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Der Zölibat und seine Folgen. Problemanalyse und sozialpädagogische Überlegungen

AutorAntje-Marianne Di Bella
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783638451185
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 1995 im Fachbereich Soziologie - Religion, Note: 1,0, Fachhochschule Düsseldorf, 35 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben rund 100.000 Priester ihr Amt aufgegeben. Allein in Deutschland dürften es schätzungsweise 10000 sein. Offizielle Zahlen liegen nicht vor. Der Rückgang der Priesteramtskandidaten, bei erheblichem Zuwachs von Laientheologen und die erschreckende Zahl von Priestern, die ihre Laiisierung und Dispens vom Zölibat beantragt haben, hängen zweifellos mit der Zölibatsverpflichtung der katholischen Priester zusammen. Andererseits ist die Tatsache, dass durch die Abschaffung des priesterlichen Zölibats der katholischen Kirche etwas Unersetzliches verloren ginge, eine Mahnung zu sehr behutsamen Überlegungen. 'Die katholische Kirche soll also entweder den Zölibat aufgeben oder in Anbetracht der erschreckenden hohen Zahlen von Laisierungsgesuchen, eine wesentlich tragfähigere Grundlage für die Entscheidung zum Zölibat und für ein zeugnishaftes Leben schaffen.' (Aussage von Weihbischof Josef Maria Reuß + 1985) Diese Forderung scheint ungehört verhallt. Mit der vorliegenden Publikation habe ich mich bemüht, den Wandel von der jesuanischen Freiwilligkeit ehelosen Lebens in die rechtliche Form des gesetzlich aufoktroyierten Zwangszölibates aufzuzeigen. Der historische Wandel zur kirchenrechtlichen Zementierung wird dargelegt. Wenn die Liebe in ein Priesterleben 'einbricht', steht 'Mutter Kirche' nicht als Helferin bereit, sondern eine Schar von Psychologen und Psychotherapeuten. Anträge auf Laiisierung bleiben unbearbeitet liegen. Priester unter 40 Jahren haben durchweg keine Chance, 'erhört' zu werden. Die katholische Kirche pflegt ihre Doppelmoral. Priester, die sich aufrichtig zu ihren Frauen (und Kindern) bekennen, fliegen aus dem Amt. Jedoch der prominente Religionswissenschaftler und katholische Priester Raimon Panikkar durfte mit offizieller Genehmigung des Vatikans heiraten, ohne sein Priesteramt aufgeben zu müssen. Diese Logik verstehe, wer will. Die empirischen Untersuchungen in meiner Arbeit zeigen verheerende Auswirkungen des zwangsverordneten Zölibates.' (Vgl. Bernd Marz in Antje Di Bella: Die Priesterkirche, das Zölibatsgesetz und Jesu Nachfolge- Eine Provokation-, Publik-Forum-Verlag, Oberursel, 1998, S. 4.)

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Leseprobe

Zweiter Teil: Problemanalytischer Teil


 

I. Problemdarstellung und Analyse bezüglich der Priester:


 

1.  Die Zölibatsproblematik unter folgenden Aspekten:


 

a)  Motive zur Berufswahl und der Zwang zur Ehelosigkeit-Auszüge aus autobiographischen Berichten-

 

1.) "Mit 19 entschied ich mich für das Theologiestudium, weil ich in der Weitergabe des Glaubens für mich eine Lebensaufgabe sehen konnte und heute noch sehe. Außerdem war ich in eine gewisse >>Helferrolle<< hineingezogen worden, mit einem sehr idealistischen und damit völlig unrealistischen Weltbild. (...)

 

Gewiß war das bevorstehende körperliche und seelische Liebesverbot >>Zölibat<< ein akutes Problem, das Dilemma wurde bald klar: Entweder nie eine Frau lieben zu dürfen oder in einer Lebenslüge leben zu müssen. Heute frage ich mich: Was sind das für Personen, die junge Menschen in solche Dilemma hineintreiben bzw. gehen lassen? Genügt es, daß sie ihr eigenes Dilemma immer weitergeben müssen? Und was für ein Gottesbild verkünden diese Menschen, was ist das für ein >>Gott<<, der solche Dilemmata schafft? "129

 

2.) "Neben einer tiefverwurzelten, unreflektierten, ererbten Religiösität war die ontische Unsicherheit meiner Eltern und folglich meiner selbst der Grund, daß ich mich an ein kirchliches Amt binden wollte, um von dort her meine Daseinsberechtigung und Bestätigung zu erfahren. Mit diesem Streben korrespondierte, gezwungenermaßen, neben der angestammten Demut und Armut, das Ideal der Keuschheit. Für dieses Ziel mußte und wollte ich erst tauglich werden. Wie aber war es dann ein Charisma, wenn ich dazu erst tauglich werden mußte?"130

 

3.) "Seit ich denken kann, wollte ich nur eins werden: Priester. Auf einem Bild, das mich als Fünfjährigen zeigt, bin ich in vollem Priesterornat mit einem Kreuz in der Hand abgebildet; meine Großmutter hatte kurz vorher meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt, sie hatte durch das Christkind Meßgewänder schicken lassen: Ich war selig.(...) Die Ehe meiner Eltern ging in (...) Trümmer. (...)" Er erzählt, daß er seine Mutter nie mehr gesehen habe, da sie von dem Patriarchen ihrer türkischen Familie in die Türkei zurückbeordert worden sei. Einige Jahre später starb sein Vater.

