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Der mehrfachbehinderte Mensch und das Persönliche Budget. Zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge

Ein Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge

AutorMarkus Kaufhold
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl114 Seiten
ISBN9783638808767
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen, 60 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Ziel dieser Diplomarbeit besteht darin, zu untersuchen, inwieweit das Persönliche Budget für Menschen mit Mehrfachbehinderung nutzbar ist. Dieser Frage soll mit Hilfe zweier verschiedener Schwerpunkte nachgegangen werden. Im ersten Schwerpunkt sollen bereits bestehende Modellprojekte zum Persönlichen Budget auf ihre Umsetzung und ihrer Nutzbarkeit für Menschen mit mehrfacher Behinderung untersucht werden, sowie die Umsetzung in drei Nachbarländern. In einem zweiten Schwerpunkt sollen Fachleute nach ihrer Meinung zum Persönlichen Budget und dem Aspekt der Nutzungsmöglichkeiten für diese Menschen mittels qualitativer Experteninterviews befragt werden. Die dabei entstehenden Ergebnisse werden anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING ausgewertet. Nach einer ausführlichen Einordnung der Begrifflichkeiten (Kapitel 2) beschäftigt sich Kapitel 3 zunächst mit den Grundlagen des Persönlichen Budgets, einerseits um dem Leser einen Einstieg in das Thema zu ermöglichen und andererseits, um zu untersuchen, wie das Persönliche Budget gesetzlich bestimmt und die Nutzungsmöglichkeiten durch Menschen mit Behinderung geregelt werden. Im 4. Kapitel werden ausgewählte Modellprojekte auf ihre Umsetzung und auf den Aspekt der Nutzungsmöglichkeit für mehrfach behinderte Menschen untersucht. Da seit Jahren in benachbarten Ländern bereits ähnliche Formen des Persönlichen Budgets eingeführt und erfolgreich umgesetzt wurden, werden auch diese nach den gleichen Gesichtspunkten hinterfragt. Dies erscheint sinnvoll, da in Deutschland bislang nur begrenzt Erfahrungen in der Umsetzung mit dem Persönlichen Budget gesammelt werden konnten. Durch eine Betrachtung dieser Länder ergibt sich zugleich die Möglichkeit (Kapitel 5) den Stand der Umsetzung deutscher Modelle miteinander zu vergleichen. Kapitel 6 beschäftigt sich mit einer empirischen Untersuchung, indem Fachleute zum Persönlichen Budget anhand ausgewählter Forschungsfragen zum Thema interviewt werden. Die Auswertung und Interpretation erfolgt nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING. Das Resümee fasst die Ergebnisse der vorliegenden Diplomarbeit zusammen. Mit Handlungsvorschlägen für die soziale Arbeit und einem Ausblick wird das Thema abgerundet.

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Leseprobe

2. Einordnen der Begrifflichkeiten


 

2.1 Das Persönliche Budget


 

„Das Persönliche Budget ist die Bewilligung einer Sozialleistung in Form einer Geldleistung. Menschen mit Behinderung können diese Geldleistung erhalten, um ihren Unterstützung- und Hilfebedarf zu decken. Die für die Bedarfsdeckung erforderlichen Sach- und Dienstleistungen werden selbstständig  ausgesucht und eigenverantwortlich eingekauft.“ (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, 2004, S. 7 f)

 

Um eine bessere Passgenauigkeit und Wirksamkeit rehabilitativer (Dienst-) Leistungen zu erzielen, wurde zum 1. Juli 2001 im SGB IX die Möglichkeit geschaffen, Sachleistungen in Form von Geldleistungen zu erhalten (Vgl. Wacker/Wansing/Schäfers, 2005, S. 31).

