Sie sind hier
E-Book

Der Schatz der Osteopathie

Berührung, Beziehung, Biomechanik

AutorPeter Levin
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783748160977
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Ein Grundlagenwerk der Osteopathie und manuellen Medizin. Aufregende Lektüre für alle, die Osteopathie und manuelle Therapie studieren und praktizieren wollen. Es legt die Grundlage für eine universitäre Entwicklung der Osteopathie zwischen Natur- und Humanwissenschaft.

Peter Levin, 1963 in Ulm geboren. Lebt und arbeitet in Hamburg. Studium der Soziologie und Religionswissenschaften in Freiburg, Berlin und London. Ausbildung zum Osteopathen, seit 1993 in eigener Praxis tätig. War Herausgeber der Deutschen Zeitschrift für Osteopathie und ist Dozent für Osteopathie.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2. Bezugspunkt der manuellen Medizin: Aktivität der Gewebe


Bevor wir uns in die Tiefen der biomechanischen Diskussion des Organgewebes begeben, wollen wir für einen Moment die Entstehung von funktionellen Kategorien im spielerischen Umgang mit Stoffen und Formen betrachten. Wenn es um Organe geht, haben wir es ja mit zwei Arten von Organen zu tun: jene, die wir als Hohlorgane bezeichnen und jene, die niemals hohl sind, sondern immer mit Blut gefüllt.

Um ein Verständnis der funktionellen Kategorien eines Hohlorgans zu bekommen, kann die Kinderabteilung eines Kaufhauses ein passender Studienort sein. Dort können wir beobachten, wie Kinder mit langen Röhren, die dort zum Spielen ausgelegt sind, umgehen. Daran erkennen wir alle wichtigen Kategorien der Biomechanik eines Hohlorgans. Die Kinder krabbeln in die Röhre und setzen sich außen drauf ohne jemals über die fundamentalen Kategorien von innen und außen nachgedacht zu haben. Dann dehnen sie die Röhre von innen aus, komprimieren sie von außen und etablieren so für uns sichtbar das, was die Biomechanik mit dem schönen Wort der Volumendynamik beschreibt. Sie rollen die Röhre durch den Raum und verformen sie in sich und formulieren dabei die funktionell richtige Unterscheidung zwischen räumlicher Bewegung und elastischer Formveränderung. Innerhalb von Minuten können wir an einem solchen völlig unorganischen Spielgerät die grundlegenden Aspekte der Biomechanik von Hohlorganen beobachten. Die Kinder können sich in den Röhren auch verstecken und Höhlen bilden. Dieses Abenteuer ist leider nicht mit den Aufgaben eines Organtherapeuten vereinbar.

2.1. Was können wir manuell wahrnehmen?

Auf die Frage, was wir wahrnehmen können, haben wir schon einige Antworten formuliert. Wir hatten betont, dass Organe ihren Gesundheits- und Gemütszustand durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen. Das können wir auch ohne Hände wahrnehmen, wenn es zum Beispiel um Atemgeräusche oder die Häufigkeit nächtlicher Gänge zur Toilette geht. Dann haben wir die Frage eingegrenzt auf die mechanischen Qualitäten der Organe, da wir diese mit unseren Händen leicht wahrnehmen können. Die Kinder im Spielbereich des Kaufhauses haben uns geholfen, die ersten und wichtigsten biomechanischen Qualitäten zu bestimmen. Diese biomechanischen Qualitäten sind: Elastizität und Volumen, Druck und Spannung, Schub und Zug, intrinsische und räumliche Bewegung, Form und Position, rhythmische Änderung und Stabilität.

Implizit haben wir eine zweite Bestimmung schon vorweggenommen, da wir von der Aktivität der Organe gesprochen haben. Aktivitätszustände wahrzunehmen und klinisch einzuordnen, wird sich als das zentrale Verbindungsglied zwischen manueller Therapie und der Welt der Physiologie und Pathophysiologie erweisen. Diese Verbindung werden wir immer wieder herstellen, um nicht zu sehr auf die manuelle Arbeit zu fokussieren. Die Rede von den Aktivitätszuständen hält uns nahe an den Wissenschaften und schlägt zugleich eine Brücke zur situationsgebundenen Palpation in der Therapie.

2.2 Ruhe- und Belastungsaktivität

Um im großen Strom des wissenschaftlichen Diskurses zu baden und mitgenommen zu werden, sprechen wir von den Aktivitätszuständen der Gewebe und Organe. Wir folgen der Physiologie bei der grundlegenden Einteilung dieser Zustände. Sie beschreibt jedes Organsystem in einem Wechsel von Ruhe- und Belastungsaktivität. Jedes gesunde Organ – ob Herz, Lunge, Gehirn oder Darm – zeigt seine Kraft in Ruhe und in verschiedenen Belastungssituationen. Belastungen sind normal, sie führen zu einer Hyperaktivität des Organs. Deswegen ist eine auf die Belastung angepasste Hyperaktivität ein Zeichen eines gesunden Gewebes und nicht behandlungsbedürftig.

