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Der Ruhestand kommt später

Wie Manager das Beste aus den silbernen Jahren machen

AutorHenning von Vieregge
VerlagFrankfurter Allgemeine Zeitung GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783899815276
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Kein Stillstand im Ruhestand Viele Berufstätige träumen vom Ruhestand: Endlich Zeit für sich haben, verreisen, wandern, entspannen, mit den Enkeln spielen, den Tag genießen. Doch dieser Traum kann schnell platzen. Gerade Führungskräfte fallen nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben oft in ein tiefes Loch und wissen nichts mit der neu gewonnenen freien Zeit anzufangen. Sie sind orientierungslos und haben Statusangst. Eine neue Lebensphase zwischen Abschied aus der letzten Festanstellung und eigentlichem Ruhestand beginnt. Es können silberne Jahre, wenn man die Chancen nutzt. Wer in Rente geht, sollte sich nicht zur Ruhe setzen, jedenfalls nicht sofort und nicht vollständig, meint Autor Henning von Vieregge. Durch Arbeit, bezahlt oder unbezahlt, bleibt man mitten im Leben. Von Vieregge geht der Frage nach, wie 'Altgediente' als Berater oder Mentoren Kompetenzen, Erfahrungen und Wissen an andere weitergeben können. Dabei stellt er auch unterschiedliche Lebensmodelle vor. Ob als Mentor, Berater oder Selbständiger - die Möglichkeiten nach dem Erwerbsleben etwas Sinnvolles zu tun, sind vielfältig.

Henning von Vieregge, Dr., Sozialwissenschaftler, war bis 2008 Geschäftsführer eines großen Verbands. Demografischer Wandel und die Zukunft der Zivilgesellschaft sind jetzt seine Forschungsthemen. Er ist freiberuflich als Berater, Referent und Coach aktiv.

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Kapitel 2: Wie wir wurden

Die Menschen, die ich interviewt habe, sind Angehörige der gleichen Generation. Was verbindet uns? Wer sich daran macht, eine Generation auf einen Begriff zu bringen, vollführt einen Hochseilakt. Fällt die Generationsbeschreibung nämlich zu spezifisch aus, wird der Anspruch, eine ganze Generation unter ein Begriffsdach zu bringen, verfehlt. Wenn ich beispielsweise die Überschrift „68er“ wähle und darunter studentenpolitische Aktivisten jener Zeit, womöglich nur der linken Provenienz, subsumiere, charakterisiere ich Wichtiges, aber bin mit diesem Verständnis zu eng. Ist die Generationsfüllung aber zu allgemein, sind also keine gegenüber früheren oder späteren Generationen unterscheidbaren Merkmale gefunden, hätte man sich die Definitionsmühe auch gut sparen können. Dazwischen liegt die Lösung.

Entschieden werden muss dreierlei: der Begriff, die Zeitspanne und der Zeitraum der Geltung. Herkömmlich geht es um eine Zeitspanne von 25 Jahren. Alle 25 Jahre, so war es über eine lange Zeit die Erfahrung, wird die nächste Generation geboren. Freilich werden Eltern in unseren Breiten aktuell nicht nur rarer, sondern auch älter. Da böte sich ein weiterer Generationsabstand an. Andererseits: Wenn so viel passiert wie im 20. Jahrhundert mit zwei Weltkriegen im Abstand von 21 Jahren, erscheinen einem 25 Jahre pro Generation sehr weit gespannt. In dieser Spanne lagen drei von vier Reichen: Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich, Bonner Republik. Und wo anfangen, wo aufhören beim Zäsuren setzen? Es geht nicht ohne Willkür.

Man hat, wenn man die jetzt und in nächster Zeit aus dem sogenannten aktiven Berufsleben Ausscheidenden betrachten will, vor allem die Auswahl zwischen den Bezeichnungen „68er-Generation“ oder „Baby- boomer“. Praktischerweise kommt man unter beiden Blickwinkeln, dem politischen und dem demographischen, zu ziemlich ähnlichen Setzungen, nämlich der Alterskohorte zwischen 50 und 70. Oder man muss addieren. Aus US-amerikanischem Blickwinkel beginnen nämlich die Babyboomer-Jahrgänge unmittelbar in der Nachkriegsgeneration, aus deutschem erst zehn Jahre später. Der Wendepunkt – markiert als Pillenknick – ist in beiden Fällen Mitte der 60er Jahre.

