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Der tiefe Staat

Die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen und den rechten Mob

AutorJürgen Roth
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783641160333
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Wo dubiose Absprachen und schattenhafte Institutionen beginnen, endet unsere Demokratie
Gibt es einen Staat im Staat? Verborgene Strukturen, die ihre eigenen Ziele verfolgen? Die jüngsten Erkenntnisse im NSU-Prozess lassen ein geheimes Geflecht rechtsextremer Verbindungen erahnen, das die staatlichen Institutionen durchzieht. Welche Rolle spielen dabei die bundesdeutschen Geheimdienste? Herrscht eine stille Komplizenschaft zwischen antidemokratischen Gruppen und öffentlichen Behörden? Es sind solche Entwicklungen, aus denen der zunehmende Vertrauensverlust der Bürger in eine staatliche Politik resultiert, deren Motive und deren Handeln immer intransparenter werden.

Bestsellerautor Jürgen Roth deckt diese verborgenen Netzwerke auf: einen »tiefen Staat«, in dem Geheimdienstagenten, Politiker und Kriminelle zusammenwirken. Sie agieren außerhalb jeglicher Legalität und sind für keine parlamentarische Kontrolle zu fassen - schattenhafte Strukturen, die ans Licht gebracht werden müssen.

Jürgen Roth, 1945-2017, ist einer der bekanntesten investigativen Journalisten in Deutschland. Seit 1971 veröffentlicht er brisante TV-Dokumentationen und aufsehenerregende Bücher über Politik, Korruption und Kriminalität. Zuletzt erschienen von ihm »Gangsterwirtschaft«, »Der stille Putsch« und »Der tiefe Staat«, die allesamt Bestseller waren.

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Leseprobe

VORWORT

Das stetige Schwinden von Freiheit und Brüderlichkeit

Verabschieden wir uns endlich von den Träumereien und dem idealistischen Glauben, dass es in diesen Zeiten eine gerechte und humane Gesellschaft geben könne. Es ist vergeudete Lebenszeit. »Leben einzeln und frei wie ein Baum, und dabei brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist unser.«1 Aus dem umfangreichen Werk des türkischen Lyrikers Nazim Hikmet ist das der einzige Satz, der in Deutschland auffällig häufig zitiert wird. Das spricht dafür, dass er die Sehnsüchte und Hoffnungen vieler Bürgerinnen und Bürger nach gesellschaftlichen Veränderungen widerspiegelt. Aber seien wir ausnahmsweise einmal ehrlich. Diese Sehnsucht nach Freiheit und Brüderlichkeit ist wie ein bunter Schmetterling, der, kaum zum Leben erwacht, schon wieder sterbend zu Boden taumelt. Eine vergiftete Atmosphäre entzieht ihm jegliche Überlebenschancen.

In dieser vergifteten Atmosphäre herrscht klirrende soziale Kälte, ist rassistische Gewalt alltäglich, während gleichzeitig Demokratieentleerung und Bürgerwut dramatisch zunehmen.

Die vergiftete Atmosphäre ist ein idealer Lebensraum für Menschen, die, wie eine Sandra, bedenkenlos fordern: »Buchenwald auf machen und weg damit!!!« Buchenwald war während der NS-Zeit ein berüchtigtes Konzentrationslager. Maja postete kurzerhand: »Ab aufs Meer mit denen. Das nimmt noch genug Asylanten auf.« Ein Torsten aus Berlin schrieb: »Kann man die nicht einfach anzünden und sagen die haben sich verbrannt beim sonnen.« Oder Manuel M.: »Deutschland braucht mehr Züge die mit pack gefüllt werden und dann direkt in die Gaskammer oder den Hochofen entfernt.« Daraufhin antwortete ihm ein Dirk L.: »Stimmt genau. Ich melde mich auch freiwillig als oberster Begrüßer an der Rampe.« Was alle verbindet? Es sind junge Frauen und Männer, die sich mit ihren kleinen Kindern oder mit putzigen Tierfotos auf Facebook präsentieren.

