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E-Book

Der Schattensammler

Die allerletzte Autobiografie

AutorCarl Djerassi
VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783709976807
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
DIE GROSSE AUTOBIOGRAFIE DER 'MUTTER DER PILLE' CARL DJERASSI Carl Djerassis Autobiografie gibt einen tiefen Einblick in sein ereignisreiches Leben: Geboren und aufgewachsen in Wien, musste seine Familie, als er 15 war, aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zunächst nach Bulgarien und später in die USA flüchten. Als einer der größten Chemiker sowie bedeutendsten Kunstsammler und -mäzene hat Djerassi unsere Gesellschaft nachhaltig und grundlegend beeinflusst. Mit der Entwicklung der Pille hat er die Lebensentwürfe ganzer Generationen verändert, seine Ergebnisse zur Synthese von Cortison waren entscheidend für die weitere Forschung. Schonungslos offen lässt Carl Djerassi sein Leben Revue passieren. Faszinierend und sehr persönlich erzählt er von den wichtigsten Stationen seines beruflichen Werdegangs, seiner Leidenschaft für Kunst und Literatur sowie den prägenden Erfahrungen seines Lebens. Carl Djerassi - Miterfinder der Pille - einer der 30 wichtigsten Menschen des Milleniums (London Sunday Times) - vielfach ausgezeichnet und mit aktuell 30 Ehrendoktoraten gewürdigt - prägte das Genre Science-in-fiction **************************************************************************************************************** 'Bilanz eines Mannes, der so schonungslos wie augenzwinkernd sein langes Leben im Detail reflektiert.' Wiener Zeitung, Eva Stanzl '..Spannende Einblicke in ein bewegtes Leben eines Wissenschafters, Universitätsprofessors, Kunstliebhabers und -sammlers, Schriftstellers, dessen Erfolge, aber auch dessen persönliche Katastrophen.' ORF.at 'Kurzweilig, genial und eindrucksvoll: Die Lebensgeschichte einer namhaften Persönlichkeit aus Wissenschaft und Kultur.' Leserstimme ****************************************************************************************************************

Carl Djerassi, geboren 1923 in Wien, lebte bis zu seinem Tod im Januar 2015 in San Francisco, London und Wien. Aufgewachsen z.T. in Bulgarien, der Heimat seines Vaters, 1938 nach Amerika geflohen, wo er studiert hat und sich als Naturwissenschaftler, später auch als Mäzen und Kunstsammler, einen Namen machte. Für sein berufliches Wirken wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und mit 32 Ehrendoktoraten gewürdigt. Carl Djerassi war u.a. Träger des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland sowie des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst. 2005 erschien eine österreichische Briefmarke mit seinem Porträt. Zahlreiche wissenschaftliche Publikationen, mehrere populäre Bücher zum Thema, autobiographische Veröffentlichungen, Romane und Theaterstücke. Bei Haymon: 'This Man?s Pill'. 'Sex, die Kunst und Unsterblichkeit' (2001), 'Stammesgeheimnisse' (mit den beiden Romanen 'Cantors Dilemma' und 'Das Bourbaki Gambit', 2002), 'Kalkül / Unbefleckt'. Zwei Theaterstücke aus der Welt der Wissenschaft (2003), 'EGO'. Roman und Theaterstück (2004), 'Aufgedeckte Geheimnisse'. Zwei Romane aus der Welt der Wissenschaft: 'Menachems Same' und 'NO' (2005), 'Phallstricke. Tabus'. Zwei Theaterstücke aus den Welten der Naturwissenschaft und der Kunst (2006), 'Vier Juden auf dem Parnass'. Ein Gespräch (mit Fotokunst von Gabriele Seethaler, 2008), 'Vorspiel'. Theaterstück (2011), 'Tagebuch des Grolls. A Diary of Pique 1983-1984' (übersetzt von Sabine Hübner, 2012), 'Chemie im Theater. Killerblumen'. Ein Lesedrama (2012), 'Der Schattensammler'. Die allerletzte Autobiografie. Carl Djerassis Bücher wurden aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner übersetzt.

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Leseprobe

Caveat Lector


„Der Leser möge sich hüten.“ Das ist ein riskanter und unkluger Auftakt, egal zu welchem Buch, insbesondere aber zu einer Autobiografie. Obwohl ich mir des Risikos vollkommen bewusst bin, muss ich dennoch mit diesen Worten beginnen: weil es mir die Offenheit gebietet.

