2 Theoretischer Rahmen
Für die Untersuchung des Ursprungs-, Gastland und Lerneffektes auf den Transfer von Personalpraktiken wird ein theoretischer Rahmen benötigt, der länderspezifische Unterschiede von Organisationen und deren Praktiken sowie die Fähigkeit und Möglichkeit einer Organisation, die länderspezifischen Unternehmenspraktiken innerhalb der MNU zu übertragen, berücksichtigt. In der empirisch komparativen Organisationsforschung wird als theoretische Grundlage für den Ursprungs- und Gastlandeffekt häufig der Business Ansatz (Whitley 1992) verwendet. Dieser Ansatz gibt Aufschluss über nationale, institutionelle Unterschiede, gibt aber keine präzise Beschreibung über den Einfluss wie Institutionen auf Organisationen (Ferner/Quintanilla 1998: 715; Tempel 2001: 31; Lane 1995: 13). Neoinstitutionalistische Ansätze können an dieser Stelle Abhilfe leisten (Lane 1995: 13). Neoinstitutionalistische Ansätze berücksichtigen wiederum keine nationalspezifischen, institutionellen Unterschiede von Organisationen. Um die Vorteile beider Ansätze für diese Arbeit nutzen zu können, werden beide Ansätze skizziert (2.1), und für die Konstruktion von Arbeitshypothesen für den Ursprungsland-, Gastland und Lerneffekt auf den Transfer von Personalpraktiken verwendet (2.5). Abschnitt 2.1 dient zur Erläuterung der Grundlagen und Grundbegriffe, die für das weitere Verständnis der nachfolgenden Abschnitte notwendig ist. Im Vorwege wird erläutert, aus welchen Gründen sich der Fokus dieser Arbeit auf die mikroinstitutionalistische Perspektive beschränkt. Des Weiteren wird der Einfluss der Institutionen der Industriellen Beziehungen auf das Management das Personalwesen dargestellt (2.2). In Abschnitt 2.3 werden die in Abschnitt 2.1 erläuterten theoretischen Grundlagen für MNU angewendet. Zum einen wird der innerorganisationale und lokale nationale Anpassungsdruck auf MNUs dargestellt und zum anderen die gesellschaftliche Einbettung bzw. Isolation von Organisationen in das Business System. In Abschnitt 2.4 wird der behindernde bzw. fördernde Einfluss national unterschiedlicher Industrieller Beziehungen über den Ursprungland-, Gastland-, und Lerneffekt aufgezeigt. Im Anschluss daran werden auf der Basis von Abschnitt 2.3 und 2.4 Arbeitshypothesen für den Ursprungs-, Gastland- und Lerneffekt auf den Transfer von Personalpraktiken aufgestellt (2.5). Diese dienen als Grundlage für die Arbeitshypothesen für den Ursprungs-, Gastland- und Lerneffekt auf den Transfer von Personalpraktiken.
In dieser Arbeit wird der Institutionenbegriff aus der Perspektive des Neoinstitutionalismus verwendet.[15] Neoinstitutionalistische Ansätze sind in der organisationstheoretischen Forschung besonders einflussreich gewesen (Di Maggio/Powell: 1991: 1). In der neoinstitutionalistischen Forschung wird zwischen der mikroinstitutionalistischen und makroinstitutionalistischen Perspektive unterschieden. In mikroinstitutionalistischen Ansätzen werden Organisationen als Institutionen betrachtet, die selbst institutionalisierte Strukturen erzeugen und ihre Umwelt beeinflussen (Zucker 1983: 14). In makroinstitutionalistischen Ansätzen wird die Organisation als stark umweltdeterminiert betrachtet (Walgenbach 1999: 323). In dieser Arbeit wird vorwiegend die makroinstitutionalistische Perspektive verwendet, da der Einfluss der institutionellen Umwelt[16] auf Organisationen berücksichtigt wird.
Organisationen werden durch institutionalisierte Erwartungen überwiegend durch den Staat oder Berufs- und Wirtschaftverbände determiniert (Walgenbach 1999: 342). Diese Erwartungen und Vorstellungen der Umwelt an das Verhalten von Organisationen, die sich zu unabänderlichen Anforderungen verfestigen werden zu Institutionen (DiMaggio/ Powell 1991a: 13). Dieser Prozess wird als Institutionalisierung[17] bezeichnet. Die Erwartungen einer Gesellschaft bestimmen die Aufgaben und formalen Strukturen verschiedener Organisationen (Scott/ Meyer 1994: 3). Diese Regeln werden als Rationalitätsmythen bezeichnet (Scott/ Meyer 1994: 3). Die Rationalität innerhalb verschiedener Organisationsumwelten kann sich erheblich unterscheiden (Rowan/ Meyer 1977: 343). Rationalitätsmythen sind Mythen in dem Sinne, dass ihre Wirklichkeit und Wirksamkeit von einem geteilten Glauben abhängt, sie also nicht einer objektiven Prüfung unterzogen werden können (Scott 1992: 14; Scott 1987: 114). Weichen Organisationen von den gesellschaftlichen Erwartungen ab, wird das organisationale Verhalten sanktioniert. Entsprechen Organisationen den Erwartungen, wird ihnen Legitimität zugeschrieben. Die organisationalen Strukturen richten sich primär an Vorstellungen und Erwartungen über eine effektive, rationale und effiziente Organisationsgestaltung aus der Organisationsumwelt und nicht an den Erfordernissen der Organisation selbst aus (Meyer/ Rowan 1991: 341). Die Erfüllung der Umweltanforderungen und der gesellschaftlichen Legitimität sind für eine Organisation überlebenswichtig (Meyer/ Rowan 1991: 344). In diesem Abschnitt wurde dargestellt, aus welchen Gründen eine makroinstitutionalistische Perspektive für die weitere Untersuchung verwendet wird.