 

Beim Persönlichen Budget handelt es sich nicht um eine neue Leistungsart aus der sich veränderte Leistungsansprüche ergeben, sondern um eine andere Form der Leistungserbringung, welche notwendige Hilfen nach „Maß“ für Menschen mit Behinderung vorsieht und gleichzeitig mehr selbständiges Leben ermöglichen soll. Das Persönliche Budget ist eine Geldleistung, die ein behinderter Mensch erhält, um sich von dem Geld die Unterstützung, die er braucht, selbst und eigenverantwortlich zu organisieren bzw. auf einem Dienstleistungsmarkt  einzukaufen (Vgl. Landesverband Baden-Württemberg Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.: Persönliches Budget von A – Z, S. 19). Mit einem Persönlichen Budget erhalten Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, maßgeblich zu entscheiden, welche Hilfeleistungen sie wann in Anspruch nehmen und wie diese ausgeführt werden. Der Mensch wird somit zum direkt zahlenden Kunden. Eine entscheidende Neuerung des Persönlichen Budgets besteht für Menschen mit Behinderung in der Möglichkeit, auszuwählen, wer eine Unterstützung erbringen soll. Mit den Geldleistungen können professionelle Anbieter in Anspruch genommen, persönliche Assistenten angestellt oder Hilfen privat organisiert werden, indem man Freunde, Nachbarn und andere beauftragt, die Unterstützung zu leisten (Vgl. Wacker/Wansing/Schäfers, 2006, S. 33).

 

Dabei sind Persönliche Budgets so zu bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Insoweit andere den Budgetnehmern zugängliche und zumutbare Beratungs- und Unterstützungsangebote nicht ausreichen, können und müssen erforderliche Beratungs- und Unterstützungsaufwendungen bei der Bemessung der Budgets berücksichtigt werden. Gleichzeitig soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (Vgl. BMAS, Teilhabe behinderter Menschen, Umsetzung, Stand: 11.11.2006).

 

Seit dem 01.07.2004 können Persönliche Budgets auf Wunsch bundesweit bei Sozialleistungsträgern beantragt werden. Grundsätzlich können alle behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen, die Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe haben, diese als Persönliches Budget beantragen.

 

„Menschen, die wegen der Schwere ihrer Behinderung das Persönliche Budget nicht allein verwalten können, sind nicht von der Inanspruchnahme eines Persönlichen Budgets ausgeschlossen. Sie können sich bei der Verwendung des Persönlichen Budgets beraten und unterstützen lassen.“ (BMAS, Teilhabe behinderter Menschen, Umsetzung, Stand: 11.11.2006)

 

Bis zum 31.12.2007 befindet sich das Persönliche Budget in einer Erprobungsphase, bei der nach geeigneten Formen zur Umsetzung geforscht werden soll. Während dieser Erprobungsphase ist es eine „Kann-Leistung“ d.h., ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe durch ein Persönliches Budget kann, muss aber nicht gewährt werden.

 

Jedoch muss eine Nichtgewährung personenbezogen sein und dementsprechend begründet werden. Ab dem 01.01.2008 wird ein allgemeiner Rechtsanspruch auf Persönliches Budget eingeführt. Im Falle einer Nichtbewilligung muss diese von dem jeweiligen Leistungsträger sehr genau begründet werden (Vgl. Bartz, 2006, S.10).

 

Das Persönliche Budget ist eine Antragsleistung. Das heißt, der Mensch mit Behinderung kann beantragen, seine Rehabilitations-, Teilhabe- und Pflegeleistungen mit einem Persönlichen Budget zu organisieren. Antragstellerinnen und Antragsteller können jedoch jederzeit zurück zu den ursprünglichen Sachleistungen, wenn sie feststellen, dass das Persönliche Budget nicht ihren Bedürfnissen oder Vorstellungen entspricht (Vgl. Bartz, 2006, S. 10).

