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Der neue Zusammenhalt

Warum wir keine Egoisten mehr sind

AutorMartin Messingschlager, Reiner App
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783864144646
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
NEUE BEZIEHUNGEN IN EINER NEUEN GESELLSCHAFT Unsere Gesellschaft wird beherrscht von Rüpeln, Egoisten und Ignoranten? Falsch! Nie war die Solidarität lebendiger als heute. Sie wird täglich tausendfach neu erfunden. In den kreativen Netzwerken und Bündnissen von Bürgern, denen der Gemeinsinn genauso am Herzen liegt wie die eigene Lebensqualität. Dieses Buch zeigt die ganze Vielfalt des neuen Zusammenhalts und widerlegt konsequent alle Mythen der Panikmacher und Untergangspropheten. Von wegen Ellenbogen-Denken! Selten standen die sozialen Werte höher im Kurs als heute. Engagierte Frauen und Männer entwickeln neue Ideen für das Zusammenleben von Jung und Alt, von Migranten und Alteingesessenen, von Wohlhabenden und sozial Schwachen. Gemeinsam machen sie aus Problem-Stadtteilen hippe Großstadtquartiere, bringen sie frisches Leben auf das abgeschiedene Land, revolutionieren sie die Energieversorgung und verbinden sie Unternehmen, Politik und Gesellschaft in nie gekannter Weise.

Reiner App ist Geschäftsführer des PRAGMA Instituts, das Zukunftsstrategien für Institutionen, Organisationen und Unternehmen entwickelt. Der Strategieberater, Kommunikationsexperte und Meinungsforscher hält den Finger am Puls des gesellschaftlichen Wertewandels und hat zahlreiche Beiträge in der Tages- und Fachpresse publiziert. Dr. Martin Messingschlager ist wissenschaftlicher Leiter des PRAGMA Instituts, das Zukunftsstrategien für Institutionen, Organisationen und Unternehmen entwickelt. Der Meinungsforscher, Strategieberater und zertifizierte Hochschuldozent hat innovative Methoden der Milieu- und Kommunikationsforschung entwickelt und eine Vielzahl von Fachbeiträgen verfasst.

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Leseprobe

1. Warum Werte uns in Bewegung setzen


Werte – das klang in den neunziger Jahren nach finanziellem Ertrag statt nach Moral. Doch spätestens die weltweite Finanz- und die Eurokrise haben uns gelehrt, wie zerbrechlich der Erfolg qua Gewinnmaximierung ist. Noch lastet der Skandal um hinterzogene Steuern in Liechtenstein, Schweiz und Co. wie eine böse Erinnerung an die vergangenen Zeiten auf uns. Doch dass einige Reiche die gesellschaftliche Solidarität verlassen hatten, sollte uns nicht zu Fehlschlüssen verleiten. Unsere Gesellschaft wird nicht egoistischer und materialistischer. Ganz im Gegenteil: Für immer mehr Menschen, aber auch Unternehmen und Organisationen wird deutlich, dass die authentische Orientierung an einer gemeinsamen Ethik sich am Ende für uns alle auszahlt. Denn Werte sind Energielieferanten ersten Ranges.

April 2013: Ein Denkmal des deutschen Fußballs stürzt krachend in sich zusammen. Dabei scheint Uli Hoeneß doch gerade auf dem Höhepunkt seines Ruhmes anzukommen. Er, der scheinbar allmächtige Präsident des FC Bayern, steht kurz davor, seinen Club zum Triple zu führen, zum Triumph in der nationalen Meisterschaft, im DFB-Pokal und in der Champions League. Doch seit Monaten bereits plagen den Erfolgsfußballmanager und Wurstfabrikanten ganz andere Sorgen: Ein ganzes Jahrzehnt lang hat er an der Börse spekuliert und dafür ein heimliches Konto bei der Vontobel Bank in Zürich unterhalten. Der deutsche Fiskus erfuhr nichts von den Geschäften. Doch die Illegalität der Finanzgeschäfte lastete offenbar auf Hoeneß’ Gewissen. Im Dezember 2012 will er das geplante deutsch-schweizerische Steuerabkommen nutzen, um reinen Tisch zu machen. Doch das Abkommen scheitert und so entschließt sich Hoeneß zur Selbstanzeige. Doch plötzlich drängt die Zeit, ein Journalist verfolgt eine heiße Spur zur Vontobel Bank. Und so wird die Meldung bei der Staatsanwaltschaft zur hektischen Nacht-und-Nebel-Aktion. Wochen später wird der Vorgang publik. Das Presse-Echo ist desaströs: »Fall aus maximaler Höhe«, titelt Spiegel Online. Hoeneß sei einst erfolgreich gewesen, ohne die kleinen Leute aus den Augen zu verlieren. Er habe Missstände in Sport und Politik angeprangert und persönlich viel Gutes getan. Manchmal habe man gar den Eindruck gehabt, »der gute Mensch vom Tegernsee« habe nicht als Bayern-Präsident, sondern als deutscher Bundespräsident amtiert. »Hoeneß hat sich selbst die Fallhöhe geschaffen, aus der er stürzen würde. Es gibt keine größere im deutschen Fußball.«8

