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Der Vertragsschluss und das Widerrufsrecht im Rahmen von Internet-Auktionen

Unter Berücksichtigung der Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 97/7/EG) und des Ricardo.de-Urteils

AutorMurat Can Atakan
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783739267661
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,99 EUR
Im deutschen Recht gibt es bezüglich der Einstufung von Online-Auktionen sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur durch die Ausführung der Fernabsatz-Richtlinie und der auch schon vorher fehlenden Definition einer Auktion im europäischen Recht große Uneinigkeiten. So hat die deutsche Rechtsprechung durch das ricardo.de-Urteil eine deutliche Richtung vorgegeben und klargestellt, dass ohne Zuschlag kein Vertragsschluss gemäß § 156 BGB vorliegt, sondern nach den allgemeinen Bestimmungen der § 145 ff. BGB zustande kommt und es sich beim Einstellen einer Versteigerung um eine auf Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung und nicht um eine bloße invitatio ad offerendum handelt. Stand die Frage noch offen, ob laut BGH das Einstellen der Versteigerung als eine vorweggenommene Annahme oder ein Antrag zu qualifizieren ist.

Murat Can Atakan wurde am 01.01.1988 in der Türkei geboren. Er hat mit einem Vollstipendium an der privaten Kadir Has Universität in Istanbul, die jährlich fünf Stipendiaten mit 100%iger Förderung aufnimmt, studiert. Nach dem absolvierten Studium hat er sein Referendariat in Istanbul gemacht, im Jahr 2012 in Deutschland sein Aufbaustudium angefangen und in 2013 den LL.M.-Abschluss erhalten. Anschließend hat er im Januar 2014 sein Promotionsstudium an der Georg-August-Universität Göttingen begonnen.

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Leseprobe

TEIL 1 – GRUNDLAGEN ZUR INTERNET-AUKTION


Es gibt viele verschiedene Formen von Versteigerungen im Internet. So gibt es Unterschiede bezüglich des Ablaufs, der Form der Preisbildung, der an der Versteigerung beteiligten Personen und den Bedingungen, unter denen ein Zuschlag erfolgt.

A. Herkömmliche Auktionsmethoden


I. Aufwärtsversteigerungen


Bis zum heutigen Zeitpunkt gibt es keine Legaldefinition für den Begriff der Versteigerung. Daher muss auf in der Literatur und Rechtsprechung entwickelte Definitionen ausgewichen werden.1 Die Aufwärtsversteigerung ist die gängigste Versteigerungsform im Internet. 2 Grundsätzlich versteht man unter einer Aufwärtsversteigerung, dass die Bieter bei der Aufwärtsversteigerung sich übertreffende Gebote bis zum Ablauf der Auktionszeit abgeben. Der Höchstbietende erwirbt die Ware zu dem Preis seines letzten Gebotes.3 Zusätzlich wird in einem Teil der Literatur eine örtliche und zeitliche Begrenzung der Veranstaltung als notwendig angesehen. Manche der Autoren haben die Ansicht, dass die an der Versteigerung beteiligten Personen grundsätzlich vor Ort anwesend sein müssen.4 Andererseits gibt es die Meinung, dass diese Einschränkung nicht sinnvoll ist.5 Die körperliche Anwesenheit der Bieter gehöre nicht zu den prägenden Merkmalen der Auktion.6 In der Rechtsprechung ist man sich in Bezug auf die Notwendigkeit der Anwesenheit ebenfalls uneins.7 Der Teil der Literatur und Rechtsprechung, der die örtliche und zeitliche Einschränkung unterstützt, erkennt Internetauktionen nicht als Versteigerungen an. Die Gegner der Einschränkung kommen meist zum entgegengesetzten Ergebnis.8

Es gibt zwei verschiedene Formen der Aufwärtsversteigerung im Internet: die Langezeit-Auktion und die Live-Auktion.

