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E-Book

Der narzistische Führungsstil in der öffentlichen Verwaltung

AutorRoman Nies
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl50 Seiten
ISBN9783656895343
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Essay aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Psychologie - Allgemeine Psychologie, , Sprache: Deutsch, Abstract: Die Führungskultur, mithin die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, hat in Deutschland eine lange Tradition der Simplifizierung des Verhältnisses zwischen Befehlsgebern und Befehlsempfängern. Heinrich Mann konnte mit dem gesellschaftskritischen Roman 'Der Untertan' (1918) auf eine typische Gewachsenheit nicht hinterfragter, gleichwohl schädlicher Folgen geradezu herausfordernder Unterordnungsbeziehungen bei Deutschen hinweisen. Diese als Literatur verpackte Analyse erwies sich wenige Jahre später unter der Nazidiktatur als prophetisch korrekt. Es gibt Historiker, die den Untertanengeist für einen kennzeichnender Aspekt des deutschen Wesens halten. Bekannt ist auch, dass die Konstrukteure Nachkriegsdeutschlands meinten, teilweise auf Strukturen und personale Bestandteile der Nazizeit zurückgreifen zu müssen, damit der neu geründete Staat überhaupt funktionieren konnte. Der Hauptbestandteil, der übernommen wurde, war der Personalkörper. Die Entnazifizierung erfolgte, nicht überraschend, sehr zügig. Für einen deutschen Richter war es leicht sich auf das Legalitätsprinzip zu berufen, zuerst unter dem Naziregime, dann auch in der Bundesrepublik. Er machte ja nicht die Gesetze. Und so war es selbstverständlich, dass ein deutscher Richter, der noch in den letzten Kriegstagen Todesurteile verhängte, weil das das 'geltende Recht' war, sich im Nachkriegsdeutschland zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes hocharbeiten konnte. Erst in jüngster Zeit scheint man - auch in der öffentlichen Verwaltung - nicht nur erkannt zu haben, dass zu Führung mehr dazugehört als nur jemand, der oben ist und viele, die ihm günstigenfalls folgen, sondern auch verstanden zu haben, dass es Optimierungsmöglichkeiten der Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen gibt, die unweigerlich auch zu einer verbesserten Aufgabenwahrnehmung führen können. Möglichkeiten erkannt, bedeutet jedoch noch nicht die Gefahr einer Führungskultur in Schieflage gebannt. Es gibt in der Tat Anzeichen dafür, dass die öffentliche Verwaltung in nicht unerheblichem Maße von einem Führungstypus bedroht wird, der in der Fachliteratur als narzisstischer Führer bezeichnet wird. Bei narzistischer Führung handelt es sich um Führungskräfte, die stets auf ihr eigenes Fortkommen und auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind.

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Leseprobe

2. Der Narzisstische Führer


 

2.1. Merkmale des Narzissmus


 

Sigmund Freud (1931) definierte eine narzisstische Persönlichkeit als ein Individuum, dessen Hauptinteresse die Selbsterhaltung und Selbstachtung ist. Er dachte an den mythischen Held der Griechen Narcissus, der eine pathologische Obsession für sich selbst entwickelte, die ihm am Ende das Leben kostete.

 

Ein solcher Mensch braucht Selbstachtung durch Erfolg auf den Gebieten, die den gesellschaftlicher Status, die Beachtung durch andere und die eigenen Möglichkeiten der Machtausübung betreffen. Gerade wer die Macht hat, hat die besten Voraussetzungen, alles in seinem Sinne steuern und einrichten zu können. Das ist auch der Grund, warum man in Führungspositionen relativ häufig stark narzisstisch veranlagte Personen vorfindet. Demgegenüber steht oft eine schwach ausgebildete Selbstkontrolle und Indifferenz gegenüber den Bedürfnissen anderer. *2)

 

Narzisstische Tendenzen resultieren nach Meinung der Psychologen aus der Kindheit, in der das Kind von den Eltern zurückgewiesen oder emotional unterversorgt belassen wurde. Kinder, die von ihren Eltern nicht geliebt worden sind, neigen eher zu Narzissmus. Sie wollen sich so ihren Nachholbedarf stillen.

