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E-Book

Der Weiberaufstand

Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen

AutorChristiane Florin
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783641215774
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Wider die Arroganz der Amtskirche
Als Papst Franziskus im Frühjahr 2016 ankündigte, eine Kommission zu berufen, die die Rolle von Diakoninnen in der Kirchengeschichte untersuchen solle und prüfen solle, ob es dieses Amt heute wieder geben könne, war das Medienecho sehr groß!

Christiane Florin erzählt in ihrem neuen Buch, was Frauen in der Kirche erleben, wenn sie Fragen stellen oder gar Forderungen. Sie deckt auf, was all das vermeintlich rein Innerkirchliche mit einer weltweiten antifeministischen Entwicklung zu tun hat. Denn diejenigen Kleriker und Nicht-Kleriker, die sich so unangepasst wähnen, weil sie bei gleicher Qualifikation Männer bevorzugen, sind global gesehen ziemlich konforme Gestalten. Dieses Buch ist weder ein theologisches noch ein kirchenhistorisches Fachbuch. Es ist eine Streitschrift und ein Streifzug.

Christiane Florin, geboren 1968 ist deutsche Politikwissenschaftlerin und Journalistin.

Sie war von 1993 bis 1996 für die Pressestelle der Vertretung der Europäischen Kommission tätig. Von 1996 an arbeitete sie für die christlich ausgerichtete Wochenzeitung Rheinischer Merkur. Von 2007 bis 2010 leitete sie das Feuilleton des Rheinischen Merkur. Von Dezember 2010 bis 2015 war sie Redaktionsleiterin der Beilage »Christ und Welt« in Teilen der Wochenzeitung »Die Zeit«. Seit Januar 2016 war sie Redakteurin beim Deutschlandfunk für den Bereich »Religion und Gesellschaft« und wechselte im November 2023 in die DLF-Kulturredaktion.

Darüber hinaus ist sie als freie Autorin und Bloggerin tätig. Sie verfasste mehrere Bücher und Beiträge, die u.a. bei Rowohlt (»Warum unsere Studenten so angepasst sind«) und beim Herder-Verlag (mit Eberhard Schockenhoff »Gewissen. Eine Gebrauchsanweisung«). Sie war zuletzt wiederholt Gast zu kirchlichen und christlich-religiösen Themen u.a. beim Presseclub des WDR.

Ihre Kommentare bei Christ & Welt wurden 2014 durch die Fachzeitschrift Medium Magazin gewürdigt. 2023 erhielt Christiane Florin den Walter-Dirks-Preis, der sie für ihre Hintergrundrecherchen im Missbrauchsskandal der Kirchen auszeichnete.

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Leseprobe

Anfang vom Aufstand

Noch gehöre ich nicht zur Kern-Zielgruppe von Fernsehgottesdiensten. Aber am Pfingstmontag 2016 schaue ich mir im Ersten die Übertragung des Pontifikalamtes aus dem Mainzer Dom an. Verabschiedet wird Kardinal Karl Lehmann. 33 Jahre lang war er Bischof von Mainz. Ich habe ihn wenige Tage zuvor für den Deutschlandfunk interviewt. Fast eineinhalb Stunden haben wir miteinander gesprochen, teils mit Mikrofon, teils ohne: über die Päpste von Johannes XXIII. bis Franziskus, über seine Widersacher in der Bischofskonferenz und über die Schwangerenkonfliktberatung.

Ein Thema habe ich für den Schluss des Interviews aufgespart: Wann wird es die erste Bischöfin von Mainz geben? Das frage ich – mit wechselnden Ortsnamen – jeden katholischen Bischof, der mir begegnet.

Wobei: »Fragen« ist das falsche Verb. Quälen kommt der Sache meist näher. Die Interviewpartner rollen beim Wort »Bischöfin« die Augen, jedenfalls schauen sie mich nie direkt an. Kardinal Karl Lehmann schon. Wir kennen uns eine Weile, die Frage dürfte ihn nicht überrascht haben. Er lacht. Er sei schon froh, wenn es irgendwann Diakoninnen gebe, antwortet er. Ist das überhaupt eine Antwort? Eine Jahreszahl nennt er nicht. Stattdessen führt er Frauenquoten für kirchliche Führungspositionen an und die gestiegene Zahl an Theologieprofessorinnen.

Ich versuche es noch einmal: Und die Weihe? Diese Fixierung auf das Amt sei falsch, sagt er. Ich nehme einen letzten Anlauf: »Es wäre gut, wenn Frauen genauso amtsfixiert sein dürften wie Männer. Und wenn sie dieselben Fehler machen dürften wie Männer.« Wir hatten kurz zuvor über seinen einstigen Nachbarn Franz-Peter Tebartz-van Elst gesprochen. Lehmann lacht wieder. Nachhaken zwecklos. Das Interview ist zu Ende. Ein paar Tage später wird Papst Franziskus ankündigen, dass er eine Kommission plant. Diese soll die Rolle von Diakoninnen in der Kirchengeschichte untersuchen und prüfen, ob es diese dienstbaren Geister wieder geben könnte. Kleine Kommission, großer Konjunktiv.