1. Langzeit-Auktion


Die Langzeit-Auktion ist die häufigste Auktionsform im Internet9. Bei eine solchen Veranstaltung wird eine Ware auf einer Webseite angeboten. Speicherplatz und Softwarelösung zur Erstellung der Angebotsseite werden durch den Betreiber der Auktionsplattform zur Verfügung gestellt. Der Anbieter setzt sowohl die Angebotsbeschreibung als auch den Mindestgebotspreis fest. 10 Gleichzeitig wird ein Zeitraum festgelegt, in dem Anbieter ihr Gebot abgeben können.11 Die Zeit, in der Gebote abgegeben werden können ist bei Nonstop-Auktionen beschränkt12 und variiert normalerweise zwischen einigen Stunden und mehreren Wochen.13 Das Ende der Auktion ist daher auf die Sekunde genau festgelegt. Bei Zeitablauf gewinnt der Höchstbietende, unabhängig von der Bereitschaft anderer Bieter, einen noch höheren Preis zu zahlen, die Auktion.14 Bei einer Langzeit-Auktion gibt es keinen klassischen Zuschlag und keinen klassischen Auktionator, der den Bietern gegenübersteht und die Auktion leitet und moderiert. Zur Abgrenzung von Modellen, die näher am klassischen Modell der Auktion sind, wird dieser Typus teilweise als Verkauf gegen Höchstgebot bezeichnet.15

2. Live-Auktionen


Die Live-Auktion kann als Aufwärtsversteigerung und als Abwärtsversteigerung benutzt werden.16 Das Angebot wird zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Internetseite veröffentlicht und im Anschluss daran über das Internet versteigert.17 Der in Echtzeit verlaufende Versteigerungsprozess ist normalerweise auf Minuten oder Stunden begrenzt.18 Bei dieser Art der Versteigerung melden sich die Bieter auf dem Versteigerungsserver an. Die Beschreibung des zu versteigernden Gegenstandes befindet sich auf der Internetseite des jeweiligen Versteigerers. Der Bieter kann über ein Fenster den Verlauf der Versteigerung in Echtzeit verfolgen. Wenn er für ein Produkt bieten möchte, klickt er auf einen Knopf, der sich ebenfalls auf der Seite befindet. Das entsprechende Gebot erscheint dann umgehend auf der Internetseite.19 Beginnend mit einem vom Verkäufer bestimmten Mindestpreis, überbieten sich die Kaufinteressenten so weit, bis keine Übergebote mehr abgegeben werden. Der zuletzt bietende Kaufinteressent gewinnt die Auktion.20 Dieser Modus unterscheidet sich von der klassischen Auktion nur dahingehend, dass die Bieter nicht mit dem Auktionator an einem Ort, dem Versteigerungslokal, versammelt sein müssen. Daher erfolgt die notwendige Kommunikation ausschließlich per Internet.21

II. Abwärtsversteigerungen (Rückwärtsauktionen)


Eine andere Erscheinungsform ist die Abwärtsauktion bzw. Rückwärtsauktion. 22 Abwärtsversteigerungen werden auch Holländische Auktionen 23 oder umgekehrte Versteigerungen 24 genannt. Bei der Abwärtsversteigerung ruft der Versteigerer ein Los zu einem Maximalpreis aus.25 Dieser Preis sinkt, anstatt zu steigen.26 Der Angebotspreis fällt kontinuierlich in vorher festgelegten Zeitabständen27 bis das erste Gebot ergeht und jenes erste Gebot den Zuschlag erhält.28 Falls bis dahin kein Bieter ein Gebot abgibt, wird die Versteigerung dieses Produktes abgebrochen.29

