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E-Book

Der Student

Eine türkische Liebe

AutorErdinç Ayd?n
VerlagBookRix
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl322 Seiten
ISBN9783743861435
Altersgruppe14 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Cem ist ein fauler Student, der gerne in der Cafeteria der Uni rumsitzt, Taxi fährt, Bafög kriegt und seinen Vater anpumpt. Er ist verwöhnt und lässt es sich gutgehen. Eines Tages lernt er Eda kennen, freundet sich mit ihr an und verliebt sich. Es beginnt eine heimliche Liebesgeschichte, deren Eda ein Ende setzten wird, wenn er nicht endlich anfängt, sich auf den Hosenboden zu setzen und zu lernen. Sie studiert Türkologie, ist Türkin und eine Landsfrau, etwas religiös und traditionell, was Cem das Gefühl gibt, anzukommen und zu Hause zu sein.

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Leseprobe

I. Abschnitt- Der Anfang


Er war sehr müde, als er sein Zimmer betrat. Die Nacht stand bevor. Trotz der Müdigkeit wollte er noch etwas aufbleiben. In den Wohnungen um ihn herum brannten nur noch vereinzelt die Lichter. Er zog sich aus und ging unter die Dusche. Ließ minutenlang das kalte Wasser über sich laufen. Dann wieder mal warm, mal lau. Das ging fast eine ganze Stunde so, trocknete sich ab und kam wieder ins Zimmer zurück. Zündete sich eine Zigarette an und schaute aus dem Fenster in die Dunkelheit. Er konnte nichts erkennen. Nur in der Lichtung der Straßenlaternen konnte er ein Schwarm von Fliegen erkennen. Er empfand dem Schwarm der Fliegen gegenüber nur Ekel, und beobachtete sie dennoch eine ganze Weile. Sein Zimmer war gut beleuchtet. Er mochte helle Räume. Das Zimmer war immer aufgeräumt und sauber. Von seinen Kommilitonen, die gelegentlich aus- und eingingen, erntete er aus diesem Grund hier und da Komplimente und Lobs. Das tägliche Waschen gehörte zum Programm. Er holte frische Unterwäsche aus dem Schrank und zog sie an. Es war schon Mitternacht durch, und trotzdem verspürte er Appetit auf Kaffee und machte sich Kaffee. Legte eine Platte auf, zündete eine Kerze an, die auf dem Tisch stand. Ging ans Fenster und beobachtete wieder die Fliegen an der Straßenlaterne. Ein ekelhaftes Bild. Es war Hochsommer, die Nacht schwül und feucht. Sein Zeichenbrett stand an der einen Ecke des Zimmers. Es herrschte schon seit Monaten Funkstille zwischen ihm und dem Zeichenbrett. Die Zeichnungen, die er begonnen hatte, klebten immer am Zeichenbrett. Er sah sich die Zeichnungen an. Die waren gut. Dennoch wurde die Entfernung zwischen den Zeichnungen und ihm immer und immer größer. Auch das Rauchen hatte er sich erst vor kurzem angeeignet. Das Rauchen schmeckte ihm und deswegen rauchte er immer mehr. An manchen Tagen eine ganze Packung. Er ging noch einmal ans Fenster und sah sich die Fliegen an, merkte, dass in ihm sich etwas veränderte. Er konnte es aber nicht definieren. Es schwebte etwas in der Luft, aber er konnte es einfach nicht einordnen. Das alles geschah, seit dem er angefangen hatte, den größten Teil der Nacht, wach zu verbringen. Er schlief erst gegen Morgen ein und wachte am nächsten Tag gegen Mittag auf. An den Vorlesungen nahm er kaum noch Teil. Gelegentlich ließ er sich an der Hochschule sehen, um sich eben sehen zu lassen. Es war schon oft vorgekommen, dass er Mitten in der Nacht sich anzog und eine