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E-Book

Der Traum vom ewigen Leben

Von Gilgamesch bis Jesus

AutorWalter Wolf
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl108 Seiten
ISBN9783741236525
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Dr. Walter Wolf (1905-1992) Der in der ehemaligen Landeshauptstadt von Österreich-Schlesien, in Troppau, geborene Autor studiert in den goldenen 20-er Jahren an der Deutschen Universität in der weltoffenen Stadt Prag. Er begnügt sich dabei nicht mit Germanistik und Slawistik, sondern interessiert sich auch für Religion und Theologie und promoviert 1929 mit einer Doktorarbeit über den Weg vom Aberglauben zur Lehre Jesu Christi. Nach seinem Referendariat - er unterrichtet Tschechisch und Deutsch - erhält er eine Anstellung an dem Gymnasium in Freiwaldau. Der Ort liegt inmitten des Altvatergebirges, attraktiv nicht nur wegen der Wandermöglichkeiten, sondern auch wegen des von dem Wasserheiler Vinzenz Priessnitz begründeten nahen Kurzentrums. 1935 heiratet Dr. Wolf, gründet eine Familie und bezieht sein Haus in Freiwaldau. 1945 wird er zum Wehrdienst eingezogen und unterrichtet Luftwaffenhelfer im nahen Oberschlesien. 1946 wird die Familie vertrieben und lässt Haus und Heimat zurück. In Württemberg findet sie eine neue Heimat am Fuß der Schwäbischen Alb, zunächst in Heubach und dann in Aalen, wo Dr. Wolf am dortigen Schubart-Gymnasium 1947 die Unterrichtstätigkeit wieder aufnehmen kann. Neben seiner Arbeit - er hat während seiner 20-jährigen Berufstätigkeit in Aalen über 10 000 Aufsätze korrigiert - findet er wieder Zeit, sich mit den Themen seiner Jugend zu beschäftigen. Dabei geht es ihm vor allem um die paradiesischen Vorstellungen vom ewigen Leben. Er bedauert, dass das Christentum sich nicht die richtigen Erkenntnisse des Gilgamesch-Epos über Leben und Tod zu Eigen gemacht hat und bündelt seine religionspsychologischen Untersuchungen in einem Manuskript für ein geplantes Buch. Es kommt nicht zum Druck und sein ältester Sohn übernimmt die Herausgabe nach einer gründlichen Überarbeitung der väterlichen Hinterlassenschaft mit neuem Titel. Er fühlt sich dazu ermutigt auch durch das Vorbild Peter Härtlings, der mit seinem Roman 'Nachgetragene Liebe' das Andenken an seinen früh verstorbenen Vater bewahrt.

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Leseprobe

4. Mond- und Sonnenreligion


Mond- und Sonnenreligion gehören zu den bedeutendsten Strömungen, die Moses und die Israeliten in Ägypten vorfanden. Sie lieferten die Vorbilder für die von Moses begründete Jahwe-Religion, der das nächste Kapitel gewidmet ist.

Fast alle Religionen gehen auf eine Art Mondreligion zurück, wie Erich Zehren in seinem Buch »Das Testament der Sterne« (Berlin 1957) nachweist. Der Mond ist den Menschen in frühester Zeit als ein ganz besonderes Gestirn aufgefallen. Einmal erscheint er als schmale Sichel am Firmament, dann nimmt er zu, wird voll, nimmt wieder ab und »stirbt«, um nach drei oder längstens vier Tagen – der Zeit des Neumonds – wieder zunehmend, siegend, »auferstehend« neu zu erscheinen. Dieser sich ewig wiederholende Himmelsvorgang im Zeitraum von 28 Tagen wurde zum Glaubensbekenntnis der todgeängstigten Menschen: Was am Himmel sichtbar geschieht, musste auch auf der Erde für die Menschen Gültigkeit haben. Die schmale Sichel des zunehmenden Mondes am westlichen Abendhimmel, die in den südlichen Ländern des Orients waagrecht am Himmelsozean zu schwimmen scheint, wurde zum Seelenschiff der Verstorbenen. In jenseitigen Gefilden erführen die Seelen dank der Güte des Mondgottes ihre Auferstehung und Wiedergeburt zum ewigen Leben.

