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Der Wahlrechtsausschluss

Analytische Darstellung unter besonderer Berücksichtigung der Wahlrechtsnovelle 2011

AutorTheresa Adamek
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl187 Seiten
ISBN9783656850502
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Jura - Sonstiges, Note: Gut, Universität Wien, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Dissertation wird der Inhalt des aktiven und passiven Wahlrechtes rechtsdogamtisch untersucht und die Bedeutung der genannten politischen Grundrechte innerhalb einer demokratischen Gesellschaft aufgezeigt. Ein umfassender Überblick über diese komplexe Materie wird vor allem durch eine grundrechtliche Analyse, sowie die Aufbereitung einschlägiger Judikatur des EGMR gegeben. Innerhalb der unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Beschränkung des Wahlrechtes vorzunehmen, nimmt der Wahlrechtsausschluss einen besonderen Stellenwert ein. Insbesondere der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht, welcher durch die am 1. Oktober 2011 in Kraft getretene Wahlrechtsnovelle 2011 eine grundlegende Änderung erfahren hat, steht dabei im Fokus der Arbeit. Neben einer eingehenden Gegenüberstellung der Neuerungen betreffend das aktive Wahlrecht mit der alten Rechtslage, erfolgt zusätzlich auch ein Vergleich der dadurch gewonnenen Ergebnisse mit den Gründen für einen Ausschluss vom passiven Wahlrecht. Die Neugestaltung der gesetzlichen Grundlage des Wahlrechtsausschlusses wird schließlich auf die Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des B-VG und den völkerrechtlichen Vorgaben der EMRK überprüft, zugleich werden mögliche Problemstellungen dargelegt und etwaige Lösungsvorschläge für eine zukünftig bessere Gestaltung im Rahmen rechtspolitischer oder rechtsphilosophischer Überlegungen herausgearbeitet.

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Leseprobe

2. Kapitel: HISTORISCHE ENTWICKLUNG


 

I. Allgemeines


 

Eine Analyse des parlamentarischen Wahlrechtes in Österreich lässt erste tiefgreifende Entwicklungen bereits zu Beginn der konstitutionellen Monarchie erkennen. Im Laufe der Jahrhunderte haben sodann viele Ausweitungen und Einschränkungen stattgefunden. Das Wahlrecht war im ständigen Wandel. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt auf dem Grundsatz des allgemeinen aktiven Wahlrechtes, insbesondere seinen früheren Beschränkungen, nämlich den Voraussetzungen und den Wahlausschließungsgründen. Einzelheiten zur Modifikation des passiven Wahlrechtes, die detailgetreue Darstellung betreffend die Stände, Wählerklassen und Steuerleistungen, sowie die laufenden Änderungen der anderen Wahlrechtsgrundsätze sind nicht Gegenstand dieser Abhandlung.

 

II. Der Beginn einer konstitutionellen Monarchie


 

In der ersten frühkonstitutionellen Verfassung, der Pillersdorf’schen Verfassung[13] vom 25. April 1848, die allerdings nie voll in Geltung trat, waren Frauen nicht zur Wahl zugelassen. Ein expliziter Ausschluss war zusätzlich für alle Tage- und Wochenlöhner, sowie Dienstleute vorgesehen, als auch für Personen, die öffentliche Armenfürsorge bezogen.

 

Dieses Klassenwahlrecht sollte dem Proletariat eine Teilnahme an der politischen Willensbildung unmöglich machen und das besitzende Bürgertum begünstigen. Arbeiter und Abhängige waren zur Teilnahme an der Wahl praktisch nicht berechtigt. Das aktive Wahlrecht setzte ein Mindestalter von über 24 Jahren voraus, das passive erforderte mehr als 30 Lebensjahre.[14] Nach heftigem Widerspruch wurden am 30. Mai 1848 und am 10. Juni 1848 Wahlordnungsnovellen erlassen, sodass nur noch von öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten Unterstützte vom Wahlrecht ausgeschlossen blieben, selbstständige Arbeiter hingegen nunmehr wählen durften. Das passive Wahlalter wurde auf 24 Jahre gesenkt.[15]