Runde in der Stadt drehte. Zu Fuß. Und überhaupt sah er sich manchmal minutenlang die Blumen an, an denen er vorbeikam. Auch hatte er sich die Angewohnheit angeschafft, den städtischen Teich zu besuchen und sich die Fische anzusehen. Er verkehrte wenig mit Menschen, die er noch vor Monaten fast täglich sah, nahm sich eine Tasse und goss Kaffee ein. Zündete sich noch eine Zigarette an und ging wieder ans Fenster. Das Bild hatte sich nicht geändert. Immer noch flogen diese Viecher an der Laterne umher. Sein Zimmer war nicht besonders groß und dennoch hatte er fast alles dort untergebracht, was er für den Alltag brauchte. Die Bilder an den Wänden hatte er mit aller Sorgfalt aufgehangen. Auch die Plakate waren für ihn ein Symbol der Unruhe und des Aufstandes. Er war schon im achten Semester in der Hochschule, also seit vier Jahren in der Stadt. Kannte hier und da die Gegend, wo er nun lebte, fand aber auch nicht den Willen und die Notwendigkeit, die Gegend zu erkunden. Denn sie war ihm egal. Und Kühe auf den Weiden hatte er schon reichlich gesehen. In den letzten Monaten verbrachte er die Zeit meist alleine, stellte fest, dass ihm das gefiel. Er ging hier und da ein und aus, doch waren die einsamen Momente beinahe die schönsten Momente. Er sah, ob am Morgen, ob am Mittag oder ob am Abend, ja sogar in der Nacht, immer mehr aus dem Fenster und genoss den Ausblick, trotz dass da nichts Besonderes zu sehen war. Nachts die Fliegen und tags die Kühe auf der Weide. Er hatte einen kleinen Fernseher, den er gelegentlich einschaltete und sich davor saß. Auch hatte er das Gerät schon seit Tagen, ja sogar vielleicht seit Wochen nicht eingeschaltet. So war er auch über die aktuellen Themen im Lande und der Welt nicht informiert. Nur wenn er zum Bahnhof ging, warf er einen Blick auf die Zeitungen, die da so schön an dem Zeitungsstand zu lesen waren. Das war noch vor ein paar Wochen ganz anders. Da hat das Fernsehen beinahe zu jedem gemütlichen Abend dazugehört. Er nahm ein Schluck von seinem Kaffee und zog an der Zigarette. Beides schmeckten ihm. Auch dachte er an die nahenden Klausuren, hatte sich auf sie so gut wie nicht vorbereitet. Vielleicht würde er sich wieder abmelden. Doch hatten nun die Gedanken, die unmittelbar mit seinem Studium zu tun hatten, nicht mehr so viel Gewicht. Irgendwie waren sie nicht mehr so intensiv und so wichtig. Er hatte Pink Floyd aufgelegt und hörte gerade The Wall. Irgendwie fand er das Stück so faszinierend, so bewegend und so schwer, dass er es hundert Mal hintereinander hätte hören können; ging an sein Bücherregal und blätterte einige Bücher auf und zu. Da war das Buch der Ergonomie. Da war das Buch der Arbeitswissenschaft. Da, das der Arbeitsorganisation. Er warf auf jedes Buch ein Blick und blieb stehen bei dem Buch, welches er so toll fand. Er kannte den Namen des Autors nicht. Hatte noch nie von ihm etwas gehört. Doch der Titel gab dem Buch den Reiz, den ihn mitriss. "Menschliches- Allzumenschliches". Er legte das Buch wieder an seinen Platz. Mitternacht war längst vorüber. Er empfand nicht die Notwendigkeit, auf die Uhr zu sehen. Trank seinen Kaffee, rauchte seine Zigarette und ging schließlich ins Badezimmer und putzte sich die Zähne. Das Zimmer war sehr hell beleuchtet. Er machte das Licht aus und ging ins Bett, war sehr müde und schlief ohne langes Warten ein.