Im nächsten Abschnitt wird die Institution aus einer makroinstitutionalistischen Perspektive beschrieben. Das Institutionenmodell von Scott (2001) wird in dieser Arbeit als Grundlage für den Institutionenbegriff verwendet, da sein Modell im Vergleich zu anderen neoinstitutionalistischen Ansätzen ein sehr umfassender Ansatz ist. Dieser umfasst im Vergleich zu anderen institutionalistischen Ansätzen drei Elemente, die im Folgenden dargestellt werden.[18]
In neoinstitutionalistischen Theorieansätzen kommt der Institution eine besondere Rolle zu. Am ausführlichsten setzt sich Scott (2001) mit dem Institutionenbegriff auseinander. In seinem Buch „Organisations and Institutions“ nimmt er eine Bestandsaufnahme theoretischer Ansätze über Institutionen innerhalb der Soziologie, Politik und Ökonomie vor. Scott (2001) entwickelt eine Art „Rahmen“ des Institutionenbegriffs (Senge 2005: 112). Im Zuge dieser Arbeit werden die Elemente der Institutionen mit Hilfe von Scotts (2001) Institutionenmodell dargestellt.
Scotts (2001) Auffassung von der Institution ist wesentlich weiter gefasst als in anderen institutionalistischen Theorien. Neben formalen Regeln und Normen spielen auch kognitive Elemente eine Rolle (Schulze 1997: 15). Nach Scott (2001: 48) weisen Institutionen eine kausale und handlungsgenerierende Kraft auf, die sich über verschiedene Mechanismen entfalten kann (Scott 1995: 52). Die Mechanismen werden in Anlehnung an DiMaggio/Powell (1991b) in regulative, normative und kognitive Säulen unterteilt (Scott 2001: 52). Diese drei Mechanismen werden von Scott (1995: 45) als Grundpfeiler von Institutionen oder als Säulen, die Institutionen tragen, bezeichnet. Im Folgenden werden diese skizziert.
Die regulierende Grundsäule wirkt durch formale und informelle Regeln begrenzend und ermöglicht Handeln (Scott 1995: 48). Gesetzliche Regelungen, Kontrolle und Sanktionierung sowie deren Durchsetzung vor Gericht sind ein Kernbestandteil der regulierenden Säule. Durch Regelsetzung, Kontrolle, Sanktionierung und Belohnung von Verhalten resultiert ein quasi-rationales Verhalten der Akteure, sich konform zur Institution und den damit einhergehenden rechtlichen Gesetzmäßigkeiten, zu verhalten (Senge 2004: 113). Die regulative Komponente produziert somit eine pragmatische Legitimität (Walgenbach 1999: 341). Sie bezieht sich auf Organisationen, die sich konform und legal zu den rechtlichen Anforderungen des organisationalen Umfeldes verhalten (Walgenbach 1999: 341). Die Kraft einer Institution wird bei diesem Mechanismus durch Zwang und Macht ausgeübt. Beispielhaft für eine solche Institution sind staatlich verordnete Gesetze (Scott 2001: 51f).
Durch die normative Institution werden über Normen und Werte Handlungsmuster generiert (Scott 2001: 54f). Ein Akteur unterwirft sich den gesellschaftlichen Werten entweder aufgrund eigener Überzeugung oder er überprüft, ob seine Überzeugung den kollektiven Normen entspricht und ob diese angemessen sind (Scott 2001: 54f). Die gesellschaftlich akzeptierten Normen und Werte führen zur moralischen Legitimität. Im Gegensatz zur regulativen Säule werden Handlungsmuster nicht durch Zwang übernommen, sondern internalisiert (Scott 2001: 55). Die Kontrolle erfolgt nicht über eine legale Autorität, sondern über eine moralisch abstrakte, deren Wirkungsgrad von der Internalisierung des Individuums oder dem kollektiven Erwartungsdruck durch andere Akteure abhängig ist (Senge 2004: 113).
Mit Hilfe der kognitiven Institution wird beschrieben, wie Individuen die gesellschaftliche Wirklichkeit erfahren (Scott 1995: 45). Durch gemeinsame Wahrnehmungsmuster wird die soziale Realität konstituiert (Scott 2001: 57). Die gesamtgesellschaftliche Wahrnehmung der Individuen entwickelt sich durch internalisierte symbolische Rahmen, Modelle der Wahrnehmungen, Handlungen und Weltbilder (Scott 2001: 58). Die Rahmen sind im kollektiven Wissensvorrat verankert und bestimmen die Wirklichkeit der Mitglieder und somit auch ihr Handeln (Scott 2001: 57).
Die drei Typen von Institutionen umfassen für Scott (1995: 47) alle verbindlichen und...