Ich habe bereits eine umfangreiche Autobiografie verfasst; sie trägt den klangvollen Titel The Pill, Pygmy Chimps, and Degas’ Horse (deutsch: Die Mutter der Pille). Sie wurde 1992 veröffentlicht, als ich 69 Jahre war, also in einem Alter, das für Autobiografen als „angemessen“ betrachtet werden kann. Eine eingehendere Prüfung, der in dem gnadenlos zudringlichen Zeitalter von Google nichts verborgen bliebe, würde jedoch nicht weniger als drei Autobiografien zählen. Wenn das zutrifft, muss ich darauf gefasst sein, der Megalomanie bezichtigt zu werden, wenn ich anlässlich meines 90. Geburtstags eine vierte vorlege – also erneut durch die immer staubiger werdende Brille der Erinnerung zurückblicke. Oder zeigen sich bei mir nur die ersten Symptome der Vergesslichkeit, und zwar darin, dass ich mich nicht mehr erinnern kann, was ich damals geschrieben habe, als ich mich Ende der 1980er Jahre vom Chemiker zum Schriftsteller wandelte? Darum möchte ich damit beginnen zu beschreiben, welcher besonderen Art diese „Autobiografien“ waren, und dann skizzieren, warum ich diesem autobiografischen Mount Everest noch eine weitere Schaufel Lebensgeschichte hinzufügen will.

Ende 1987 wurde ich um einen Beitrag zu einer Reihe naturwissenschaftlicher Autobiografien gebeten. Die von Jeff Seeman herausgegebene Sammlung sollte die Lebensgeschichten von 22 bedeutenden organischen Chemikern aus 13 Ländern enthalten. Nach kurzem Zögern willigte ich ein; der Band wurde 1990 von der American Chemical Society unter dem Titel Steroids Made It Possible1 veröffentlicht. Obwohl es sich eindeutig um eine Autobiografie handelte, behaupte ich, dass sie im gegenwärtigen Kontext fairerweise nicht mitgezählt werden sollte. Erklärter Zweck dieser Reihe, die den Titel Profiles, Pathways, and Dreams trug, war es, in den Worten des Herausgebers, „die Entwicklung der modernen organischen Chemie zu dokumentieren, indem einzelne Chemiker ihre jeweilige Rolle bei dieser Entwicklung darlegen“. Der Band, in dem es nur so von obskuren chemischen Symbolen wimmelte, wandte sich ausschließlich an Chemiker und war für das breite Publikum folglich so unverständlich wie hieroglyphische Höhlenzeichnungen, die die zweimal jährlich stattfindende Wanderbewegung des zottigen Mammuts darstellen.

Dieser erste Versuch, mein Leben als Naturwissenschaftler zu beschreiben, so trocken und fern des gefühlsbetonten Pulsschlags einer breiten Leserschaft er letztendlich auch war, versetzte mich jedoch geradewegs in eine „autobiografische Stimmung“. Tatsächlich wurde ich zu diesem Zeitpunkt meines Lebens mit Fragen zu meiner Vergangenheit geradezu bombardiert. Kurz zuvor hatte ich geheiratet, und meine Frau, Diane Middlebrook, war von der lebhaften Neugier gepackt, die jeder neuen Ehe innewohnt (vor allem dann, wenn es für beide Seiten die dritte ist). Als hoch angesehene Biografin und Professorin für englische Literatur an der Stanford University wollte sie natürlich etwas über die ersten fünfzig Lebensjahre ihres neuen Gatten erfahren; ich musste nicht lange überredet werden, um ihre Neugier zu befriedigen. Überzeugend war auch ihre Feststellung, dass ich eine außergewöhnliche Zeitspanne europäischer Geschichte miterlebt hatte, die es in hohem Maße verdiente, anhand persönlicher Lebensbilder dokumentiert zu werden. Demografisch betrachtet umspannt mein Leben eine in der Weltgeschichte einmalige Periode: Seit meiner Geburt im Jahre 1923 hat sich die Weltbevölkerung fast vervierfacht, ein Vorgang, der sich auf unserem gefährdeten Planeten Erde nie mehr wiederholen wird. Meine beruflichen Tätigkeiten, sei es meine Beteiligung an der ersten Synthese eines oralen Kontrazeptivums (der Pille) im Alter von 28 Jahren, sei es das Buch mit dem Titel Sex in an Age of Technological Reproduction2 (deutsch: Sex im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit), das ich mit 85 schrieb, waren auf die eine oder andere Weise von dieser monumentalen Tatsache geprägt. Meine andauernde Beschäftigung mit ihren schrecklichen Folgen wird zweifellos bis zu meinem Tod anhalten.

Statt den Wünschen meiner Frau nachzukommen und eine „richtige“ Autobiografie in chronologischer Abfolge zu schreiben, entschied ich mich, sie in eigenständigen Kapiteln zu verfassen, basierend auf unterschiedlichen Ereignissen meines Lebens, ob bedeutend wie die Synthese der Pille, amüsant wie meine Erlebnisse als in die USA eingewanderter Teenager, der im Mittleren Westen Vorträge in Kirchen hielt, oder tragisch wie der Freitod meiner Tochter. Die einzelnen Kapitel waren im Wesentlichen in sich abgeschlossen und konnten daher in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Das Buch, das daraus wurde, The Pill, Pygmy Chimps, and Degas’ Horse3, erwies sich als so lesenswert, dass es in sieben Sprachen übersetzt wurde. Bis auf die chinesische und die ungarische Fassung sind heute alle Ausgaben schon vergriffen.

