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E-Book

Der Sektor

Warum die globale Finanzwirtschaft uns zerstört

AutorMichael Hudson
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl670 Seiten
ISBN9783608105827
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Der Weltökonom Michael Hudson übt eine Fundamentalkritik am kapitalistischen Finanzsystem, die unser Denken verändern wird. Die Weltgeschichte beweist: Die Banken führen einen neuartigen Krieg gegen die Demokratie. Hudsons Prognosen erregen weltweit Aufmerksamkeit: als Erster und Einziger hat er den genauen Zeitpunkt vorausgesagt, an dem die fatale Immobilienblase platzen sollte. Eindringlich analysiert er, wie die internationale Finanzwelt die Errungenschaften der klassischen Ökonomie verspielt. An Beispielen aus der Geschichte zeigt er, was »Schulden« sind, und eröffnet neue Perspektiven auf dieses Menschheitsproblem. Schonungslos entlarvt Hudson die Vorstellung, die Verschuldung könne gemanagt werden, wenn man sie den Bürgern aufbürdet. Das Bankensystem muss wieder der Wirtschaft dienen und nicht umgekehrt. Doch nun betreibt die Finanzwelt eine neue Art der Kriegsführung gegen das Volk, die unsere Gesellschaften polarisiert. Hudsons historisch fundierte Analyse belegt: Weltweit werden Bürger revoltieren. Denn die Interessen von Gläubigern sind nicht die der Demokratie. Für den Autor ist die heutige Krise noch immer eine Frage des politischen Wollens und keine schicksalhafte Notwendigkeit. »Michael Hudsons brillant-scharf sinniges Buch über das Versagen des modernen Kapitalismus ist Pflichtlektüre.« David Graeber Die Wall Street besitzt heute eine Finanzmacht, mit der sie den Ausgang von Wahlen und die Besetzung von Schlüsselpositionen bei Finanzmarktregulierungs- und Strafverfolgungsbehörden maßgeblich beeinflusst.

<p>Michael Hudson, geboren 1939, lehrt Wirtschaftswissenschaften an der University of Missouri in Kansas City; daneben ist er Finanzanalyst und Berater an der Wall Street. Er gehört zu den Finanz- und Ökonomieexperten der Occupy-Bewegung und arbeitet eng mit David Graeber zusammen.</p>

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Leseprobe

Vorwort für die deutsche Ausgabe


Vor einhundert Jahren schien Deutschland Europa in die Zukunft zu führen. Obwohl Großbritannien das Heimatland der Industriellen Revolution war, spielten deutsche Großbanken eine führende Rolle bei der Finanzierung von Industrieunternehmen. Gemeinsam mit Behörden und der Schwerindustrie förderten sie langfristige Projekte, statt auf kurzfristige Erträge zu drängen. Britische Banken dagegen konzentrierten sich auf Handelsfinanzierung und Spekulation, hauptsächlich mit Staatsanleihen. Auch die britischen Aktienmärkte zeigten wenig Interesse, industrielle Investitionen zu finanzieren, da es dabei überwiegend um windige Eisenbahn- und Kanalbauprojekte ging, die anfällig für Betrug und Insidergeschäfte waren. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 riefen diese Unterschiede bei britischen Ökonomen die Sorge hervor, das deutsche Bankensystem könne dem Feind einen militärischen Vorteil verschaffen.

Fast alle Ökonomen glaubten, der Krieg werde nur ein paar Monate dauern. Aber sämtliche Seiten entdeckten schon bald das Grundprinzip der öffentlichen Finanzwirtschaft: Staaten können ihr eigenes Geld drucken, wie es die Vereinigten Staaten in ihrem Bürgerkrieg fünfzig Jahre zuvor getan hatten, und wie es Georg Friedrich Knapp in seiner Staatlichen Theorie des Geldes (1905) beschrieb.

Die Wende brachte allerdings weder das Bankwesen noch die Geldschöpfung, sondern der Kriegseintritt der USA im Jahr 1917. Nach dem militärischen Sieg über die Achsenmächte strebten die Vereinigten Staaten die finanzielle Vorherrschaft über ihre Alliierten an, indem sie die Bezahlung jener Rüstungsgüter verlangten, die diese vor dem Kriegseintritt der USA gekauft hatten.

In Versailles forderten die Alliierten von Deutschland, ihre Schulden gegenüber den Vereinigten Staaten zu übernehmen. Deutschland wurden im Versailler Vertrag Fremdwährungsschulden auferlegt, die seine Zahlungsfähigkeit weit überstiegen. Anders als die Kosten der inländischen Kriegsanstrengungen konnten Reparationsforderungen in Fremdwährungen nicht durch staatliches Gelddrucken beglichen werden. Auslandsschulden konnten nur mithilfe eines Exportüberschusses, durch den sich Pfund Sterling, französische Francs und andere Devisen erwirtschaften ließen, zurückgezahlt werden.

Deutschland wurde seiner wichtigsten Exportgüter beraubt, dennoch vertraten der französische Monetarist Jacques Rueff und andere gläubigerfreundliche Ökonomen die Auffassung, Staaten könnten Auslandsschulden in beliebiger Höhe dadurch zurückzahlen, dass sie ihre inländischen Arbeitskräfte und ihre Industrie besteuerten. Das Problem bestand jedoch darin, dass die deutschen Steuern in inländischen Mark, nicht in Devisen gezahlt wurden. Wie sollte Deutschland inländische Steuereinnahmen in die Fremdwährungen konvertieren, mit denen die Reparationsforderungen beglichen werden mussten? In dem verzweifelten Versuch, Devisen zu kaufen, um die Ansprüche der Alliierten zu erfüllen, warf die Reichsbank Mark auf Devisenmärkte. Dadurch brach der Wechselkurs der Mark zusammen, was die inländischen Kosten für Einfuhren und damit die Preise in die Höhe trieb.