 

Gegen Mittag klingelte es an der Tür. Er lag noch im Bett, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter, trotz dass er das Klingeln gehört hatte. Nach einer kurzen Weile klingelte es noch einmal. Er ignorierte es wieder. Stand auf, öffnete aber dennoch nicht die Tür. Es klingelte ein letztes Mal. Es ist bestimmt Paul, dachte er sich, der wieder Mal etwas brauchte. Cem fand ihn irgendwie doch unangenehm. Er, den Paul, seinen Nachbar. Seit dem er mit seinem Studium angefangen und hier in diesem Studentenwohnheim wohnte, konnte er morgens nicht frühstücken. Er nahm die Milch aus dem Kühlschrank und trank. Viel. Fast ein halbes Liter. Das war sein Frühstück. Warf einen Blick auf das Zeichenbrett. Es erschien ihm sehr verlassen. Er hatte noch so vieles zu zeichnen. Sah sich seine Zeichnungen an, die um das Zeichenbrett herum an der Wand hingen. Sie waren gut. Er wusste, dass er das gut konnte. Aber dennoch herrschte schon seit Wochen eine Ruhe zwischen den beiden. Er nahm sich vor, heute Abend doch etwas zu zeichnen. Vielleicht würde er die Explosionszeichnung heute noch zu Ende machen. Vielleicht.

 

An dem städtischen Teich und an der Handelsschule vorbei, ging er in die Stadt. Hatte sich frisch rasiert und auch versucht, sich akzeptabel anzuziehen. Das war für ihn wichtig. Dass Kleider Leute machen, wusste er schon seit seiner Jugend. Also gab er sich auch Mühe, trotz seiner finanziellen Notlage, nicht arm und herunter gekommen auszusehen. Sein Kleiderschrank war fast leer. Er hatte nicht besonders viel. Man kann sogar sagen, er hatte nichts. Ein paar Hemden, zwei Hosen, ein paar Unterwäsche und ein Paar Schuhe. Das Geld, was ihm monatlich zur Verfügung stand, gab er aus, für die Miete, Strom, Telefon und für die Nahrung. Für Klamotten blieb so gut wie nichts übrig. Das Bisschen, was er besaß, hatte er von seiner Mutter bekommen. Seine Klamotten waren schon alt, aber er achtete darauf, dass sie immer sauber waren. Unterwegs zündete er sich eine Zigarette. Das Wetter war angenehm warm. Leicht windig. Er kam an der Bibliothek vorbei. Ging aber nicht hinein. An der Bank hob er etwas Geld von seinem Konto ab und setzte sich in der Stadt in eine italienische Eisdiele und bestellte eine Tasse Kaffee. Er war der einzige Gast in der Eisdiele. Nur eine Kellnerin, die mit der Frau hinter der Theke sich auf italienisch unterhielt und beide dabei laut lachten. Trank seinen Kaffee und dachte sich, dass die Italiener die besseren Kaffeemacher seien. Er war geistig abwesend. Saß zwar in der Eisdiele, doch in Wirklichkeit war er ganz woanders. Es waren zwei Wochen vergangen, seit dem er sie gesehen hatte. Ihren Namen kannte er nicht. Er wusste nur, dass er Tag und Nacht an sie denken musste. Sie hatte sehr schöne lange Beine, einen sehr weiblichen Hintern. Auch die Brüste waren nach seinem Geschmack. Er hatte sie genau vor zwei Wochen in dem Tante-Emma-Laden gesehen. Gott, was war er von ihr angetan; er hatte sie hinter der Theke ganz heimlich minutenlang beobachtet, ja sogar angestarrt. Jetzt saß er hier in der Eisdiele und war in den Gedanken wieder mit ihr beschäftigt. Wie mag sie wohl heißen? Bestimmt hat sie einen sehr schönen Namen. Ob er sie erobern kann? Wo und wie lebt sie? Was hört sie nur für eine Musik? Wo macht sie Urlaub? Liebt sie vielleicht jemanden? Hat sie mich bemerkt? Er saß in der Eisdiele und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er musste sie noch einmal sehen. Musste noch einmal in den Laden. Sie beobachten, sie anstarren, sie sondieren. Hatte das Gefühl, dass er etwas ganz Besonderes entdeckt hatte. Die Kellnerin kam und leerte den Ascher. Er sah sie nicht. Musste noch einmal dahin. Und zwar so...

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