 

Kohut (1971) kommt zu dem Schluss, dass solche Individuen die Tendenz haben, zu glauben, dass sie sich nicht auf die Zuneigung oder Loyalität anderer verlassen können und um das auszugleichen und ihren Status zu verbessern, konzentrieren sie sich darauf Macht und Kontrolle über andere auszuüben. *3)

 

Es ist leicht einzusehen, dass Alexander, der in einem bereits intriganten Königshaus aufwuchs, günstige Startvoraussetzungen für die Entwicklung narzisstischer Tendenzen hatte. Als Führer haben diese narzisstischen Individuen dann den Wunsch, ihre Vorstellungen über die Machtausübung und ihren persönlichen Erfolg zu verwirklichen. Dabei entwickeln sie ein überzogenes Gefühl ihrer Wichtigkeit und wenig Interesse für die Befindlichkeiten anderer.

 

Das wirkt sich z.B. darin aus, dass solche Menschen nicht auf die privaten Verhältnisses ihrer Zuarbeiter eingehen und selber keine Familienmenschen sind. Nicht selten haben sie gar kein eigenes ausgeprägtes Privatleben. Sie haben sich „mit Leib und Seele“ oder doch zumindest mit ganzer Schaffenskraft der Firma, genauer gesagt, dem persönlichen Erfolg in der Firma verschrieben. In Wahrheit dient die Firma jedoch nur dazu, sich die Selbstbestätigung zu verschaffen, die in der Kindheitsentwicklung auf der Strecke geblieben ist. *4) Narzissmus ist so gesehen ein Zeichen nicht bewältigten Reifewachstums.

 

Solche inhärenten Eigenschaften sind dann auch das Antriebsmittel zur Ausbeutung und Manipulation anderer. Dadurch soll das Selbstwertgefühl bereichert werden. Es ist allerdings eine Bereicherung, die nie satt macht und da es auf Kosten anderer aufgebaut wird, kann es nichts Dauerhaftes oder Tragfähiges sein und fällt irgendwann einmal zusammen. Das war bei Alexander nicht anders als bei anderen NF wie beispielsweise Nero, Napoleon, Hitler, Stalin.

 

Der despotische Narzissmus erwartet persönliche Gunsterweise ohne zugleich das Recht anzuerkennen, dass man nun selber in der Bringschuld wäre. Narzissten neigen dazu Beziehungen und Motive zu vereinfachen, weil alles in ihr Wunschbild passen muss. Sie haben eine extrem polarisierte Sicht der Dinge. Ihr Wunsch und Wille ist das eine, alles was dagegen ist, ist das andere. Dementsprechend können die, die zustimmen, nur Freunde, und die, die sich dagegen stellen, nur Feinde sein, die es zu bekämpfen gilt, wobei man dabei auch ins Extrem geht. *5) Bei Alexander dem Großen ist das exemplarisch klar ersichtlich. Die bekannteste deutsche Variante hat sich in einem Bunker eine Kugel gegeben als letztes Bekenntnis des Scheiterns. Alexander kannte nur ergebene Freunde oder erbitterte Gegnerschaft. Auf die Befindlichkeit seiner Generäle und Soldaten nahm er keinerlei Rücksicht.

 

Wie Alexander, können auch unsere zeitgenössischen NF „chaotisch und  unvorhersehbar“ werden und letztendlich in ihrer Selbstzerstörung andere mitreißen.*6)

 

Alexander hatte die fachlichen Kenntnisse, die ein militärischer Führer benötigt, aber es mangelte ihm an menschlichen Qualitäten. Dieser Mangel wird charakterisiert durch das egoistische Streben nach Macht und Anerkennung. NF haben jedoch nicht immer eine fachliche Qualifikation, die ihrem Amt entsprechen würde. Dann wird es für sie umso schwieriger mit lauteren Mitteln an die Macht zu kommen und  zu bleiben. Sie brauchen immer das Volk, das ihnen folgt.

 

NF brauchen die Selbstbestätigung, insbesondere auch in einer gesteigerten Form, die als Kompensation für Defizite in sozialen Bereichen herhalten müssen. Bei Alexander war es das Kriegswesen, das ihm Selbstbestätigung verschaffte, während er im menschlichen Bereich unberechenbar und launisch blieb. NF sehen vielfach ihren Beruf als Ausgleich für sonstige soziale Defizite. Sie sind menschlich Zu-kurz-Gekommene.