 

Die oktroyierte Märzverfassung[16] vom 4. März 1849, eine konstitutionelle Verfassung weiterhin aufbauend auf dem monarchischen Prinzip, erkannte das Wahlrecht nur jenen Männern zu, die zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen mit ihrer Steuerleistung einen bestimmten Steuerzensus erreichten.[17] Sie gewährte das aktive Wahlrecht ab dem 24. Lebensjahr und das passive für bestimmte Reichsbürger über 30 bzw 40 Jahre.[18] Die oktroyierte Märzverfassung wurde jedoch nie, gleichsam wie der Kremsierer Entwurf von 1848/49, auf dem sie größtenteils beruht, der aber ein wenig liberaler gestaltet war und das passive Wahlrecht beispielsweise bereits für über 28-Jährige vorsah, in die Wirklichkeit umgesetzt.[19]

 

Neuordnungen der staatlichen Verhältnisse hatten den Übergang zum Neoabsolutismus zur Folge. Durch drei kaiserliche Patente, die Sylvesterpatente[20] vom 31. Dezember 1851, wurde die oktroyierte Märzverfassung aufgehoben. Da dem Staat somit die Verfassung entzogen worden war, war Österreich nunmehr als absolute Monarchie zu qualifizieren. Dies bedeutete die Ausschaltung sämtlicher demokratischer Elemente und die Vereinigung aller Macht beim Monarchen.[21]

 

Die Errichtung einer konstitutionellen Monarchie erfolgte schrittweise. Die Politik erwies sich als zunehmend offen gegenüber den Forderungen einer Demokratie und so wurden mehrere verfassungsrechtliche Regelungen erlassen, welche unterschiedliche Bedeutung, Reichweite und Geltung, sowohl inhaltlich als auch zeitlich, aufwiesen.[22]

 

Nach acht Jahren absoluter Regierung erließ der Kaiser zunächst das Oktoberdiplom[23] vom 20. Oktober 1860, welches keine konstitutionelle Verfassung darstellte, sondern lediglich gewisse Prinzipien festlegte und dabei weiterhin am monarchischen Absolutismus festhielt.[24]

 

Das Februarpatent[25] vom 26. Februar 1861 stellte ein Mantelgesetz dar, das mehrere Verfassungsgesetze, die es in Kraft setzte, umschloss, welche wiederum in ihrer Gesamtheit die Februarverfassung bildeten. Bestandteil dieser konstitutionellen Verfassung formte unter anderem das Grundgesetz über die Reichsvertretung.[26] Das Februarpatent sah eine Wahl nach vier Kurien, also Wählerklassen, vor.[27] Frauen war es dadurch möglich, sofern sie die Voraussetzungen der Wählerklasse der Großgrundbesitzerinnen erfüllten, ihr Wahlrecht in dieser Kurie auszuüben.[28]

 

Eine Sistierung der Wirksamkeit des Grundgesetzes über die Reichsvertretung resultierte aus dem Sistierungspatent[29] vom 20. September 1865.[30]

 

III. Epoche der österreichisch-ungarischen Monarchie


 

Nach dem Ausgleich mit Ungarn im Jahre 1867 und der verfassungsrechtlichen Neugestaltung des dualistischen Staates war die Zeit des Neoabsolutismus letztlich beendet. Als Grundlage für die österreichische Reichshälfte bestand bis zum Ende der Monarchie im Jahre 1918 die Dezemberverfassung[31] vom 21. Dezember 1867. Sie umfasste insgesamt sieben Verfassungsgesetze bzw Staatsgrundgesetze.[32] Erwähnenswert ist dabei unter anderem das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger.[33]

 

Die wahlrechtlichen Regelungen entsprachen vorerst jenen aus dem Februarpatent. Im Laufe der Jahre folgten diverse Reformen. Wesentlich ist vor allem die Reichsratswahlordnung[34] vom 2. April 1873. Sie sah weiterhin ein Vierkurienwahlsystem vor und hielt an den bestehenden Vorschriften über den Steuerzensus fest.[35] Der Ausschluss vom Wahlrecht und der Wählbarkeit betraf gemäß § 20 RGBl 1873/41 jene Staatsbürger, die Armenversorgung aus öffentlichen Mitteln oder Gemeindemitteln beanspruchten, unter Vormundschaft oder Kuratel standen oder in ein Konkursverfahren involviert waren.

