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E-Book

Von der Unmöglichkeit der Liebe

AutorDr. Ingelore Ebberfeld
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783864151729
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Gibt es sie wirklich, die wahre und echte Liebe? Sind wir überhaupt dafür gemacht, unser Leben mit nur einem einzigen Menschen zu verbringen? Oder laufen wir einem Mythos hinterher, einer Idee, die von Menschen geschaffen wurde, damit die Gesellschaft nicht im Chaos versinkt? Ingelore Ebberfeld sagt: Ja, genau das ist der Fall. Was wir Liebe nennen, ist nur eine gesellschaftliche Konvention. Wir sind nicht darauf programmiert, bis ans Lebensende mit nur einer Person zusammen zu sein oder gar glücklich zu werden. Zur eigentlichen Natur des Menschen gehört nicht die Dauermonogamie, wie Expertin Ebberfeld behauptet. Für ihre provokante These führt sie zahlreiches und vor allem stichhaltiges Beweismaterial aus Biologie, Geschichte und Ethnologie ins Feld. Was bleibt, ist die Frage: Können oder wollen wir mit der Entzauberung leben? Ähnlich wie bei Dawkins' Gotteswahn werden viele nicht widerspruchslos von der romantischen Liebe Abschied nehmen wollen.

Ingelore Ebberfeld ist Sexualwissenschaftlerin und Dozentin für Kulturwissenschaft. Sie hat bereits zahlreiche Bücher und Artikel zum Thema Sexualität, Gerüche und Anziehungskraft, Kussverhalten und Partnerwahl publiziert. Als Expertin ist sie ein gern gesehener Interviewpartner in Hörfunk und TV. Sie lebt in Bremen.

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Leseprobe

Kapitel 1
Evolution und Co.:
Vorstufe der Liebe


Wer sich auf die Suche nach dem Ursprung der Liebe begibt, muss weit zurückblicken. Sehr weit. Denn das, was wir als Liebe bezeichnen, nahm seinen Anfang, als wir auf diesem Planeten auftauchten und sogar noch davor. Der Blick weit zurück allein genügt aber nicht, es braucht auch eine gehörige Portion Fantasie, ohne die geht es nicht.

Fangen wir an. Am Anfang war eine Ursuppe. Das ist beispielsweise eine Fantasievorstellung, aber dennoch ein brauchbares Denkmodell, da sie sich wissenschaftlich und logisch herleiten lässt. Aus der Ursuppe hat sich alles entwickelt. Es brodelte ziemlich lange, bis sich vor gut 1,6 Milliarden Jahren die ersten komplexen Zellen formierten. Wie und wodurch dieser Schöpfungsprozess in Gang kam? Keine Ahnung, aber die Umstände müssen günstig gewesen sein und irgendwie müssen diese Zellen Lust an Veränderung gehabt und sich irgendwann zu noch komplexeren Zellen zusammengetan haben. Aus Liebe? Kann sein, denn sie fanden sich wohl irgendwie gut und irgendetwas zog sie gegenseitig an.

Der nächste große evolutionäre Sprung erfolgte vor etwa 540Millionen Jahren. Es traten die ersten komplexen Tierkörper auf. Sie bestanden aus etwa einer Milliarde Zellen. Das größte Tier auf dem Planeten war der Trilobit, ein hartschaliger Arthropode oder Gliederfüßer. Zunächst nur einige Millimeter, wurde er rasch, also in Tausenden von Jahren, größer und erreichte mit der Zeit die Größe einer Maus. 290 Millionen Jahre lang bevölkerten die Trilobiten die Erde und bestimmten maßgeblich das Leben in den Ozeanen. Dann starb diese Klasse der Lebewesen aus, warum, weiß kein Mensch. 15 000 verschiedene Exemplare dieser Art wurden bislang als Fossilien entdeckt, einer von ihnen misst ganze 70 Zentimeter.10

Wie haben sich die Trilobiten vermehrt, folgten sie einem bestimmten Liebesrhythmus, gab es ein Liebesspiel zwischen den Geschlechtern? Selbst Trilobitenexperten können nur Vermutungen anstellen. Da sie eine krebsähnliche Art sind, wäre eine Abgabe von Eiern und Sperma ins freie Wasser ebenso möglich wie Begattungsorgane und damit Körperkontakt zwischen Männchen und Weibchen. Selbst aktive Brutpflege könnte möglich gewesen sein. Wie dem auch sei, es bleiben große Fragezeichen. Nur eines ist gewiss: Herr und Frau Trilobit hatten ein Stelldichein, gleichgültig ob mit oder ohne Berührung. Etwas zog sie zueinander hin, sie hatten den Drang sich zu vermehren. Außerdem trafen sie geschickte Vorkehrungen, damit die Nachkommen überlebten.