Solch eine verbale Barbarei als Sprüche einzelner, sozial und psychisch schwer gestörter Menschen zu verharmlosen wäre eine bequeme Diagnose, aber politisch wie gesellschaftlich brandgefährlich. Diese Stimmen sind in Wirklichkeit nur die zugespitzte Stumpfsinnigkeit unterschwellig vorhandener menschenfeindlicher und nationalistischer Einstellungen in viel breiteren Bevölkerungskreisen, als wir es uns bislang vorzustellen wagten.

Die Eskalationsstufen, die diese Einstellungen auslösen, sind spätestens Anfang der Neunzigerjahre bekannt. Erst werden von rechtsradikalen (NPD), klerikal-konservativen (CSU) und rechtspopulistischen Politikerinnen und Politikern (Alternative für Deutschland, AfD) Ressentiments geschürt, in diesem Fall gegen Asylsuchende und/oder Migranten. Dann wird gegen sie demonstriert. Seit Mitte September 2015 gehen Zehntausende sogenannter »besorgter Bürger« in symbiotischer Eintracht mit Neonazis fast täglich auf die Straße, insbesondere in den neuen Bundesländern, mit dem Ziel, die hier Schutz suchenden Menschen zu vertreiben.

Dann werden Flüchtlingsheime angezündet, Flüchtlinge, Migranten und politische Gegner des rechten Mobs attackiert. In der Nacht zum 11. Oktober 2015, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen, sprühten in Erfurt Unbekannte an das Wahlkreisbüro der Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König (Die Linke) die Neonazi-Parolen »Judenhure« sowie zwei Hakenkreuze und einen Davidstern. Ein anderes Gebäude in Erfurt wurde mit dem Davidstern und dem Wort »Juden« markiert.

Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann wieder die ersten Todesopfer zu beklagen sein werden. Erinnerungen an die Dreißigerjahre werden zwangsläufig wach. Lebt dieser rassistische und nationalistische Geist immer noch und wenn ja, warum? Auch diese Frage soll in diesem Buch beantwortet werden.

Blanker Hass schlägt darüber hinaus demjenigen entgegen, der Flüchtlinge unterstützt und/oder sich gegen Fremdenfeindlichkeit engagiert. »Jetzt den Mund aufzumachen ist lebensgefährlich«, sagt Karen Larisch, die in Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) die soziale Hilfsorganisation »Villa Kunterbündnis« gegründet hat. Sie wurde bereits mehrmals zusammengeschlagen, mit dem Tod bedroht und steht deshalb unter Polizeischutz.2 Dem Initiator einer Petition für die Initiative »HeimeOhneHass«, die sich gegen fremdenfeindliche Demonstrationen vor Flüchtlingsheimen richtete, wurde die Ermordung seiner Eltern und Geschwister angekündigt. Er hat daraufhin sein Engagement eingestellt.

Ines Kummer ist eine engagierte Grünen-Politikerin aus Freital in Sachsen, die sich für Flüchtlinge einsetzt. Sie schrieb am 22. Oktober 2015 auf ihrer Facebook-Seite einen erschütternden Kommentar. »Fremdenfeindlichkeit ist in Freital allgegenwärtig. Wiederholt wurden mein Pflegesohn und ich beleidigt und bepöbelt. Und nur auf Grund der Tatsache, dass er nicht weiß ist. Ihm wurden Prügel angedroht, unterlegt mit den Worten: ›Ich hasse Flüchtlinge und die Politik‹. Und ich musste mir anhören: ›Und du, Alte, was glotzt du da noch so blöd, willste auch was drauf ham?‹ Mein Pflegesohn sagte mir heute noch: ›Muddy, ich bin so traurig, dass die Menschen wegschauen, wenn ich beschimpft werde. Ich bin doch kein schlechter Mensch.‹ Mir zerreißt es das Herz. Ich bin immer noch wütend. Wütend auf diese jungen, Bier trinkenden Leute. Und ich werde meine Klappe nicht halten. Ich mach sie auf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Und ich hoffe, es bekommen in Freital endlich mal mehr Menschen ihren Hintern hoch und machen ihren Mund auf gegen diesen Fremdenhass, für Menschlichkeit und Respekt.«