Zählen für die Vorbilder nur noch materielle Werte?


Der Skandal ließ die Republik erbeben. Viele Bürger stellten sich die beängstigende Frage:

Gibt es noch echte Vorbilder in diesem Land? Haben unsere Wohlhabenden und Autoritäten ganz und gar aus dem Auge verloren, wer sie groß gemacht hat? Zählen in unserer Gesellschaft keine moralischen, sondern nur noch materielle Werte? Im Bundestag beantragten die Grünen eine Aktuelle Stunde. Es kam zu einem in aller Härte geführten Schlagabtausch. Die Opposition warf der Regierung »geistige Beihilfe zur Steuerhinterziehung« vor, umgekehrt wurde von einer »schäbigen, dreisten und unverschämten Schmutzkampagne« gesprochen. Eine Tonart, die nicht dazu angetan war, das erschütterte Vertrauen in Führungsfiguren zurückzubringen. Hintergrund der hitzigen Debatte war eine nie gekannte Flut von Selbstanzeigen. Wie Die Zeit berichtete, beichteten allein im ersten Halbjahr 2013 mehr als 14 000 Steuerhinterzieher ihre Vergehen.9 Erstmals hatte ein Informant den deutschen Steuerbehörden im Jahr 2006 CDs mit den Namen und Kontodaten mutmaßlicher Steuerbetrüger angeboten. 2008 war es zu einem ersten Aufschrei gekommen, als das Anwesen eines prominenten Steuersünders durchsucht wurde. Es war das Anwesen von Post-Chef Klaus Zumwinkel. TV-Sender hatten davon erfahren und ihre Kameras direkt vor dem Gartenzaun Zumwinkels postiert. Der Ethik-Verband der deutschen Wirtschaft sah einen erheblichen Imageschaden für das deutsche Management, zahlreiche Ethik-Experten und Politiker sprachen von »hemmungsloser Gier«, von »Führungsversagen« und der »Selbstdemontage der Vorbilder«. Zumwinkel trat von seinen Führungspositionen zurück und wurde im Folgejahr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Dann folgten Ankäufe von Datensätzen aus dem Bestand von Bankhäusern aus Luxemburg und der Schweiz. Razzien bei Tausenden Besitzern von Schwarzgeldkonten folgten. Doch erst mit dem Hoeneß-Skandal erreichte die Affäre ihren Höhepunkt. Der Elite schlug geballtes Misstrauen entgegen.

»Wer Steuern hinterzieht, verhält sich verantwortungslos oder gar asozial«, warnte Bundespräsident Joachim Gauck.10 Doch nicht nur viele Wohlhabende, sondern weite Teile der Bevölkerung schienen infiziert. Eine Umfrage von Forsa im Auftrag der Essener Minijob-Zentrale ergab zum Beispiel, dass fast jeder fünfte Bürger schon einmal Schwarzarbeit genutzt hatte. Fast 40 Prozent der Befragten sagten, dass sie niemanden verurteilten, der durch kleine Tricks zum Beispiel bei der Steuererklärung Geld sparen wolle. Die Deutschen – ein Volk der Steuerbetrüger und Wirtschaftskriminellen? Vielleicht sogar noch schlimmer: In derselben Umfrage prangerten 99 Prozent Steuerhinterziehung bei Reichen an. Zahlreiche Medien interpretierten die Zahlen als klares Indiz für eine weit verbreitete Doppelmoral.11