 

Typisch für den nach Selbstbestätigung strebenden Narzisst Alexander ist der Versuch auch Indien zu erobern, wofür es keinerlei militärische Notwendigkeit gab. Auch Hitler schickte seine Armeen in den Osten zur Eroberung von Lebensraum für sein Ego. Erst als die Armee  Alexanders meuterte, ließ er von seinem Vorhaben ab. Das zeigt, nur wenn sich eine Mehrheit findet, die entschieden Front macht, ist dem Machtmissbrauch beizukommen. Hätten sich in der Zeit der Herrschaft der Nazis über Deutschland genügend Menschen gefunden, die gegen die Deportation der Juden auf die Straße gegangen wären, wäre es vielleicht nicht zum Holocaust gekommen.

 

Wegen der großen Verluste hatte Alexander längst schon die makedonischen und griechischen Soldaten nach und nach durch Perser ersetzt. Bei der Belegschaft einer Firma oder einer Verwaltung werden verschlissene Mitarbeiter dann einfach durch andere ersetzt. Kritisch wird es nur, wenn immer weniger übrig bleiben, die die Arbeit leisten sollen.

 

Alexander hat zunehmend den Persern den Vorrang über Griechen gegeben, was von Griechen und Makedoniern als Affront verstanden wurde, da die Perser seit Jahrhunderten die Erzfeinde der Griechen waren und eine völlig andere Kultur hatten. Griechenland hatte die Demokratie, wo es auf die Befindlichkeiten von Mehrheiten ankam, die Perser die Monarchie, wo es auf die Befindlichkeit Einzelner ankam. Kein Wunder, dass Alexander persische Gewohnheiten annahm. Denn die persische Großkönigtum und gottgleiche Verehrung entsprach seiner Selbstreflektion. Dass NF oft auf das Pferd „neue Besen kehren besser“ setzen, liegt daran, dass sie aufgrund ihrer nF sich die Gefolgschaft der „alten Besen“ schon verscherzt haben oder wiederum einmal die Gelegenheit wahrnehmen, zu zeigen, wer das Sagen hat.

 

Das ist ein typischer Zug des narzisstischen Führungswesens. Anstatt Dankbarkeit für Gefolgschaft zu erweisen, werden diejenigen, die einem die Gefolgschaft aufkündigen, abgestraft, indem man sie durch andere ersetzt, auch wenn die anderen, die man nun machen lässt, bisher sogar als Gegner einzustufen waren.

 

Was jahrelang geleistet wurde, ist vergessen, man setzt auf das neue Pferd, ohne zu wissen, ob es den Reiter nicht schon bald abwirft, nur weil das alte Pferd einmal – wohl auch zu Recht – gebockt hat.

 

Alexander reagierte auf den zunehmenden Widerstand der Untergebenen mit Strafversetzungen, Hinrichtungen und Marschbefehlen. Und teilweise auch durch unsinnige oder nicht erfüllbare Befehle.

 

Parallelen zur öffentliche Verwaltung könnte man in nicht erfüllbaren oder kontraproduktiven Zielvorgaben sehen, die aber mit nF direkt nichts zu tun haben müssen, wohl aber indirekt, wenn NF ihre Mitarbeiter darauf ansetzen, Ziele zu erfüllen, die alle als überzogen betrachten oder für sinnlos halten. Jeder macht mit, weil jeder „mitmarschieren“ muss, damit er nicht aus der Reihe fällt. *7)

 

Alexander hat im Verlauf seines Feldzugs die Bevölkerung ganzer Städte und Landstriche massakrieren lassen, wenn sie sich nicht freiwillig ergaben oder einen Aufstand probten. Seine persönliche Erfolgsgeschichte mit dem Preis eine Berühmtheit und als Mensch-Gott verehrt zu werden und Machthaber über sein Weltreich zu sein, hat Hunderttausenden das Leben gekostet. Einst friedliche, blühende Landstriche wurden verwüstet.

 

Das Urteil schon seiner Zeitgenossen viel überwiegend ungünstig für Alexander aus. Seine Lebensweise stand in einem zu deutlichen Kontrast zu den Idealen ethisch verantwortlichen Handelns. Hinzu kam grenzenloser Hochmut. Alexander hatte sich zu einem Halbgott erklären  lassen. Besonders vernichtend fiel das Urteil des Stoikers Seneca aus. Er bezeichnete Alexander als: „wahnsinnigen Burschen, zum Bersten aufgeblasenes Tier, Räuber und Plage der...

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