Je nach Organsystem wird dieser physiologische Wechsel von Ruhe- und Belastungsaktivität unterschiedlich bezeichnet. Bei der Herz- und Lungenaktivität sprechen wir von Ruhe- und Belastungsrhythmen. Das Gehirn weist unterschiedliche elektrische Oszillationen in Ruheaktivität und in Hyperaktivität auf. Der Darm wird immer in den wissenschaftlichen Untersuchungen und in der Diagnostik in zwei Situationen beurteilt: im leeren Zustand mit Ruheaktivität („house keeping“) und in der physiologischen Hyperaktivität ausgelöst durch den stimulierenden Reiz des Essens.

Das osteopathische Verständnis der Gesundheitszustände und des Krankheitsverlaufs ist einen großen Schritt vorangekommen, seit es den biologischen Ausdruck von Organ- und Gewebeaktivität in den Fokus nimmt. In der klinischen Ausdifferenzierung von Aktivitätszuständen werden wir die für die Krankheitsentwicklung grundlegende Chronologie beachten. Der Wechsel von Ruheaktivität und physiologischer Hyperaktivität (Belastung) ist normal und gesund. Das normale und gesunde Pendeln der Aktivität ist dann gestört, wenn sich Hyperaktivität fixiert hat, also nicht mehr regulierbar ist. Dann hat die Aktivität ihren Rhythmus verloren. Ähnliches trifft zu, wenn normale Ruheaktivität nicht mehr gehalten werden kann und es zu einem Verlust der Basisaktivität kommt. Die Physiologie spricht von Hypoaktivität, Erschöpfung oder Insuffizienz. Die grundlegende Einsicht der Physiologie sollten wir immer im Blick behalten: Das normale Leben der Organe spielt sich im rhythmischen Wechsel zwischen Ruhe- und Belastungsaktivität ab. Diese Zustände gilt es in jedem Organ zu differenzieren und als wahrnehmbare Mechanik zu beschreiben.

2.3 Spürbare biomechanische Qualitäten

Wir können also jetzt schon eine erste Bestimmung vornehmen, worum es in der manuellen Behandlung von Organen geht. Organe drücken ihre Aktivität in vielfältiger Weise aus, in der manuellen Therapie beziehen wir uns auf die spürbaren, mechanischen Qualitäten. Diese Qualitäten sind: Elastizität, Volumen/Druck, Spannung, intrinsische und räumliche Bewegung, Form und Position, rhythmische Änderung und Stabilität. Uns interessieren aber nicht diese einzelnen biomechanischen Qualitäten für sich genommen, sondern nur, insoweit Aktivitätszustände eines Organes darin zum Ausdruck kommen. Mit der allgemeinen Physiologie unterscheiden wir den normalen und gesunden Wechsel von Ruhe- und Belastungsaktivität, von nichtregulierbarer und behandlungsbedürftiger Hyper- und Hypoaktivität.

2.4 Aktivität der Gewebe

Wie und mit welcher Kraft gelingt es nun einem Organ, diese mechanischen Qualitäten und Aktivitätszustände herzustellen und zu regulieren? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns mit den verschiedenen Geweben eines Organes befassen. Hier kommen wieder die Unterschiede zwischen den Organen zum Tragen. Diese Unterschiede zu kennen, erleichtert eine klinische Einschätzung sehr. Der Unterschied zwischen Hohlorganen und blutgefüllten Organen ist in der Schleimhaut zu finden.

Die Schleimhaut findet sich nur im Hohlorgan und hat besondere Eigenschaften:

  • Sie kann schwellen,
  • sich schnell erneuern,
  • Stoffe aufnehmen und abgeben und
  • mit dem lokalen Mikrobiom zusammenarbeiten.

Die Schleimhaut stellt – mechanisch und chemisch gesprochen – das Alleinstellungsmerkmal der Hohlorgane dar. Um also die Frage zu beantworten, wie es zu den mechanischen Aktivitätsqualitäten kommt, müssen wir uns mit den einzelnen Geweben und deren Fähigkeiten befassen. Im Darmrohr gibt es neben der Schleimhaut die verschiedenen Schichten der glatten Muskulatur. Nur mit diesen beiden Gewebsschichten können wir sowohl volumetrische Veränderungen, als auch rhythmische Bewegungs- und Spannungsänderungen erklären.