Überwältigendes Vertrauen in den Mittelstand


Doch Vorsicht – in Wirklichkeit ist es mit den ethischen Grundsätzen in Sachen Steuern keineswegs so schlecht bestellt, wie der Tenor der Berichterstattung vermuten lässt. Wenn jemand in seiner Steuererklärung die Entfernung zum Arbeitsplatz zu seinen Gunsten um ein, zwei Kilometer verlängert, dann ist diese Unkorrektheit wohl kaum im selben Zusammenhang wie Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu sehen. Wobei hinzukommt, dass der Fiskus nicht wenige Aufwendungen als nicht abzugsberechtigt anerkennt, die für berufliche Zwecke unternommen wurden. Hier geht es nicht um die Verletzung von Steuermoral durch den Steuerbürger, sondern um die Verletzung des Gerechtigkeitsempfindens der Bürger durch den Staat. Und in bestimmten anderen Fällen leiden die Bürger durchaus darunter, sich in steuerlicher Hinsicht unethisch zu verhalten – doch sie fühlen sich dadurch aus anderen, zum Teil auch ethischen Beweggründen gezwungen. So entscheiden sich nicht wenige Familien dafür, Schwarzarbeit für die Pflege ihrer älteren Familienangehörigen zu nutzen. Die Caritas hat dieses Dilemma zu Recht beklagt und vereinfachte steuerliche Lösungsmöglichkeiten von der Politik gefordert.12

Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist zudem ganz und gar nicht der Ansicht, dass sich die Wohlhabenden pauschal vom Gemeinsinn verabschiedet haben. Vor allem das Vertrauen in den Mittelstand ist stark ausgeprägt. Im Roland-Rechtsreport 2010 des Allensbacher Instituts für Demoskopie erklärten 71 Prozent der Bürger, dass sie Vertrauen in mittlere und kleinere Unternehmen haben.13 Mehr Vertrauen bringen die Deutschen nur der Polizei (74 Prozent) entgegen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Während der Finanzkrise kam es in zahlreichen Ländern ab 2013 zum massenhaften Abbau von Arbeitsplätzen, insgesamt gingen laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD 13 Millionen Arbeitsplätze verloren.14 Nicht so in der Bundesrepu­blik. Hier setzten die Unternehmen darauf, ihre Stammbelegschaften trotz drastischer Auftragseinbrüche zu halten – das Kurzarbeitergeld half ihnen freilich dabei. Diese Investition zahlte sich nicht nur beim späteren Aufschwung aus, sondern vor allem beim Vertrauensaufbau in der Gesellschaft: Während das Vertrauen in die Banken dahinschmolz wie Eis in der Frühjahrssonne und seither jeder Zweite seinem Finanzberater Misstrauen entgegenbringt, erreichte die gesellschaftliche Stellung der mittelständischen Wirtschaft hervorragende Werte. Die Bürger empfanden es als ein Zeichen der Solidarität, dass die Firmen ihren Arbeitnehmern die Treue hielten.

Das neoliberale Gespenst der neunziger Jahre


Wie passte aber der Steuerskandal in eine Atmosphäre, in der Unternehmen und Angestellte gemeinsam gegen die Folgen einer globalen Krise kämpften? Die Antwort ist einfach: Weite Teile der Finanzwelt waren aus der Zeit gefallen – in ihr regierte im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft noch immer der hemmungslose neoliberale Geist der neunziger Jahre. Damals hatte der Steuerwettbewerb zwischen den Staaten so richtig Fahrt aufgenommen. Zahlreiche Firmen hatten Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert. In den Bankhäusern übernahmen die Investmentbanker das Ruder und entkoppelten die Geldgeschäfte von der Realwirtschaft. Und viele Bundesbürger – wie zum Beispiel Uli Hoeneß – hatten sich entschieden, sich mit Aktienspekulationen an diesem Spiel zu beteiligen und den deutschen Fiskus davon nicht profitieren zu lassen. Das Dumme war nur: Wer erst einmal in der Illegalität gelandet war, für den war die Abwicklung seiner Konten nicht ganz einfach. Als in der Gesellschaft die Rückbesinnung auf ethische Werte längst stattgefunden hatte, setzte schließlich mit erheblicher Verzögerung die Rückwanderung materieller Werte ein. Der Steuerfluchtskandal sagt also nichts über die Steuer- und Wirtschaftsmoral unserer Tage aus. Er lässt die Profitgier einer vergangenen Ära wie ein Gespenst unter uns erscheinen.

Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, zeigt sich in der langen Reihe der so genannten Shitstorms, die auf Online- und anderen Medienkanälen über Unternehmen hereinbrechen:...

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