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Der Wald als Ort in der Erlebnispädagogik. Vorteile für die Entwicklung des Kindes

AutorAlexandra Ludwig-Macke
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl63 Seiten
ISBN9783656702382
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Akademische Arbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Pädagogik - Allgemein, Note: 1,0, Universität Lüneburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Die große historische und gegenwärtige Bedeutung des Waldes für den Menschen, sein Bildungsgehalt, aber auch das wachsende Interesse am Wald seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Auftreten erster Anzeichen von Neuartigen Waldschäden, haben am Ende des 20. Jahrhunderts zum Entstehen einer eigenen Pädagogik geführt, der Waldpädagogik. Erste Ursprünge heutiger Waldpädagogik gehen auf das 19. Jahrhundert zurück, als sich in Frankreich, Italien und Deutschland die mittleren und unteren sozialen Schichten von Stadt- und Vorstadtbewohnern im Wald von der schweren körperlichen Industriearbeit erholten. Neben Natur- und Heimatschutzvereinen entstanden zur Zeit der Reformpädagogik Bewegungen wie der Wandervogel, die Naturfreunde oder die Landerziehungsheime. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde dann beobachtet, dass der Schulbesuch für schwächliche Kinder und Kinder in der Rekonvaleszenz nicht gesundheitsfördernd sei. Zudem wurde festgestellt, dass die Schule mit ihrer verbrauchten Luft in den Klassenzimmern, oft ungenügendem Licht und der Forderung nach langem Stillsitzen in unangepassten Bänken der Gesundheit zusätzlich schaden kann, wenn nicht Aus-gleichsmöglichkeiten geboten werden. Als eine solche Ausgleichsmöglichkeit ent-stand 1904 die erste Waldschule in Charlottenburg. Mit ihr nimmt die Waldschul-bewegung ihren Anfang. Diese Idee fand schnell Nachahmer. In den darauffolgenden Jahren entstanden in Mönchengladbach, Kassel, Lübeck und Dortmund weitere Waldschulen. 1929 schlossen sich die Vertreter aller Wald- und Freiluftschulen in Deutschland zur 'Vereinigung deutscher Freiluft- und Waldschulen' als Arbeitsgemeinschaft des 'Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege' zusammen. Hier war man um den Ausbau weiterer Waldschulen als auch pädagogischer Aufgaben bemüht. Bereits 1930 umfasste diese Vereinigung 70 Waldschulen. Die ersten Waldschulen glichen eher Sanatorien und Erholungsstätten. Für vier Wochen bis sechs Monate wurde für Klassen aller Schularten der Unterricht im Grüngürtel der Städte oder im nahe gelegenen Wald in geeigneten Räumen durchgeführt.

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Leseprobe

3 Zur Erlebnispädagogik


 

Der Begriff „Erlebnis“ hat in letzter Zeit in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft Karriere gemacht. Auf dem wirtschaftlichen Gebiet sind Begriffe wie Erlebnisparks, Erlebnisreisen und Erlebnishotels zu nennen, aber auch im wissenschaftlichen Bezug sind Ausdrücke wie Erlebnisgesellschaft, Erlebnispädagogik oder Erlebnis-therapie präsent.[33] Der Begriff „Erlebnis“ und seine vielfältigen Erscheinungsformen sind nicht mehr wegzudenken. Aus diesem Grunde scheint zu Beginn eine nähere Auseinandersetzung mit dem Erlebnis sinnvoll.

 

3.1 Das Wesen des Erlebnisses


 

Im Alltag verstehen wir unter einem Erlebnis ein besonderes Ereignis, das betroffen macht, von Einmaligkeit gekennzeichnet ist und nicht zu 100% kalkulierbar ist. [34]

 

Wenn man nun den Begriff „Erleben“ im Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache nachschlägt, erhält man erste Informationen über die Bedeutung des Wortes, welches sich aus der Vorsilbe „er“ und dem Verb „leben“ zusammensetzt. Danach steht die Vorsilbe „er“ für „heraus, hervor“, aber auch „zum Ende hin“. Sie bezeichnet daher das Einsetzen eines Geschehens oder die Erreichung eines Zweckes.[35]

 