Diese religiösen Vorstellungen sind auf der ganzen Erde nachzuweisen – auch in China und bei den Indianern Amerikas – und bestätigen die Theorie über die Entstehung und den Ursinn von Religionen überhaupt: Der Mensch wollte das eigene Lebensende nicht als Ende seiner Existenz hinnehmen, sondern ersann Möglichkeiten eines Weiterlebens über den Tod hinaus, als »Seele« im himmlischen »Jenseits«. Dabei dienten die unsterblichen Götter als Vorbild und deshalb scheint es so, als ob Religion und Götter- oder Gottglaube dasselbe wären. Da der Mond mit seinen verschiedenen Erscheinungsformen diese Glaubensvorstellungen auslöste, darf man sich nicht wundern, dass sich diese überall auf der Erde ähnelten, manchmal sogar völlig glichen. Dieselben Ursachen lösten dieselben oder ähnliche Deutungen aus. Insofern könnte man von einer religiösen »Uroffenbarung« sprechen.

Der Mythos der Mondreligion lässt sich nach Erich Zehren in den meisten ägyptischen Gottheiten nachweisen: Zunehmender Mond – Osiris (Sin und Tammuz bei den Babyloniern); Vollmond – Unas; Morgenstern – Isis; Abendstern – Horus. Göttliche Symbole des zu- und abnehmenden Mondes sind zwei sichelförmige Hörner (Stierhörner), zwei Fische oder zwei Schlangen, alles heilige Symbole der Mondsicheln als Garant der Wiedergeburt im Jenseits. Daher die göttliche Verehrung von Stieren, Kühen und Schlangen in vielen alten Religionen. Der in Begleitung des zunehmenden Mondes am westlichen Himmel erscheinende Abendstern (Venus) wird bald als Gattin des Mondgottes, bald als dessen Schwester verehrt. Anderswo und zu anderer Zeit wird der Mond als Göttin verehrt, der schwangere Frauen opfern. Der Abendstern muss dann gleichfalls sein Geschlecht wechseln und wird zu ihrem himmlischen Bräutigam. Schließlich hat der Geschlechtswechsel des Mondes zur Folge, dass man in ihm einen doppeltgeschlechtlichen, einen männlichen und weiblichen Gott zugleich zu erkennen glaubt. Der doppelköpfige Janus der Römer ist eine solche Gottheit. In Ägypten spielte dann das Siriusgestirn noch eine besondere Rolle, da sich nach seinem ersten Auftauchen auf dem morgendlichen Horizont die lebenswichtige Nilüberschwemmung vorausberechnen ließ. Nach dem heliakischen Aufgang des Sirius wurde in Ägypten das Jahr gemessen; deshalb wurde er zum Hauptgott des Landes.

Auffällig ist, dass die Sonne lange nicht die ihr gebührende Stellung im Glaubensleben einnimmt. Sei es, dass die Sonne als zu selbstverständliches Tagesgestirn in ihrer Bedeutung für die Erde verkannt wurde; sei es, dass in den südlichen Ländern die Sonne mehr als Last und Gefahr angesehen wurde, die eher tötet (durch Austrocknung der Felder, Vernichtung der Ernte, Wassernot, Hitzschlag bei Mensch und Tier) als Leben erhält. Dann bricht unter dem Pharao Amenophis IV. (1375–1358 v. Chr.) plötzlich ein neuer Glaube durch. Amenophis erkennt die Sonne als das Leben spendende Prinzip der Erde, sieht in ihr den Allerhalter der Natur, der Menschen und Tiere, ja erkennt in ihr den Schöpfer des Alls! Der Kreislauf der übrigen Gestirne und der Wechsel der Jahreszeiten, alles Leben auf unserer Erde hängt von der Sonne (Gott Aton) ab, wurde von ihr geschaffen. Amenophis IV. will nur mehr der Verkündigung dieser Erleuchtung dienen, nennt sich von nun an nach seinem neuen Gott Echnaton, d. h. herrlich für Aton, und gibt sich den Beinamen »Der von der Wahrheit lebt«. In einem erhebenden Hymnus besingt er Aton:

»Schön ist dein Erscheinen im Lichtort des Himmels,

Du lebender Aton, der von Anbeginn lebte!