Froh über Diakoninnen – solche Worte, öffentlich ausgesprochen, reichen, um in der katholischen Kirche Kardinal auf liberal zu reimen.

Beim Pontifikalamt im Mainzer Dom ziehen Messdiener ein, Domsingknaben, Priester, Bischöfe, Kardinäle. Wenn die Kamera in die Altar-Totale geht, sind Männer unter sich. Schwenk ins Publikum: singende Frauen in Großaufnahme. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, kommt ins Bild. Schwenk zurück auf den Bischof, der in der Mitte Platz genommen hat. »Altar, der, männlich«, sagt der Duden. »Heiliger Geist, der«, auch männlich. Das grammatisch, sozial, klerikal dominante Geschlecht ist an diesem Pfingstmorgen nicht zu übersehen.

Meine Tochter betritt das Wohnzimmer. Die Pubertistin wirft einen Blick auf den Bildschirm und will sofort gehen. »Fällt dir etwas auf?«, frage ich sie. Die 13-Jährige zuckt mit den Schultern. »Findest du es nicht komisch, dass lauter Männer am Altar sind, dass weder Messdienerinnen noch Chorsängerinnen zu sehen sind?« – »Nö, das ist doch in der Kirche immer so«, sagt sie.

Mit 13 hat man noch Träume. Manche davon haben sich in diesem Alter schon erledigt. Meine Tochter achtet darauf, dass Sonnenmilch keine Mikropartikel enthält, die in den Wasserkreislauf gelangen und von Meerestieren geschluckt werden könnten. Sie verzichtet auf Fleisch und Fisch wegen des Weltklimas. Sie werkelt nächtelang an einem Businessplan, um sich als Unternehmerin für Design-Taschen aus alten Milchtüten selbstständig zu machen. TetraBag soll die Firma heißen. Aber Frauen an den Altar? Das ist für sie der Jute-Sack unter den politischen Kampfthemen, keinen Businessplan und kein Recycling wert.

Sie wirft noch einen klimabesorgten Blick auf die Weihrauchentwicklung im Mainzer Dom, dann schaut sie mich skeptisch an und geht hinaus. Mutmaßlich nimmt sie gleich das Smartphone in die Hand und ruft ein Beauty-Video auf. Das ist ihr Pontifikalamt.

Und ich sitze wieder allein vor dem Bildschirm. Allein unter Männern.

Nach elf Minuten steigt die erste Frau die Stufen zum Altar hinauf. Sie trägt die Lesung vor. Das nächste feminine Einsatzgebiet sind die Fürbitten. Bitten ist weiblich. Ich poste meine Beobachtungen auf Facebook. Es gibt viele Likes. »Worauf Sie so alles achten«, schreibt ein Kommentator. Es klingt ein wenig vorwurfsvoll, schließlich kommt es beim Gottesdienst auf Andacht an.

Warum achte ich darauf?

Dies ist kein Betroffenheitsbuch. Das Weib schweige in der Gemeinde, heißt es in alten Bibelübersetzungen, Paulus schrieb diesen Satz an die Adresse der Korintherinnen und Korinther. Geredet wird viel über dieses Schweigen, in den Gemeinden, in den Medien. Einmal, in einer Presseclubsendung zum Rücktritt von Benedikt XVI., fragte mich der Moderator nach meinem nächsten Wunschpapst. Den Kalauer »Mir wäre eine Päpstin am liebsten«, konnte ich mir nicht verkneifen. Diskutiert wurde darüber nicht, war ja nur ein Witz.

Ich leide nicht darunter, prinzipiell vom Amt ausgeschlossen zu sein. Priesterin wollte ich nie werden. Insofern wurde mir kein Weg versperrt, den ich gern gegangen wäre. Manchen Pfad hat die Kirche sogar eröffnet: Ich habe an einem katholischen Mädchengymnasium im Jahr 1987 Abitur gemacht. Damals war bei uns auf dem Dorf im rheinisch-kirchlichen Kernmilieu noch die Einstellung verbreitet, dass sich Mädchen die Flausen mit der höheren Schulbildung aus dem Kopf schlagen sollten. Ehefrau und Mutter mit Abitur – wer braucht denn so was?