Wir finden im Darm aber auch verschiedene Bindegewebe, eine enorme Vielzahl an Nervengeflechten und ein ausgedehntes Netz an Gefäßen. In den Blutorganen fällt die Schleimhaut weg und es dominieren Muskeln und Bindegewebe. So gleicht die komplexe Gefäßarchitektur der Leber einem Schwamm und ist nicht mit dem Magen zu verwechseln. Auch die unterschiedlichen Substanzen und Flüssigkeiten, die die Organe von innen füllen und tragen, sind für die biomechanische Betrachtung wichtig. Das Essen im Magen, die Luft in der Lunge, der Urin in der Harnblase oder das Blut im Leberschwamm sind chemisch und mechanisch bedeutsam für den Gesamtausdruck des Organes. Die Interaktion von Inhalt und Wand ist sowohl für Hohlorgane als auch für blutgefüllte Organe das grundlegendste Paradigma der Biomechanik.

Aktivitätszustände der Organe in mechanischen Qualitäten

Wir nehmen Aktivitätszustände der Organe in mechanischen Qualitäten wahr: Damit haben wir die Antwort auf die Frage dieses Kapitels gegeben; die Aktivitätszustände entstehen durch die gemeinsame Aktivität der einzelnen Gewebe. Unser Bezugspunkt in der manuellen Medizin ist die Aktivität des Gewebes. So wird es im Weiteren wichtig sein, sich neben der Ausdifferenzierung der Aktivität die Aktivität der einzelnen Gewebe klarzumachen (siehe Kapitel...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Alternative Heilmethoden - Alternativmedizin

Yumeiho-Therapie

Format: PDF

Die von Saionji Masayuki entwickelte Druck- Knet-Therapie zielt darauf ab, den außerordentlich häufigen Beckenschiefstand festzustellen und zu behandeln. Der Beckenschiefstand beeinträchtigt die…

Die sanfte Magnetfeldtherapie

E-Book Die sanfte Magnetfeldtherapie
Natura sanat, die Natur heilt Format: PDF

In den letzten Jahren hat sich die Magnetfeldtherapie für Gesunde und Kranke bestens bewährt. Sie wirkt im Sinne einer Aktvierung, einer Normalisierung und Harmonisierung der Zellvorgä…

Die sanfte Magnetfeldtherapie

E-Book Die sanfte Magnetfeldtherapie
Natura sanat, die Natur heilt Format: PDF

In den letzten Jahren hat sich die Magnetfeldtherapie für Gesunde und Kranke bestens bewährt. Sie wirkt im Sinne einer Aktvierung, einer Normalisierung und Harmonisierung der Zellvorgä…

Rette Deine Brust

E-Book Rette Deine Brust
Brustkrebs auf natürliche Weise vorbeugen Format: PDF

Trotz verfeinerter diagnostischer und therapeutischer Methoden nehmen Sterbefälle durch Brustkrebs und andere weitverbreitete Formen von Krebs weiterhin zu. Althergebrachte Maßnahmen wie operative…

Rette Deine Brust

E-Book Rette Deine Brust
Brustkrebs auf natürliche Weise vorbeugen Format: PDF

Trotz verfeinerter diagnostischer und therapeutischer Methoden nehmen Sterbefälle durch Brustkrebs und andere weitverbreitete Formen von Krebs weiterhin zu. Althergebrachte Maßnahmen wie operative…

Weitere Zeitschriften

Ärzte Zeitung

Ärzte Zeitung

Zielgruppe:  Niedergelassene Allgemeinmediziner, Praktiker und Internisten. Charakteristik:  Die Ärzte Zeitung liefert 3 x pro Woche bundesweit an niedergelassene Mediziner ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

BMW Magazin

BMW Magazin

Unter dem Motto „DRIVEN" steht das BMW Magazin für Antrieb, Leidenschaft und Energie − und die Haltung, im Leben niemals stehen zu bleiben.Das Kundenmagazin der BMW AG inszeniert die neuesten ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

Deutsche Hockey Zeitung

Deutsche Hockey Zeitung

Informiert über das nationale und internationale Hockey. Die Deutsche Hockeyzeitung ist Ihr kompetenter Partner für Ihren Auftritt im Hockeymarkt. Sie ist die einzige bundesweite Hockeyzeitung ...

Deutsche Tennis Zeitung

Deutsche Tennis Zeitung

Die DTZ – Deutsche Tennis Zeitung bietet Informationen aus allen Bereichen der deutschen Tennisszene –sie präsentiert sportliche Highlights, analysiert Entwicklungen und erläutert ...

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS

IT-BUSINESS ist seit mehr als 25 Jahren die Fachzeitschrift für den IT-Markt Sie liefert 2-wöchentlich fundiert recherchierte Themen, praxisbezogene Fallstudien, aktuelle Hintergrundberichte aus ...