 

Betreffend die strafrechtlichen Aspekte hatten unerlaubte Handlungen, welche als Verbrechen zu qualifizieren waren, jedenfalls den Wahlrechtsausschluss zur Folge. Hinsichtlich des minderen Falles der Vergehen und Übertretungen waren nur wegen Betruges, Veruntreuung und Diebstahles Verurteilte ausgeschlossen.

 

Eine Zulassung zur Wahl war bei Übertretungen erst nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende der Strafe wieder möglich, bei Verbrechen grundsätzlich nach fünf Jahren. Verbrechen mit einer mehr als fünfjährigen Strafe bedurften des Ablaufes von zehn Jahren nach Verbüßung der Strafe.[36] Straftäter, die bestimmte Verbrechen begangen hatten, die einen Zusammenhang zur Politik aufwiesen, waren insofern privilegiert, als mit dem Ende der Strafe gleichzeitig auch der Ausschluss von Wahlen beendet war. Diese Privilegierung galt beispielsweise bei einer Verurteilung wegen Hochverrates, Aufstandes, Widerstandes gegen die öffentliche Ruhe, Aufruhr oder Gewalttätigkeit gegen Amtspersonen.[37] Die aktive Wahlberechtigung bestand ab 24 Jahren, die passive ab 30 Jahren.[38]

 

1873 gab es erstmals eine Bescheinigung der Wahlberechtigung, indem eine entsprechende Eintragung von den administrativen Behörden in Wählerlisten erfolgte. Diese wurden vor jeder Wahl neu angefertigt. Bei unrechtmäßiger Aufnahme einer nicht zur Wahl berechtigten Person oder bei rechtswidriger Unterlassung der Aufnahme einer wahlberechtigten Person, bestand die Möglichkeit, ein Reklamationsrecht auszuüben. Daraus resultierte eine grundlegende Manifestation der Qualifikation des aktiven Wahlrechtes als Grundrecht, da durch das Einspruchsrecht die individuelle Durchsetzbarkeit wesentlich verdeutlicht wurde.[39]

 

Die Taaffe’sche Wahlrechtsreform[40] bewirkte eine Senkung des Steuerzensus.[41] Durch die Badeni’sche Wahlrechtsreform[42] wurde eine fünfte Kurie eingeführt, welche ein allgemeines Wahlrecht der Männer zum Inhalt hatte. In dieser fünften Wählerklasse waren alle männlichen Staatsbürger wahlberechtigt und zwar auch jene, die ohnehin bereits in einer anderen Klasse wählten. Außerdem wurde eine erneute Senkung des Steuerzensus erwirkt.[43] Die Ausschließungsgründe wurden unter anderem dahingehend erweitert, dass gemäß § 20a RGBl 1896/169 auch die sich in aktiver Dienstleistung befindlichen Offiziere, Militärgeistliche und Angehörige der bewaffneten Macht nicht zur Wahl berechtigt waren.[44]

 

Doch erst die Beck’sche Wahlrechtsreform[45] war schließlich von besonderer Bedeutung. Durch sie wurden im Jahre 1907 ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht der Männer eingeführt und das Kurienwahlsystem, sowie das Zensussystem, gänzlich beseitigt. Frauen, die bisweilen in einer Wählerklasse wählen durften, sofern sie die erforderlichen Voraussetzungen vorweisen konnten, blieb das Recht zu...

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