelte einen Kriterienkatalog für verschiedene Medientypen, die auf zentralen gesellschaftlichen Werten der westlichen Welt gründen: Freiheit, Gleichheit, sowie Ordnung. So beeinflusste er zahlreiche Autoren, unter anderem Schatz und Schulz (1992). Als Vertreter des journalistisch-analytischen Verfahrens gelten Schröter (1995) und Weischenberg (2003). Die Forscher orientierten sich vornehmlich an den vom Journalismus selbst kommenden Aufgaben oder gesellschaftlichen Funktionen, die sich z.B. aus dem Wesen des Journalismus, historischen Entwicklungen, selbst entwickelten Verständnissen und professionellen Regeln oder allgemeinen Prinzipien menschlicher Kommunikation ziehen lassen (vgl. Schmalenbach, 2011, S. 107f.).

 

Ein dritter Ansatz in der Forschung nach Qualität im Journalismus ist die Betrachtung aus der publikumsbezogenen Perspektive. Heinrich (1994) publizierte als erster in diese Richtung, indem er das Mediensystem in die Systeme Wirtschaft und Publizistik zugleich einbettete. Aus Sicht der Ökonomie wird dabei die Qualität allein durch die individuellen Präferenzen der Konsumenten bestimmt. Er argumentiert, dass der wettbewerbsbedingte Druck unter den Medienunternehmen, möglichst kostengünstig zu produzieren, insgesamt zu einer verschlechterten Qualität führt. Eine neuere, daran anknüpfende Studie ist die von Arnold (2009). Er stellt ein umfassendes, integratives Qualitätskonzept vor, befasst sich in seiner Studie vor allem aber mit dem publikumsorientierten Ansatz, indem er die Erwartungen des Publikums, auch schicht- und geschlechterspezifisch, via qualitativer und standardisierter Repräsentativbefragung misst.

 

Im Laufe der Qualitätsforschung wird deutlich, dass sich in der Praxis nicht auf einen Ansatz konzentrieren lässt, ohne die anderen außer Acht zu lassen. Zum einen liegt das an den unterschiedlichen Medien und Ressorts, andererseits aber auch an der Dynamik der Zeit, mitsamt Online-Journalismus und Web 2.0. Ruß-Mohl (1992) stellt in seinem „Magischen Vieleck der Qualitätssicherung im Journalismus“ bereits dar, dass bei der Definition der Qualität, aber auch der Sicherung dergleichen, so viele Parameter berücksichtigt werden, dass nie alle gleichzeitig erreicht werden können. „Einzelne Ziele überlappen sich, andere konkurrieren gegeneinander“ (Ruß-Mohl, 1994, S. 97).

 

 

Eigene Darstellung, Quelle: Ruß-Mohl, 1994, S.96

 

Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, soll der Journalist nach Ruß-Mohl im jeweiligen Einzelfall entscheiden, wo seine Priorität liegt. Eine Gewichtung aus wissenschaftlicher Sicht ist aber deshalb sinnvoll, um für diese Entscheidungen praxisnahe Präferenzen zu schulen.

 

Für die Diskussion von immenser Wichtigkeit war somit im Speziellen die Untersuchung Schmalenbachs (2011), die ein...

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