Wir haben diese tragische Epoche der deutschen Geschichte jedoch in falscher Erinnerung behalten. Obwohl Deutschland zur Begleichung ausländischer Reparationsforderungen riesige Mengen an Mark druckte, kam es zu einer fiskalischen und finanziellen Deflation. Geld wurde nicht geschöpft, um inländische Ausgaben zu finanzieren und so die brutale Sparpolitik abzumildern, die zu schweren sozialen Verwerfungen führte.

Der Erste Weltkrieg und seine Nachwirkungen zeigen, wie kurzsichtig die Vorstellung ist, eine strenge Sparpolitik könne Output für den Export »freisetzen«. John Maynard Keynes war derjenige, der die gängige Vermengung des fiskalischen Problems (wie viel inländische Währung kann ein Staat besteuern?) mit dem Transfer-Problem am verständlichsten erklärte: Wie viel Fremdwährung kann bezahlt werden?

Alle Hyperinflationen (außer in Simbabwe) sind eine Folge des Bestrebens, eine höhere Summe an Auslandsschulden zurückzuzahlen, als die entsprechende Volkswirtschaft an Devisen zu erwirtschaften vermag. Ein strenger Sparkurs der öffentlichen Hand kann dieses Transferproblem nicht lösen, weil Austerität und Schuldendeflation Produktionskapazitäten zerstören und Arbeitnehmer dazu bewegen, auf der Suche nach Arbeit ins Ausland abzuwandern. Die Umlenkung von Einkommen weg von der inländischen Produktion hin zur Befriedigung von Gläubigern gleicht dem »therapeutischen« Vorgehen eines mittelalterlichen Quacksalbers, der seine Patienten umso häufiger zu Ader lässt, je kränker sie werden.

Der IWF hat diese zerstörerische Dynamik über fünfzig Jahre lang Schuldnerländern der Dritten Welt auferlegt, und die Europäische Zentralbank und die Europäische Union wenden sie seit 2012 in Griechenland an. Wenn an einer verfehlten wirtschaftspolitischen Strategie von solcher Tragweite festgehalten wird, obwohl sie ganz offensichtlich nicht den versprochenen Erfolg zeitigt, stehen dahinter immer mächtige Sonderinteressen. Eine rigorose Sparpolitik führt zwangsläufig zu Wirtschaftskrisen und stellt somit eine Art »Kriegserklärung« an Arbeitnehmer und Industrie dar. Sie erhöht zudem den Druck auf Regierungen, öffentliche Vermögenswerte und Staatsbetriebe zu privatisieren. Diese Vermögenswerte bieten Anleiheinhabern, Investoren und Spekulanten dadurch Gelegenheiten zur Abschöpfung ökonomischer Renten, die größtenteils mit zinstragenden Krediten finanziert werden.

Die Tatsache, dass diese Ideologie der Austerität vor allem in Deutschland auf so fruchtbaren Boden fiel, zeigt, dass hier kaum etwas von den finanzpolitischen Kontroversen der 1920er-Jahre in Erinnerung geblieben ist. Deutsche Banken und Banken anderer Länder behandeln Volkswirtschaften der Eurozone genau so, wie die Gläubiger damals Deutschland behandelten.

Verschlimmert werden die Auswirkungen der Austeritätspolitik dadurch, dass es gemäß den Statuten der Europäische Zentralbank den Mitgliedstaaten der Eurozone untersagt ist, eigenes Geld zu drucken, um Haushaltsdefizite zu finanzieren. Dies zwingt Staaten in die Abhängigkeit von Anleihegläubigern. Der Schuldendienst bekommt dadurch den Charakter der Bedienung von Auslandsschulden. Außerdem beanspruchen die Zinszahlungen auf diese Schulden den gesamten Zuwachs des Volkseinkommens für einen Staat wie Griechenland – und bald wohl auch für Italien, Spanien und Portugal.

Die monetäre Zwangsjacke der Eurozone


Durch das geldpolitische Instrument der quantitativen Lockerung hat die Europäische Zentralbank (»so viel wie notwendig ist«, sagte Mario Draghi) Geld geschöpft, um die Forderungen von Banken und Anleihegläubigern aus notleidenden Krediten und Investitionen zu erfüllen. Aber sie schöpft kein Geld zur Ankurbelung der Konjunktur in Europa. Im Gegenteil: Die Regierungen der Eurozone verfolgen eine strenge Sparpolitik und opfern die Wirtschaft auf dem Altar der Gläubigerforderungen, denen sie Vorrang einräumen.

Anders als eine staatliche Defizitfinanzierung, die das Wachstum der Wirtschaft und der Märkte ankurbelt, schöpfen Banken Kredit in Form zinstragender Darlehen für ihre Kunden – hauptsächlich Käufer von Immobilien, Aktien und Anleihen sowie Finanzinvestoren. Diese Kreditvergabe durch die Banken treibt zwar Preise für diese Vermögenswerte in die Höhe, dient aber nicht zur Finanzierung von Sachanlageinvestitionen und Arbeitsplätzen, Löhnen oder Verbraucherpreisen. Aus diesem Grund hat die quantitative Lockerung der US-Notenbank (Fed) und der Europäischen Zentralbank – das Ausreichen von Krediten an US-amerikanische und europäische Banken, nicht an Firmen oder Verbraucher – die Güterpreise nicht erhöht. Auf diese Weise wächst die Überschuldung der Wirtschaft, die in zunehmendem Maße unter einer Schuldendeflation leidet. Dieser Gegensatz zwischen einer Vermögenspreisinflation und Schuldendeflation ist...

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