In der Kinderbetreuung vollzogen sich in den letzten 15 Jahren zahlreiche Veränderungen; wie z.B. die Einführung von Beobachtungs- und Dokumentationsmethoden, Qualitätsmanagement- und Beschwerdemanagementsystemen; um der fehlenden Transparenz sowie den Zweifeln an Effektivität und Qualität der Sozialen Arbeit Rechnung zu tragen. Die pädagogischen Fachkräfte sind daher gezwungen, sich neben den pädagogischen Inhalten auch wirtschaftlichen Inhalten, wie z.B. der Kundenorientierung und der Wettbewerbsfähigkeit, zu widmen. In Folge der demografischen Entwicklung und der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, was laut SGB 8 §22 Abs. 2 außerdem zur Aufgabe der Kindertageseinrichtung gehört, erfolgte zuerst eine Erweiterung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz unter drei Jahren und seit 2013 sogar auf unter einem Jahr und teilweise verlängerte Betreuungszeiten. Neue Erkenntnisse der Hirn- und Lernforschung führten zu einem neuen Verständnis kindlicher Lernprozesse, welche sich in den Bildungsplänen der Länder niederschlug und die Einrichtungen zur Einhaltung zwangen. Als letzte Entwicklungen sollen die Zunahme des Stellenwertes der Elternbildung, und -beratung bis hin zu der Entwicklung von Familienzentren und die Sozialraumorientierung genannt werden. Als Resultat letzteren ist die Öffnung des Sozialraumes und eine stärkere Vernetzung der Einrichtung innerhalb dessen zu verzeichnen. Eine sehr bedeutende Veränderung wurde zum Thema dieser Arbeit gewählt und zwar betrifft dies die gemeinsame Förderung von Kindern mit (drohender) Behinderung und Kindern ohne Behinderung, mit der Einschränkung, dass eine dem Bedarf entsprechende Förderung gewährleistet werden kann.
„Kinder mit und ohne Behinderung sollen, sofern der Hilfebedarf dies zulässt, in Gruppen gemeinsam gefördert werden. Zu diesem Zweck sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Trägern der Sozialhilfe bei der Planung, konzeptionellen Ausgestaltung und Finanzierung des Angebots zusammenarbeiten“ (SGB 8 §22a Abs. 4).
Der gesetzliche Anspruch auf inklusiver Bildung im frühkindlichen Bereich hat vielfältige Entwicklungen ausgelöst. So gibt es zurzeit verschiedene Formen der gemeinsamen Erziehung und Bildung von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf oder Behinderung. Auf der einen Seite entstand eine Öffnung und Weiterentwicklung der Heil -und sonderpädagogischen Einrichtungen, die nun integrative Gruppen geschaffen oder sich in Richtung integrativer Einrichtung verändert haben. Daneben existieren seit längerer Zeit auch die integrativen Einrichtungen, die als solche zertifiziert wurden und eine Integration in Form der gesamten Kindertagesgruppe ermöglichen. Diese Art der Zertifizierung gibt es allerdings in Zukunft nicht mehr. Überdies sind Kooperationen von Kindertagesstätten und Trägern von Einrichtungen der Behindertenhilfe entstanden. Als letzte Form der gemeinsamen Bildung und Betreuung hat eine Öffnung und entsprechende Qualifizierung in allgemeinen Kindertagesstätten stattgefunden. Das Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz (2010) verpflichtet somit alle Einrichtungen zur gemeinsamen Förderung (vgl. ThürKitaG, §7).
Als behindert gelten Menschen laut SGB 9
wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von einer Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist (SGB 9, § 2, Abs. 1).
Es gilt diesbezüglich, eine Unterscheidung zu Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf vorzunehmen. Darunter werden Kinder erfasst, die als schwer erziehbar, verhaltensauffällig, entwicklungsverzögert oder lernschwach, -behindert gelten (vgl. Booth, 2012).