Nicke folgert daraus, dass sich das „Erleben“ vom gewöhnlichen Lauf des Lebens abhebt und einen außergewöhnlichen und intensiven Moment bezeichnet, während der Begriff „leben“ weder auf Anfang noch Ende hinweist. So bezeichnet Nicke das „Erleben“ im Gegensatz zu „leben“ als einen abgeschlossenen Prozess.[36]

 

An Nicke anknüpfend erwähnt Ziegenspeck, dass die Vorsilbe „er“ auf innere Verarbeitungs- und Aneignungsprozesse hinweist. Daran ist festzumachen, dass das

 

Leben erst dann verinnerlicht wird, wenn die entsprechende Situation wahrgenommen, verarbeitet und gespeichert wurde. Er sagt weiter, dass viele Erlebnisse zu Erfahrungen führen und auch hier weise die Vorsilbe „er“ darauf hin, dass die Dynamik des Wortes „fahren“ im Sinne der Bewegung innerlich an- und festgehalten wird und als statischer Wert auf Dauer biographisch bedeutsam wird “ [37].

 

Die gemachten Erfahrungen führen dann zu Erkenntnissen. Ziegenspeck resümiert, dass das Erlebnis die Vorstufe der Erfahrung darstellt und diese wiederum Grund-lage für Erkenntnisse ist. Ohne Erlebnis ist also keine Erkenntnis möglich.[38]

 

Der Ursprung der geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den ver-schiedenen Bestandteilen von Erlebnissen findet sich jedoch in der Psychologie, der Wissenschaft, die sich mit dem Erleben und Verhalten von Menschen beschäftigt. Der Lebensphilosoph und Kulturkritiker Wilhelm Dilthey (1833-1911) beschäftigte sich intensiv mit diesem Thema.[39] 1906 erschien Diltheys Werk „Das Erlebnis und die Dichtung“. Mit diesem Werk wurde der Erlebnisbegriff in die Bildungssprache überführt. Dilthey führt hier den Dreischritt von Erlebnis, Ausdruck und Verstehen an, in dem das Erlebnis als Basis für Verstehensprozesse fungiert.[40] Waltraut Neubert, eine akademische Schülerin Prof. Dr. Herman Nohls der Universität Göttingen, erkannte die Bedeutung des Erlebnisses für die Pädagogik, vermisste aber eine vollständige Analyse des Erlebnisbegriffs von Dilthey. So griff sie in ihrer Dissertation „Das Erlebnis in der Pädagogik“ (1930) den Diltheyschen Erlebnisbegriff auf und fasste seine wesentlichen Merkmale aus Diltheys einzelnen Untersuchungen zusammen.[41]

 

Neubert arbeitete sieben wesentliche Momente heraus:

 

1. Das Erlebnis ist für das Individuum unmittelbare Realität. Es wird weder gedacht noch gegeben.

1. Das Erlebnis stellt eine gegliederte Einheit dar. Es ist von anderen Erlebnissen abgrenzbar.

2. Das Erlebnis stellt ein mehrseitiges Spannungsgefüge dar. Es enthält drei Komponenten:

 

den Totalitätscharakter: der wollende, fühlende und vorstellende Mensch (Körper, Geist und Seele) wird vom Erlebnis erfasst. Dabei spielt das Gefühl die Hauptrolle.

 

den Subjekt-Objekt-Bezug: das Erlebnis stellt sowohl einen Bezug zur Umgebung, als auch zur Ichbezogenheit her.

 

Allgemeingültigkeit und Individualität: es gibt Grunderlebnisse, die alle Menschen haben, wie Liebe, Schicksal oder Tod. Die Individualität entsteht durch besondere Züge jedes Erlebnisses, die abhängig sind von Geschlecht, Kultur, Beruf, allgemein von den individuellen Anlagen.

 

3. Das Erlebnis hat historischen Charakter. Die Individualität des Menschen ist nicht von Geburt an gegeben, sondern sie entsteht durch Entwicklung. An dieser Entwicklung sind Erlebnisse maßgeblich beteiligt. Sie wirken bei der Gestaltung und Umgestaltung des festen, individuellen seelischen Zusammenhangs mit. Darüber hinaus schwingt alles bisher Erlebte in den folgenden Erlebnissen mit, d.h. alles Erlebte wird von dem individuellen seelischen Zusammenhang beeinflusst.