Um es klar zu sagen: Das ist der Stoff, aus dem wir sind, dort liegen unsere genetischen Wurzeln. Erst die Ursuppe, dann Zellformationen, der Trilobit, und dann ging es weiter und weiter und weiter … Und eines ist sicher: Je weiter wir zurückgehen, desto sicherer landen wir auf der Stufe der allerkleinsten, millimetergroßen Trilobiten und irgendwelcher Nachbargeschöpfe. Diese Wesen haben sich in irgendeiner Form gepaart, also auf ganz primitiver Weise »Liebe gemacht«. Dadurch wurden ihre Gene weitergegeben und weitergegeben und weitergegeben … Und am Ende waren auch wir da, die wir auf ein System der »Liebesanziehung« zurückgreifen, das in der Ursuppe seinen Anfang nahm.

Woher wir kommen

Die allermeisten Forscher sehen das natürlich anders und setzen die Menschwerdung und alles, was damit zusammenhängt, erst an, wo die Hominiden ins Spiel kommen, die Vorfahren der Menschenaffen und Menschen. Beleg für ihre Existenz sind Hunderte fossiler Funde, Zähne und Knochen. Man fand sie in Ostafrika und Eurasien. Ihr Alter wird zwischen 23 und 14 Millionen Jahre geschätzt. Wie die Knochen aussehen, ihre Art, ihre Merkmale, all das lässt auf menschenaffen- und menschenähnliche Geschöpfe schließen.11 Von ihnen stammen wir mehr oder weniger ab. Aus einem Zweig, den die Wissenschaft als Menschenaffen bezeichnet. Dazu gehören Gibbon, Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse und Mensch. Unser engster Verwandter, der Schimpanse, hat mit seinem Kumpel, dem Gorilla, weit weniger gemein als mit uns. Das ist kaum vorstellbar, aber Genetiker schwören, es stimme.

Was man ebenso beschwören kann: Menschenaffen nehmen Körperkontakt auf, um die nächste Generation hervorzubringen. Ein ausgeklügeltes Paarungsverhalten zwingt sie, auf das andere Geschlecht zuzugehen und sich mit ihm geschlechtlich einzulassen. Es ist durch ihre Gene vorgegeben. Bestimmte Gerüche, ein bestimmtes Aussehen und Verhalten signalisieren: »Ich bin für die Liebe wie geschaffen, komm auf mich zu, sprich mich an!«

Die Wiege des Menschen ist, da sind sich nicht nur alle Evolutionswissenschaftler einig: Afrika. Hier sollen 20 oder mehr Hominidenarten in den vergangenen 5 Millionen Jahren entstanden sein. Und mehrere Menschenarten sollen dort gleichzeitig gelebt haben. Erst seit ungefähr 25000 bis 20000 Jahren ist alles ein wenig anders. Seither gibt es nur noch eine Menschenart: den Homo sapiens. Uns.

Zu den ältesten und uns am ähnlichsten Lebewesen gehört Lucy (Australopithecus afarensis). Man fand sie natürlich in Afrika, dort, wo sich heute das äthiopische Afar-Tiefland befindet. Lucy erscheint uns schon wegen ihres Namens ein wenig menschlich. Er geht auf den Beatles-Song »Lucy in the sky with diamonds« zurück. Forscher fanden etwa 40 Prozent ihres Skeletts. Ihre Knochen verraten einiges: Lucy lebte vor mehr als 3,8 bis 3,5 Millionen Jahren, sie war circa 90 Zentimeter groß, hatte eine affenartige Haltung und ging auf zwei Beinen, hat sich dabei aber möglicherweise auf ihren Knöcheln abgestützt, sicher sind sich die Wissenschaftler da nicht. Auch nicht, ob ihre langen Fingerknochen eindeutig auf ein Hangeln in den Bäumen hindeuten. Ihr Gehirn, nun ja, es war nur etwa 400 bis 500 Kubikzentimeter groß. Zum Vergleich: Ein Schimpansenhirn oder das eines Gorillas hat die gleiche Größe, das unsrige hat durchschnittlich rund 1350 Kubikzentimeter.12