Wo bleibt in dieser vergifteten Atmosphäre der öffentliche Aufschrei? Wo die nachhaltige Verdammung des rechten Mobs durch führende Regierungspolitiker? Insbesondere Politiker der CDU/CSU hüllen sich mehr oder weniger in feiges Schweigen. Der Verdacht ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass einigen politisch-konservativen Entscheidungsträgern diese menschenfeindliche Stimmung durchaus ins politische Kalkül passt, weil sich der Hass gegen die Schwächsten der Gesellschaft richtet und zum Beispiel nicht gegen jene Kräfte, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, weil Gemeinwohl für sie ein Fremdwort ist. Denn, so stellt Armen Avanessian für Zeit Online fest, »der Kapitalismus war und ist – und wird es bis in seine letzten Züge bleiben – ein auf systematischer Ungerechtigkeit und strukturellem Rassismus aufbauendes Wirtschaftssystem, das naturgemäß zu Migrationsbewegungen der Ausgebeuteten führt.«3

Wie weltfremd ist daher der Satz des türkischen Lyrikers Nazim Hikmet: »Leben einzeln und frei wie ein Baum, und dabei brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist unser.«

Liberté, Égalité, Fraternité – drei bedeutungsschwere Wörter. Tatsächlich ist diese Parole aus der Französischen Revolution heutzutage nicht mehr als eine wohlfeile Sprechblase. Bevorzugt zitiert wird sie bei festlichen politischen oder kulturellen Inszenierungen, wie weiland durch Gerhard Schröder (SPD), den »Genossen der Bosse«, am 22. Januar 2003 in Versailles. Damals war er noch Bundeskanzler. Anlässlich des 40. Jahrestages der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages äußerte er sich über Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit:

»Sie sind die gemeinsame Grundlage für unsere gemeinsame Politik in unseren beiden Ländern, in Europa und darüber hinaus. Sie sind Grundlage und Leitbild dessen, was wir in den vergangenen 40 Jahren miteinander erreicht haben, wie auch dessen, was wir in der Zukunft auf unserem gemeinsamen Kontinent miteinander ins Werk setzen können und gewiss auch wollen.«4

Von wegen wollen. Realität ist, dass es im 21. Jahrhundert noch nicht einmal im demokratisch organisierten Europa möglich ist, Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in konkrete gesellschaftliche wie politische Wirklichkeit umzusetzen. Das krasse Gegenteil ist der Fall. Während Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Deutschland wie in Österreich zusammenwachsen, drohen rechtsradikale Parteien in Europa an die Macht zu kommen.

Institutioneller Rassismus, Menschenfeindlichkeit und soziale Spaltung verdrängen Gleichheit und Brüderlichkeit. Und Freiheit, dieses Wort, das von Bundespräsident Joachim Gauck als Maxime der Demokratie zitiert wird? Ja, die gibt es tatsächlich – leider aber auch für Mitglieder der rechtsradikalen Partei Die Rechte. Sie patrouillieren in einheitlichen T-Shirts durch den Stadtteil Dortmund-Dorstfeld, einer »National Befreiten Zone«, wie sie es nennen, hetzen gegen Migranten, ziehen vor Asylbewerberheime, spähen ihre politischen Gegner aus, bedrohen sie oder schlagen sie zusammen. Sie haben ein Klima der Angst geschaffen. Und Dortmund ist nur ein Beispiel von vielen dafür, dass die Trias Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ein Traum geblieben ist.

Und da wäre man bei einigen strukturell-politischen Ursachen, die mit der politischen Situation in Deutschland oder Österreich zu tun haben. Dazu gehört sicher die scheinheilige Doppelmoral einiger Repräsentanten (oder Ex-Repräsentanten) des Staates, eine Doppelmoral, an die sich die Bürger längst gewöhnt haben. Bei geheimen Machtstrukturen, die eine lange, unselige Tradition haben, sieht das schon ganz anders aus. Davon wissen die Bürger kaum etwas. Dafür wiederum umso mehr davon, dass sie mit politischen Lügen oder Halbwahrheiten abgespeist werden. Sie erleben es selbst, oder sie lesen in den seriösen Medien (sofern sie die überhaupt lesen) von...

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