Ich möchte mich aus richten an der Forschungsgruppe 50+ um den Osnabrücker Soziologen Dieter Otten, die 2008 als oberen Geburtsjahrgang das Jahr 1938, als unteren das Jahr 1958 definiert hat: 1938 „dürfte der erste Wertewandeljahrgang der Nachkriegsepoche gewesen sein“, behauptet Otten8. Otten nennt Götz George mit seinem Schimanski „Archetyp dieser Generation“, John Lennon, Jahrgang 1940, platziert er ihm zur Seite. Die Spitzenleute der 68er sind zumeist etwas jünger. Daniel Cohn-Bendit ist Jahrgang 1945, KD Wolff ist Jahrgang 1943, Joschka Fischer Jahrgang 1948. Als unterer Jahrgang wurde der Jahrgang 1958 genommen, weil das 50. Lebensjahr eine „bisher relevante Zäsur, ein gefühlter Alters-Limes“ sei.9 Man hätte, räumt der Forscher ein, aber auch den Jahrgang 1963 nehmen können mit Blick auf den Pillenknick, der danach einsetzte. Von da an bis zum Jahr 1975 sanken die jährlichen Geburten um 42 Prozent (von 1,323 Millionen auf 767.000). Der eigentliche Babyboomer-Spitzenjahrgang ist freilich der Jahrgang 1964. Nimmt man ihn als untere Markierung, sind 2012 die jüngsten der Babyboomer-Jahrgänge 48 Jahre alt.

Ich habe mich entschieden, diese 25 Jahre Spannbreite, also zwischen den Jahrgängen 1938 und 1963/64, als Zuschreibungszeitraum für die Generation der Babyboomer und/oder 68er zu nehmen, auch wenn dabei die 68er in ihren jüngeren Jahrgängen sich selbst als Nach-68er bezeichnen würden und die Babyboomer, wie angemerkt, hierzulande eigentlich erst später einsetzten. Babyboomer Martin Rupps, Jahrgang 1964, schreibt schon auf dem Umschlag seines Buches: „Wir wurden zwischen 1959 und 1964 geboren. Wir sind 7,8 Millionen. Wir waren immer zu viele.“10 Das Lebensgefühl der Babyboomer lasse sich mit dem Spiel „Die Reise nach Jerusalem“ beschreiben. Ich denke, der Begriff „Generation“ wurde hier in Ermangelung eines ähnlich attraktiven Begriffs für kürzere Zeitläufe genommen. Vieles, was der Autor als „Babyboomer-Sozialisation“ beschreibt, trifft auch auf die wenig älteren 68er zu. Ich fasse also beide zusammen.

Von dieser Setzung her lassen sich die Generationen darüber und darunter bestimmen und benennen.

2.1Die Generationen darunter und darüber

Die nächstjüngere Generation sind die zwischen 1964 und 1989 Geborenen, die Nach-Babyboomer-Generation oder Nach-68er. Wie soll man sie bezeichnen? „Generation Golf‘ nach dem Roman von Florian Illies ist eine vielbenutzte Zuschreibung, aber doch eine sehr deutsche, zudem etwas mäkelige Bezeichnung, behauptet sie doch, jene Generation sei überwiegend materiell und unpolitisch ausgerichtet. Überdies greift sie nach meiner Setzung zu kurz; es geht Illies um die 1964 bis 1974 Geborenen.

Ich finde den Begriff „First Global Generation“ treffender. Die Globalisierung ist ein Faktum geworden, das generationsweit (mindestens bezogen auf die akademische Führungsschicht) in die Biographien einwirkt, stärker als bei allen vorherigen Generationen.