Um eine uneingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, erhalten behinderte Menschen Sozialleistungen nach §4 SGB 9. Das können z.B. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sein. Dazu zählen, neben den medizinischen Leistungen, wie Arztbehandlungen, Heil -und Arzneimittel, auch nicht ärztliche, psychosoziale Leistungen, wie Psychotherapie oder die Frühförderung. Des Weiteren können es Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Darunter fallen dann auch die heilpädagogischen Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind (SGB 9, §55, Abs. 2, S. 2). Daraus entspringt ein Förderungsauftrag in der Tageseinrichtung für behinderte Kinder. Menschen mit einer (drohenden) Behinderung, deren Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt ist, können außerdem Leistungen zur Eingliederungshilfe erhalten. Dazu zählen Hilfen zur angemessenen Schulbildung, zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf, Hilfen zur Ausbildung für eine sonstige Tätigkeit, Hilfen in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten und nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen (vgl. SGB 12, §54). Diese sollen, „eine drohende Behinderung verhüten oder eine Behinderung und deren Folgen beseitigen oder mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft eingliedern“ (SGB 12, §54, Abs. 3).Diese Kinder sollen im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen. Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf wie z.B. verhaltens- und entwicklungsauffällige Heranwachsende erhalten zwar auch Frühförderung, allerdings nicht entsprechend diesen Gesetzmäßigkeiten sondern von dem Kinderfachdienst und werden nur am Rand betrachtet, da diese schon immer in den Einrichtungen vorhanden waren und nicht zu dieser Veränderung geführt haben, worum es in dieser Arbeit gehen soll.
Die Ursprünge dieser Thematik, sich mit der Entwicklung von Organisationen zu beschäftigen, lassen sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts finden, in der sich überwiegend auf gruppendynamische Prozesse hin orientiert wurde. Als Vertreter für die Organisationsentwicklung gelten Kurt Lewin, Moreno und Bewey. Im weiteren Verlauf wurde der Fokus anfangs eher auf die Strukturen und die inhaltlichen Aspekte einer Organisation gerichtet. Die anzuwendenden Techniken bzw. Methoden, die zur Strategiefindung und zur eigentlichen Umsetzung des Veränderungsprozesses führen sollten, traten in den Mittelpunkt und der eigentliche Wandlungsprozess mit den beinhalteten Subjekten der Ausführung trat eher in den Hintergrund. Jedoch zeigte die Praxis, dass genau dort die Herausforderung lag, sodass dies in der heutigen Zeit eine viel größere Bedeutung einnimmt als alles andere (vgl. Grunwald, 2001; Lauer, 2014). Und genau dies soll in der vorliegenden Arbeit im Vordergrund stehen, da gerade in sozialen Organisationen der Mensch und die Dienstleistung im Vordergrund stehen und eine Partizipation unerlässlich erscheint. In diesem Kapitel sollen Antworten auf die Frage nach den Ursachen solcher Veränderungen gefunden werden. Anschließend wird sich dann dem Prozess der Veränderung mit seinen spezifischen Phasen gewidmet, um im nachfolgenden Barrieren bzw. Probleme deutlich zu machen, die zum Ausschluss solch einer Veränderung führen können.
In dem folgenden Abschnitt wird sich bis auf Weiteres auf die Ausführungen von Merchel (2005) bezogen. Veränderungsprozesse von sozialen Organisationen gestalten sich sehr unterschiedlich. Es gibt Institutionen, die ihre Arbeitsweisen und Ansichten über einen langen Zeitraum beibehalten. Auch im Hinblick auf die Struktur dieser Organisationen sind sie sehr starr, da sie somit ihren Mitgliedern eine gewisse Sicherheit und Orientierung liefern können.
„Jede Organisation ist somit ein sinnhaftes Konstrukt: Für die Organisationsmitglieder liefert dieses Konstrukt Orientierung für ihr Verhalten, und für das Erreichen des Organisationszweckes besteht durch gefestigte Strukturen ein gewisses Maß an Durchschaubarkeit und Verlässlichkeit“ (Merchel, 2005, S.12).
Bei internen oder externen Änderungen versucht die Organisation daher in erster Linie diese Struktur beizubehalten und nur das aus der Umwelt aufzunehmen, was mit dem eigenen System vereinbar ist und mit gewohnten Abläufen bzw. Instrumenten bearbeitet werden kann. Allerdings gibt es dennoch bestimmte Gründe, die eine Organisation zur Veränderung der ursprünglichen Arbeitsweise bewegen. Merchel (2005, S.23ff.) nimmt eine Unterteilung in drei Arten vor. Darunter fallen in erster Linie die Umweltanforderungen, die außerhalb einer Institution zu verorten sind. Außerdem zählt er die Diskrepanzerfahrungen innerhalb der Organisation und darauf aufbauend die pathogenen Muster zwischen Individuum und Organisation zu den Anlässen für Veränderungsprozesse. Die Unterscheidung zwischen externen und internen Auslösern treffen Lauer (2014) und Großklaus (2008) ebenfalls.
Unter den Umweltanforderungen werden vorrangig gesellschaftliche Rahmenbedingungen verstanden, die rechtlichen oder politischen Naturen entspringen, so z.B. die neue Gesetzesauflage zur gemeinsamen Betreuung behinderter und nicht behinderter...