Unsere Schule war da weiter. Dass uns die Ursulinen zu Müttern, Haus- oder Ordensfrauen heranziehen wollten, kann ich nicht behaupten. Im Gegenteil. »Mädels, verlasst euch bloß nicht auf einen Kerl«, sagte eine Nonne. Mitschülerinnen raunten, sie sei aus enttäuschter Liebe ins Kloster gegangen. Ich habe es nie überprüft, geraunt wurde ohnehin vieles über die Schwestern. Jedenfalls unterrichtete diese Ordensfrau Mathematik und machte sich lustig über Schülerinnen, die sich nur mit Sozialkram und Pädagogik, mit Kunst oder mit Mode beschäftigten. Mädchen sollten rechnen können, naturwissenschaftliche Fächer wählen, in Männerdomänen gehen. Das nahmen wir von ihr mit. An meiner Ursulinenschule war immer Girls’Day, lange bevor der offiziell erfunden wurde.

Ein früh- oder spätkindliches Exklusionstrauma habe ich nicht zu bieten. Je älter ich werde, je mehr Erfahrungen ich mit und in der katholischen Kirche gesammelt habe, desto mehr fallen mir die Nadelstiche auf. Die selbstverständlichen Benachteiligungen, die Ignoranz, die Arroganz, die sich als Demut tarnt, das Nicht-Ernstnehmen, nur weil das Gegenüber eine Frau ist. Würde man so handeln und reden, weil dieses Gegenüber eine dunkle Hautfarbe hat, dann wäre man Rassist. Handelt und redet man so, weil das Gegenüber eine Frau ist, was ist man dann? Katholisch.

Zugegeben, der liberale Kardinal Lehmann hat Recht. Es gibt mittlerweile Theologieprofessorinnen, obwohl im 19. Jahrhundert behauptet wurde, das Hirn der Frauen sei zu klein für ein Universitätsstudium. Es gibt Seelsorgeamtsleiterinnen in den Ordinariaten, die Priestern vorgesetzt sind. Es gibt eine selbstverordnete Frauenquote von 30 Prozent für die Verwaltungen der Bistümer, obwohl es noch gar nicht so lange her ist, dass Mitglieder des Episkopats in Talkshows von der Frau als gottgefälliger Vielgebärerin schwärmten und dabei einen Ton anschlugen wie Loriot beim Lobpreis der geschlechtsreifen Steinlaus.

Die Vatikan-Kommission zur Ermittlung der Diakoninnenmöglichkeit tagt, es ist nicht ausgeschlossen, dass es eine Art weibliches Amt oder einen neuen Dienstgrad geben wird. Es hat sich also teils statistisch, teils atmosphärisch einiges getan.

Das lenkt von größeren Entwicklungen ab, die in eine ganz andere Richtung weisen: Die Nicht-Weihe von Frauen ist – ähnlich wie die Aussagen zur Homosexualität – in den vergangenen Jahrzehnten zur Glaubensfrage, zum katholischen Identitätsmerkmal aufgestiegen. Das Nein wurde härter; zugleich sollten Frauen doch bitte schön für jedes weich-wertschätzende Wort aus Rom dankbar sein. Spätestens seit dem Schreiben »Ordinatio Sacerdotalis« von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994 ist klar: Wer die Frauenordination fordert, der kann nicht katholisch sein. Die dürftigen theologischen Argumente gegen eine Weihe werden in dem Papier mit Stahlbeton angerührt. Die Verteidigungslinie heißt: Die Kirche ist gar nicht befugt, das zu entscheiden! Das hat der Heilige Johannes Paul so entschieden! Und der war befugt!

Wenn daran noch nicht jeglicher Widerspruch zerschellt, fahren Lehramtstreue vom Küster bis zum Kardinal den Betonsatz schlechthin auf: Es gibt wichtigere Themen! Neudeutsch heißt diese Taktik Whataboutism. Im Kirchensprech klingt das dann so: In jeder Sekunde verhungern 1000 Kinder! In Syrien herrscht Krieg! Christen werden enthauptet und gekreuzigt! Und Sie, Frolleinchen, wollen über die Frauenweihe reden? Wie wäre es denn damit, die echten Probleme anzugehen? Wie wäre es, wenn Sie sich zum Beispiel um die islamischen Kinderbräute kümmern würden?

Die Kämpferinnen für die Weihe, die sich davon nicht beeindrucken lassen, sind ergraut. Jüngere Frauen, die der Männerclub stört, protestieren nicht mehr. Sie verabschieden sich still aus der katholischen Kirche, ohne wütende Resolution. Die Kirche ist nicht einmal mehr Empörung wert. »Ich schäme mich dafür, wie unsere Kirche mit Frauen umgeht.«, sagte mir kürzlich am Rande einer Tagung eine Bildungsreferentin. Von hauptamtlichen Männern höre ich solche Sätze selten. Die Befugnis-Bewahrer mögen die Stille...

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