Lucy war also nicht besonders schlau, denn Schlauheit hat auch etwas mit der Größe des Gehirns zu tun, behaupten Hirnforscher. Aber wie man weiß, können manche Tiere mit kleinen Hirnen ziemlich schlau sein, schlauer, als man bislang angenommen hat. Betty etwa, eine Krähe, die in einem Universitätslabor in Oxford lebt. Sie kann »um die Ecke denken«. Um an ihre geliebte Butter zu kommen, löst sie logische Aufgaben oder benutzt auch schon einmal einen dünnen Metallstab. Den »Draht« hatte Betty zum Erstaunen der Labormänner zufällig auf dem Fußboden erspäht, aufgepickt und exakt zurechtgebogen.

Ein ebensolcher Schlaumeier war Alex, ein Graupapagei. Er plapperte seinem Frauchen an der Harvard University ungefähr hundert Worte nach, erfasste deren Sinn, konnte bis 6 zählen, Farben unterscheiden und richtig auf die Frage antworten: Wie viele blaue Schlüssel sind das? Wobei nicht nur drei blaue Schlüssel vor seinem Schnabel hin und her gewedelt wurden, sondern außerdem zwei rote. Die beiden superschlauen Vögel haben sehr viel kleinere Gehirne als der Mensch, das steht fest. Ebenso fest steht: Ihre Hirnleistungen sind ganz erstaunlich.

Erste Anzeichen der Liebe

Was war mit Lucys Schimpansengehirn? Nun ja, vielleicht waren sie und ihre Truppe auf dem Niveau von Betty oder Alex, ausgeschlossen ist das keinesfalls. Hingegen wissen wir: Sie hat von sich niemals Skulpturen hergestellt oder gekocht. Ihren Säugling aber hat Lucy wie eine Schimpansenmutter behütet. Und um sicher überleben zu können, war sie ein Hordenwesen.

Die letzten »Fakten« sind sehr wahrscheinliche Annahmen, ganz genau weiß man es natürlich nicht. Nur eines: Lucy ging sorgsam mit ihren Nachkommen um, hat sie mit Milch genährt, bis zu einem gewissen Zeitpunkt großgezogen und ihnen einige lebensnotwendige Dinge vermittelt. Das war ein guter Start für Lucys Kinder, um zu überleben. Anders kann es nicht gewesen sein. So sind alle Säugetiere veranlagt, und Lucy war ein Säugetier. Beim Menschen, ebenfalls ein Säugetier, ist es genauso, nur ist hier von Mutterliebe die Rede. Hier deutet sich schon an: Ein und dasselbe ist nicht unbedingt dasselbe. Was bei uns mit Liebe, nämlich mit Mutterliebe umschrieben wird, heißt in der Tierwelt Instinktverhalten oder Brutpflege.

Nach Lucy tauchte Twiggy auf. Zwischen den beiden befindet sich natürlich eine riesige evolutionäre Spanne, in der ordentlich etwas los war. Das alles lassen wir beiseite. Twiggy zählt zu einer Art, die als »geschickter Mensch« (Homo habilis) bezeichnet wird. Ihre Überreste wurden zusammen mit denen von Georg und Cindy am Ostufer eines Sees in der Olduvai-Schlucht gefunden, also Ostafrika, da wo sich heutzutage der Serengeti-Nationalpark befindet. Twiggy und ihre Verwandten sollen vor rund 1,9 Millionen Jahren gestorben sein. Sie waren schon erheblich größer und ihre Gehirne hatten ebenfalls an Volumen zugenommen. Das entscheidende: Sie beherrschten bereits den aufrechten Gang. Twiggy sammelte Früchte und andere essbare Dinge. Sie trug nach Ansicht von Forschern ihr Kind am Leib umher und bildete mit dem Vater des Kindes eine Einheit, also eine Familie. Der Vater beschützte Frau und Kind und sorgte für Fleisch.13 Diese Dreierkonstellation, um es unmissverständlich zu sagen, ist eine Vermutung. Es gäbe mögliche andere Erklärungen, Gruppenehe, Gruppenerziehung, wer weiß.

Was uns interessiert:...

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