Die „1990ff-Generation“ lässt sich aus heutiger Sicht dreifach charakterisieren: „Digital Natives“, „One World Generation“ (Ende der Ost-West- Teilung bei Fortbestehen oder Verschärfung des Nord-Süd-Konflikts mit all seinen Abstufungen) und vielleicht auch nach dem 11. September 2001 als „Cultural Clash Generation“. Alle drei Begriffe weisen darauf hin, dass in diesen Jahren tiefgreifende Umbrüche stattfanden. Ich bevorzuge den Begriff „Digital Natives“.11

Die Generation meiner Eltern, also die Jahrgänge 1912 bis 1937, nannte der Soziologe Helmut Schelsky 1957 „die skeptische Generation“. Andere (Martin Walser zum Beispiel) sprechen mit Blick auf die späten 1920er Jahrgänge von der „Flakhelfer-Generation“. Folgt man der Chronologie, ist bezogen auf die Frauen von der „Trümmerfrauen-Generation“ die Rede, dann mit Blick auf die Nachkriegszeit von der „Aufbau-Generation“. Die nationalsozialistische Herrschaft hat diese Generation durch Tod, Verwundung, Vertreibung, Mitschuld und enttäuschten Idealismus genarbt. Harald Martenstein beschreibt in seinem Roman „Heimweg“ das Lebensgefühl der Großeltern des Erzählers so12:

„Für sie gab es eigentlich nur die Zeit vor dem Krieg, eine kurze Zeit, in der sie sehr jung waren, es gab den Krieg, und es gab die endlos lange Zeit danach, diese Zeit, die den weitaus größten Teil ihres Lebens ausmachte und die ihnen doch in manchen Momenten beinahe bedeutungslos vorkam, weil ihr Leben immer im Schatten der beiden früheren, kürzeren Episoden lag.“

Katja Thimm spricht von der „Generation der Kriegskinder“ zwischen 1929 und 1945, die früh gelernt hätten zu schweigen: „Achtzig Prozent der Kinder jenes Krieges haben nie von jener Zeit erzählt“, berichtet sie in dem bewegenden Spiegel-Essay „Vaters Zeit“ am Beispiel ihres demenzkranken Vaters13.

Die Generation davor, also die 1886 bis 1911 Geborenen, ist zwar heute fast zur Gänze verstorben. Aber die mehrfache Verlusterfahrung der Generation meiner Großeltern (zwei Weltkriege, Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, BRD und DDR, Inflation, Weltwirtschaftskrise) ist an uns vererbt. Es ist die Generation, die vier Herrschaftsformen durchlebte, die Vier-Reiche-Generation.

So viel zu den langen Linien: vier Reiche, Trümmer und Aufbau, Baby-boomer, „First Global“/„Digital Natives“. Man entkommt den langen Linien nicht.

2.2Die glücklich Spätgeborenen

Was kennzeichnet die Babyboomer oder die 68er? Ich will die Antwort in Bruchstücken und Episoden in durchaus subjektiver Weise skizzieren. Es ist die Charakterisierung einer ungemein erfolgreichen und glücklichen Generation, die am Ende ihres Berufsweges auf überraschende Weise erschüttert wird.

Einer meiner Gesprächspartner meinte, diese Generation sei nach langer Zeit die erste deutsche, die sich nicht schuldig gemacht hat. Machen konnte, um es mit Helmut Kohl zu sagen. Er sprach, aus historisch-politischem Blickwinkel, von der „Gnade der späten Geburt“.

Eine weitere Kennzeichnung ist der Aufstieg. Die Babyboomer konnten aufsteigen wie kaum eine Generation vor ihnen. Es war wieder Gründerzeit, wie hundert Jahre zuvor. Nur wurde dieses Mal fast jede und jeder auf dem Weg nach oben mitgenommen. Arbeitsplatz Sicherheit war den 68ern in die Wiege gelegt, das Wirtschafts- und damit das Wohlstandswachstum schien ein ewiges Faktum zu sein.

Wertewandel, Ottens Stichwort, konnte sich diese Generation leisten, Aufsässigkeit war nicht karrierehinderlich, wie Götz Georges Duisburger Kommissar Horst Schimanski unwiderstehlich unter Beweis stellt. Er wurde kein Krimineller, sondern ein Kriminaler. Sein Lebenslauf hielt beide Möglichkeiten offen, aber wohlmeinende Menschen brachten ihn auf die rechte Bahn. „Zwar wird Schimanskis Gerechtigkeitssinn kanalisiert, doch die scheinbar unveränderlichen Macht- und Herrschaftsstrukturen unserer gesellschaftlichen Institutionen akzeptiert der Held deshalb noch lange nicht“, heißt es im Wikipedia-Eintrag....

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