Dein leuchtendes Aufgehn im östlichen Lichtort

Erfüllt alle Lande mit deiner Schönheit;

Du bist gütig und groß, glanzvoll und hoch über

allen Landen,

Deine Strahlen umfassen die Länder bis zum Rand

deiner Schöpfung!

Gehst du unter im westlichen Lichtort,

Liegt die Erde im Dunkel, als sei sie erstorben.

Es ruhen die Schlummernden in der Kammer,

Ihr Antlitz ist wie mit einem Schleier bedeckt;

Nicht kann ein Auge ein anderes sehen.

Wenn du morgens im Horizonte aufsteigst,

Als Aton am Tage erglänzend,

So weicht die Finsternis,

Sobald du deine Strahlen spendest.

Der du der Frauen Leib fruchtbar machst

Und aus Samen Menschen bereitest,

Der du den Sohn ernährst im Leibe seiner Mutter

Und ihn beruhigst, auf dass er nicht weine,

Du Amme im Mutterleibe!

Der Atem gibt zur Belebung jedes seiner Geschöpfe:

Verlässt es den Leib, um zu atmen am Tage seiner

Geburt,

So öffnest du seinen Mund und spendest, was es benötigt.

Das Vöglein im Ei, es spricht im Stein seíner Schale,

Du gibst ihm Luft dazu, es am Leben zu halten;

Du hast ihm im Ei seine Frist gesetzt, es zu zerbrechen,

Es kommt zur Zeit heraus, zu reden, so viel es kann,

Es läuft auf seinen Füßchen, sobald es hervorkam.

Du einziger Gott, der nicht seinesgleichen hat!

Du hast die Erde geschaffen nach deinem Herzen,

Du einzig und allein,

Mit Menschen, Herden und allem anderen Getier.

Es hat ein jeglicher seine Nahrung,

Berechnet ist die Zeit seines Lebens.

Die Zungen sind geschieden im Sprechen,

Gestalt und Farbe sind unterschiedlich;

Du bist es, der die Völker unterscheidet!

Seit du die Erde gegründet hast,

Hast du sie aufgerichtet für deinen Sohn,

Der aus dir selber hervorging,

Den König von Ober- und Unterägypten, der von

der Wahrheit lebt,

Den Herrn der Kronen, Echnaton, dessen Leben

lang sei,

Und für die große königliche Gemahlin, die von ihm

geliebte,

Die Herrin der beiden Länder, Nefer-nefru-aton

Nofretete,

Die lebe und jung sei immer und ewiglich.«

(Übersetzt von Kurt Lange)

Man muss heute staunen, dass Echnaton schon damals über Zusammenhänge und Abhängigkeiten wusste, die uns erst die modernen Naturwissenschaften ahnen ließen und näher brachten. Ein wunderbares Gefühl der Geborgenheit in der Welt und in Gott strahlt dieser Hymnus aus: Alles in der Welt sei gut und sinnvoll vorausbedacht; das menschliche Schicksal habe sich dieser ewigen Ordnung zu fügen, ein anderes Schicksal, eine andere Erwartung gebe es nicht, weil eben alles gut sei. Echnaton sieht in der Sonne den lebenden Aton, sonst aber verzichtet er auf alle anthropomorphe und mythische Fassade. Sein Glaube ist ein Monotheismus, ein Eingottglaube höchster Ansprüche, »eine geistige Großtat, die weit über die Gedanken der jüdischen und christlichen Religionen hinausgeht« (Ernst Garden, Sagt die Bibel die Wahrheit? Lüneburg 1957), und keine bloße »Vorstufe zum Monotheismus«, wie Werner Keller in seinem Buche »Und die Bibel hat doch recht« geringschätzig und verzeichnend urteilt.

Echnaton war von seiner neuen Gotterkenntnis so erfüllt, dass er alle übrigen Religionsvorstellungen im Land verbot und die Aton-Religion zur Staatsreligion erhob. In Theben, der bisherigen Hauptstadt Ägyptens ließ er die Namen der Mondgötter aus Tempeln und Säulenhallen genauso...

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