Der Ablauf der Online-Abwärtsversteigerung unterscheidet sich nicht wesentlich von dem der klassischen Form. Dieses Prinzip lässt sich sowohl mit dem Prinzip der Live-Auktionen als auch mit dem der Langzeit-Auktionen kombinieren.30 Die Teilnehmer müssen sich in der Regel zuvor beim Veranstalter registrieren lassen, damit sie sich unmittelbar vor Beginn einer Auktion auf der Webseite des Veranstalters einloggen können. Wenn die Versteigerung beginnt, kann der Teilnehmer durch Anklicken eines „Bieten-Buttons“ den angebotenen Artikel erwerben. Aufgrund einer flexiblen Länge des Intervalls, nach der eine Reduzierung des Preises stattfindet, können Abwärtsversteigerungen im Internet unterschiedlich lange andauern. Anders als bei einer Abwärtsversteigerung im Auktionssaal ist es darum möglich, dass sich eine Online-Veranstaltung über mehrere Tage oder Wochen hinzieht.31

III. Kombination von Abwärts- und Aufwärtsversteigerungen


Möglich ist auch eine in den USA gängige Versteigerungsform, die Elemente von Abwärts- und Aufwärtsversteigerung kombiniert.32 Bei einer solchen Versteigerung beginnt der Versteigerer mit einem Ausruf zu einem höchsten Preis und dieser Preis kann theoretisch bis auf null sinken. Im Anschluss daran geht die Versteigerung in eine Aufwärtsversteigerung über. Wegen der Komplexität des Hergangs, ist diese Form der Versteigerung im Internet nicht anzutreffen. Häufig beginnt die Aufwärtsversteigerung bei null, da während der Durchführung der Abwärtsversteigerung zumeist kein Gebot erfolgt.33

1 Rother, Internet-Versteigerungen, S.24.

2 Lunk, Internet-Auktionen, S.15.

3 Striepling, Verbraucherschutz bei Online-Auktionen, S.5.

4 Bund-Länder-Ausschuss „Gewerberecht“, GewArch 1997, 60 und GewArch 2000, 49.

5 Hösch, in:Leible/Sosnitza (Hrsg.), Versteigerung im Internet, Rn.64, 65; Ernst in:Spindler/Wiebe (Hrsg.), Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, Kap.2 Rz.8.

6 Friauf/Höfling, §34b Rz. 11d.

7 Für örtliche Begrenzung u.a. LG Wiesbaden, NJW-CoR 2000, 171, KG; NJW 2001, 3272; dagegen: LG Hamburg, MMR 1999, 678.

8 Rother, Internet-Versteigerungen, S.25.

9 z.B. bei eBay.de.

10 Krüger/Biehler, in:Martinek/ Semler/ Habermeier/ Flohr (Hrsg.), Kap.7, §33, Rn.57

11 Goldmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für Internet-Auktionen, S.6.

12 Gurmann, Internet-Auktionen, S.17.

13 Ausnahme ist „Sofort-Kauf Option“. Siehe dafür schon unten Teil 1 B. II..

14 Lunk, Internet-Auktionen, S.16.

15 Goldmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für Internet-Auktionen, S.7.

16 Lunk, Internet-Auktionen, S.18.

17 Goldmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für Internet-Auktionen, S.6.

18 Gurmann, Internet-Auktionen, S.16.

19 Beckmann, Versteigerungen im Internet, S.18.

20 Lunk, Internet-Auktionen, S.18.

21 Goldmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für Internet-Auktionen, S.6.

22 Gülpen, Verbraucherschutz im Rahmen von Online-Auktionen, S.38.

23 Mankowski in:Spindler/Wiebe (Hrsg.), Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, Kap.11 Rz.66; Gurmann, Internet-Auktionen, S.13: „Den Namen der Holländischen Auktion haben Blumenauktionen in den Niederlanden geprägt. In Holland als einer der größten Handelsplätze für Blumen wird traditionell das Modell der linearen Preissenkung zur Preisfindung angewandt, deren unbestrittener Vorteil darin liegt, dass verschiedene Warenkontingente zu unterschiedlichen Preisen an unterschiedliche Bieter verkauft werden können.“

24 Ernst in:Spindler/Wiebe (Hrsg.), Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, Kap.1 Rz.15.

25 Beckmann, Versteigerungen im Internet, S.12.

26 Ernst in:Spindler/Wiebe (Hrsg.),...

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