Zehn Jahre später begab ich mich auf den schlüpfrigen Boden der Memoiren, bei denen es sich fast immer um verhinderte Autobiografien handelt. Meine Betrachtungen zum 50. Geburtstag der Pille4 enthielten so viele persönliche Gedanken und Kommentare, dass sie gerechterweise als autobiografisch gelten müssen.

Egal wie man zählt, die Frage, warum ich mich nun auf eine weitere Autobiografie einlasse, ist noch immer nicht beantwortet. Eigennützige Motive zu leugnen wäre müßig: Niemand würde einem mehrfachen Autobiografen glauben, und sollte er sie noch so vehement abstreiten. Lassen Sie mich daher den Spieß umdrehen: Falls man schon einmal eine Autobiografie veröffentlicht hat, dann lohnt es sich vielleicht, noch dazu im Abstand von zwei Jahrzehnten, sie wieder aufzugreifen und einige ihrer tieferen Bedeutungen neu zu interpretieren, wenn sich das Leben ihres Autors rapide seinem Ende nähert und damit die Erkenntnis einhergeht, welch große Rolle das Unbehagen darin gespielt hat. Das ist nicht gerade originell, wenn man bedenkt, was Flaubert einmal sagte: „Eine Autobiografie? Bevor man über ein schmerzliches Erlebnis schreibt, sollte man 20 Jahre warten.“ Was ich in diesem Buch zum Thema Unbehagen – ein schmerzliches Synonym für die besonders dunklen Schatten im Leben – zu sagen habe, wird voraussichtlich das letzte Wort dazu sein, nun, da ich auf die 90 zugehe. Außerdem ist in den vergangenen 20 Jahren sehr viel passiert – was in meinem Fall dazu geführt hat, dass ich in mehrfacher Hinsicht ein völlig neues Leben lebe: als Schriftsteller und Bühnenautor statt als Naturwissenschaftler. Es lohnt sich, die Gründe für diese Verwandlung zu schildern, als nützliches Beispiel, um zu beweisen, dass es nie zu spät ist, sich zu verändern und zu wachsen, aber auch als Warnung, weil es viele Dinge gibt, die ich heute nicht mehr tun würde, wenn ich noch einmal von vorne anfangen könnte.

Aber es gibt neben all dem auch andere Gründe, warum ich noch immer über mich selbst schreibe. Zum einen will ich möglichst schnörkellos von meiner Methode erzählen, mit Kummer und Schicksalsschlägen fertig zu werden, aus der möglicherweise etwas Nützliches zu lernen ist. Dazu gehört auch darzulegen, wie es mir gelingt, mit einem überwältigenden Gefühl der Einsamkeit weiterzuleben. Im Alter von 90 Jahren ist das eine unheilbare Krankheit, die ich jedoch zu tolerieren gelernt habe, nämlich dank einer Therapieform, die bei echten Psychoanalytikern vermutlich nicht anerkannt ist: mit Hilfe der Autopsychoanalyse. Die Art Romane und Theaterstücke, die ich in den letzten zwei Jahrzehnten geschrieben habe, haben mich etwas erreichen lassen, das bei einer herkömmlichen Autobiografie schlicht unmöglich ist: den eigenen psychischen Filter zu umgehen und somit Analytiker und Analysand gleichzeitig zu sein.

Ich sage dies, weil Autobiografien per definitionem Lücken aufweisen – ob aus Versehen oder mit Absicht –, sowohl aus Gründen der Diskretion als auch aus Scham, Verlegenheit oder auch nur als Folge eines schlechten Gedächtnisses. Außerdem weisen faktisch alle Autobiografien automythologische Züge auf, da sie den psychologischen Filter des Autors durchlaufen müssen, in dem die eigene Person bewusst oder unbewusst „gereinigt“ wird. Doch die Romane und Theaterstücke, die ich im Laufe der letzten 25 Jahre veröffentlicht habe, ermöglichten es mir, dem Naturwissenschaftler, dem es an Selbstreflexion mangelte, mich unter dem Deckmantel der freien Erfindung mit den unauslöschlichen Spuren zu beschäftigen, die die Kultur der naturwissenschaftlichen Zunft, der ich über ein halbes Jahrhundert lang angehörte, bei mir hinterlassen haben. Leser, die sich bei Google, Facebook oder auch Wikipedia über die Person Carl Djerassi informieren sollten, werden die wirklich entscheidenden Aspekte dort nicht...

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