4. Das Erlebnis ist entwicklungsfähig. Es ist Ergebnis einer Folge von Seelenzuständen, obwohl es den Menschen scheinbar plötzlich und unerwartet überfällt und bei positiven Erlebnissen Geschenkcharakter hat.

5. Das Erlebnis bewirkt einen Objektivationsdrang, einen Willensimpuls. Durch dieses Wesensmerkmal tritt das Erlebnis hinaus aus dem Subjekt und gewinnt damit seine volle menschliche und wissenschaftliche Bedeutung. Der Mensch antwortet im Erlebnis zuerst auf die Reize durch Empfindungen und Vorstellungen, im Gefühl wertet er, und er bildet Wissensimpulse, die sich in Form des Ausdrucks oder der Handlung entladen.

6. Der Zusammenhang von Leben-Ausdruck-Verstehen ist begründet in der schöpferischen Kraft des Erlebnisses. Durch die Objektivierung des Erlebnisses, sei es durch Sprache, Mimik, Gestik oder Kunst ausgedrückt, können andere Menschen dieses nacherleben und das Wesen des Erlebnisses besser verstehen. [42]

 

Heckmair und Michl definieren das Erlebnis folgendermaßen:

 

„Erlebnis wird als innerer, mentaler Vorgang gesehen, bei dem äußere Reize aufgrund von Wahrnehmung, Vorwissen und Stimmung subjektiv zu einem Eindruck verarbeitet werden.“[43]

 

Sie betonen mit dieser Aussage vor allem die Subjektivität, mit der Reize zu Eindrücken verarbeitet werden. [44]

 

Worin liegt nun der pädagogische Wert von Erlebnissen?

 

Erlebnisse heben sich vom gewöhnlichen Leben ab, sie stellen also etwas Besonderes dar. Die Tatsache, dass Erlebnisse so die Möglichkeit bieten, aus der Alltagswelt herauszutreten, bewertet Balz gerade bei Kindern und Jugendlichen als sehr positiv, da sie sich austoben und Gefühle zeigen können. Er bezeichnet dies als Alltagsflucht. Im Erlebnis, so führt er fort, ist man von einer Tätigkeit vollkommen erfüllt, die Außenwelt wird dabei unwichtig. Csikszentmihalyi hat das lustvolle Erleben während einer Tätigkeit als „flow“ bezeichnet.[45] Er hat nachgewiesen, dass es den Menschen während eines Erlebnisses gut geht und sie sich nach ihrem Tun wohler fühlen als vorher. Nicht zuletzt zeigt ein Erlebnis was jemand kann und damit auch wer man ist. Somit trägt es zur Identitätsbildung, zur Selbsterfahrung und zur Steigerung des individuellen Selbstwertgefühls bei.[46]

 

Wie sich in der obigen Ausführung gezeigt hat, wirken Erlebnisse auf die Bewusstseins- und Persönlichkeitsbildung des Menschen und regen vielfältige Lern-prozesse an. Gerade durch das Gruppenerlebnis können bei den beteiligten Personen neue Sichtweisen der Selbst- und Fremdwahrnehmung entstehen und ein verantwortungsbewusstes Verhalten sich selbst und anderen gegenüber gefördert werden.[47]

 

3.2 Abriss der Geschichte der Erlebnispädagogik


 

Im Rahmen dieser Arbeit und angesichts der Vielzahl historischer Quellen kann hier nur ein Überblick über die Geschichte der Erlebnispädagogik gegeben werden. Ausgehend von einigen Wegbereitern der Erlebnispädagogik werden über die Kulturkritiker und deren Einfluss auf die Reformpädagogik, die vier wichtigsten erlebnispädagogisch orientierten Strömungen der Reformpädagogik dargestellt. Anhand dieser Strömungen, die auch als die Wurzeln der Erlebnispädagogik bezeichnet werden, wird näher auf die besondere Rolle Kurt Hahns eingegangen und die Entwicklung bis nach dem Zweiten Weltkrieg skizziert.

 

Erste Ursprünge der Erlebnispädagogik finden sich sowohl bei Platon (427-347 v. Chr.), dem Vertreter einer ganzheitlichen Erziehung von Körper, Geist und Seele, als auch bei Jean-Jacques Rousseau...

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