 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Persönliche Budget von Interessierten bei einem der Rehabilitationsträger[3] ausdrücklich beantragt werden muss. Das Persönliche Budget stellt eine zweckgebundene Leistung einer oder mehrer Träger dar, dessen Umfang in einem gemeinsamen Einschätzungsverfahren (mit dem Antragsteller) festgelegt wird. Dabei soll, nach § 17 Abs. 3 SGB IX, die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen, nicht überschreiten. In einer Zielvereinbarung werden die in dem Bedarfsfeststellungsverfahren gemeinsamen erarbeiteten Ziele der Rehabilitationsmaßnahmen vertraglich festgehalten. Durch einen anschließenden Verwaltungsakt wird das Budget daraufhin bewilligt oder abgelehnt (Vgl. Landkreis Marburg-Biedenkopf, 2005, S. 2).

 

2.2 Behinderung


 

Eine einheitliche Definition für Behinderung gibt es nicht. Für HITZACKER ist Behinderung vielmehr ein Sammelbegriff, der trotz vielfältiger Versuche nur schwer präzisierbar ist, da Behinderung sich nur im Vergleich und Abgrenzung zu Nichtbehinderung darstellen lässt (Vgl. Hitzacker, 2000, S. 74).

 

Gemäß § 2 SGB IX sind Menschen behindert,

 

„…wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ (§ 2, Abs. 1, Satz 1, SGB IX)

 

Nach NEUER-MIEBACH wird ein Mensch mit einer dauerhaften, sichtbaren und/ oder spürbaren Andersartigkeit in körperlicher, geistiger oder seelischer Hinsicht, die sozial als abweichend, unerwünscht und negativ eingestuft wird, als behindert bezeichnet (Vgl. Neuer-Miebach, 2005, S. 138).

 

HITZACKER bezieht sich bei seiner Beschreibung von Behinderung auf eine Definition des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung,  welches Behinderung in einer umschreibenden Darstellung beschreibt:

 

„Behindert … sind alle, die von Auswirkungen einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung betroffen sind, die auf einem von dem für das jeweilige Lebensalter typischen Zustand abweichenden körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht.“ (Hitzacker, 2000, S. 74)

 

Zugleich kritisiert er jedoch am Behinderungsbegriff, dass dieser sich ausschließlich auf die Defizite eines Menschen fokussiert, anstatt Ressourcen in den Blickpunkt zu stellen.

 

Nach BLEIDECK gelten Menschen als behindert, die infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Funktionen soweit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder ihre Teilnehme am Leben in der Gesellschaft erschwert werden (Vgl. Bleideck, 2001, S. 59).

 

Somit kann festgehalten werden, dass es keinen rechtlich einheitlichen normierten Behinderungsbegriff gibt. Allen Versuchen zur Definition des Behinderungsbegriffes gemein ist nur, dass die Behinderung der Auslöser für den Erhalt von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch ist (Vgl. Metzler/ Wacker 2001, S. 126).

 

 „Das Konstrukt ,Behinderung’ ist Resultat einer medizinisch-psychologischen Anthropologie[4], in der alltagsorientierte  Überzeugungsmuster sich zu einer Theorie aus empirischen  und normativen Bausteinen vermischen.“ (Bleideck, 2001, S. 59)

 

Somit ist Behinderung die Folge einer Norm. Wer in dem geregelten System unserer Gesellschaft nicht funktioniert, wird automatisch ausgegrenzt.  BLEIDECK weist an dieser Stelle darauf hin, dass Behinderung jedoch von der Art der Behinderung, dem Ausmaß der Schädigung, den Gebieten, auf denen mit Folgewirkungen zu rechnen ist, sowie der subjektiven Verarbeitung und Kompensationsfähigkeit der betroffenen Person abhängt (Vgl. Bleideck, 2001, S. 60). BLEIDECK meint damit, dass Behinderung als ein Zusammenwirken von verschiedenen Variablen begriffen werden muss, da die Schädigung im jeweiligen Lebenszusammenhang (familiär, schulisch, beruflich, öffentlich) unterschiedlich wirkt. Dem fügt CLOERKES noch hinzu, dass Behinderung nicht ausschließlich auf einen...

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