 

"Meine einzige Stütze war und blieb fürs ganze Leben jener unsichtbare Gott, der mich von früher Kindheit an unwiderstehlich angezogen und fest an sich gebunden hatte. Ja- und Maria, jene Frau, die als >> Himmelsmutter << zu jener treuen Begleiterin und Ersatzmutter wurde, die ich in allen Lebenslagen stets voll Vertrauen anrufen konnte."[130][130][130]

 

"Kaum hatte ich (...) meine theologischen Studien begonnen, als ich in eine elementare Lebenskrise hineinschlitterte, die für mein ganzes Leben bestimmend wurde. In den Sommerferien verliebte ich mich in ein Mädchen (...). Mir war gesagt worden, die Liebe und Ganzhingabe zu Gott lasse keinen Platz für ein Geschöpf in meinem Herzen. Nun erlebte ich, daß die Liebe zu diesem Mädchen meine Liebe zu Gott nicht nur nicht gemindert hatte, sondern sogar bereicherte und in mir eine tiefe Dankbarkeit gegenüber jenem Schöpfer entfachte, der uns die wunderbare Gabe jener Liebesfähigkeit schenkt, die ich nun zum ersten Mal in ihrer ganzen Zärtlichkeit erleben durfte.

 

Ich spürte, daß die Argumentation der Kirche hinkt. Daß sie sich Gott allzu menschlich vorstellt: Gott kann doch kein eifersüchtiger Egoist sein, den man nur um den Preis der Absage an die von ihm geschenkte beglückende zwischenmenschliche Liebe von ganzem Herzen lieben darf." (...) Mein ganzes Weltbild "lag nun, in tausend Stücke zerborsten, am Boden.(...) Sosehr ich auch damals ob meiner Situation litt" (...) mich "die Suche nach meiner eigenen Identität belastete, erscheint mir diese Zeit im Rückblick als die Zeit der Gnade."[131]  

 

4.) "Warum bin ich eigentlich Priester geworden? Sicher gab es viel mehr menschliche Motive: Das Streben nach Ansehen, Bedeutung, macht. Aber eines habe ich seit meiner Jugendzeit nie vergessen:

 

Mit 13, 14 Jahren war ich in allen Wirren eines Heranwachsenden, mit dem ganzen Gefühlsüberschwang der Jugend, mit der Totalität eines offenen Herzens zutiefst betroffen von Gott und seiner Liebe. Ich war überzeugt, wenn das stimmt, was die erwachsenen Christen behaupten, dann geht es im christlichen Glauben um das Heil der ganzen Welt, dann hat mein Leben nur Halt und Sinn, wenn ich mich dem ganz verschreibe, dann will ich Christus dienen als Diener der Liebe.

 

Während meines Theologiestudiums habe ich dann mit Gott gehadert. Ich wollte ihm nicht das Recht geben, daß ich, der ein Diener der Liebe sein wollte, auf ein geliebtes DU verzichten sollte. Doch dann war mir klar: Nicht er kann es wollen, sondern die Kirche will es. Weil ich aber glaubte, nichts als Priester werden zu müssen, meinte ich dafür verzichten zu können. Und so ist es eigentlich auch geblieben, wenn sich auch meine grundsätzliche Einstellung zum Zölibat durch Höhen und Tiefen immer wieder verändert, vertieft, geläutert und gereinigt hat und ich inzwischen versuche, durch geordnete und zuverlässige Freundschaften mich vor dem Chaos der Gefühle zu schützen, so daß ich mich längst nicht mehr als Opfer fühle, sondern positiv damit umzugehen gelernt habe."[132]

 

Diese Berichte zeigen die tiefe Religiösität, die hinter dieser Berufswahl steht, aber auch das Ringen mit Gott, mit sich selbst und nicht zuletzt mit der Kirche.

 

Eines haben sie alle gemeinsam. Sie wollen verkünden, was sie zutiefst bewegt. Sie wollen Christi Nachfolger sein, aber der Kirche und ihrem Glaubens- und Gottesbild glauben sie nicht mehr. Sie bleiben, weil sie nur so diese Berufung meinen leben zu können, aber sie sind innerlich längst von der Obrigkeit und ihrem Fundamentalismus abgewandt.

 

Ich habe Aufzeichnungen ausgeschiedener, verheirateter Priester ausgesucht, aber auch die von noch amtierenden. Ich las etwa zwanzig die Problematik betreffende Darstellungen, sehr ehrlich und mutig geschrieben. Ich suchte die für meine Thematik aussagefähigsten Berichte heraus, kann aber doch im allgemeinen sagen, daß die Gedanken über den Zölibat und über die Einstellung der Kirche im eigentlichen übereinstimmen. Die einen sprechen es klar aus, die anderen lassen es durchscheinen. Ihre gemeinsame Feststellung ist: Die Argumentation der Kirche bzgl. der Liebesentsagung hinkt! Der Zölibat sollte freigestellt werden. Und ... die Kirche muß eine menschlichere werden. Sie bedarf einer Reformation zu ihrem Ursprung hin.

 

b) Die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit in bezug auf Nähe und Distanz, Christsein und Gesetz

 

Dieses Kapitel könnte auch die Frage zur Überschrift haben: Wie ist das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit im priesterlichen Leben und Arbeiten?

 

Der Anspruch wurde bereits im theologischen Teil dieser Arbeit erschöpfend dargestellt. Die Wirklichkeit soll hier zu Wort kommen. Deshalb werden überwiegend Zitate aus autobiographischen Berichten die Priester selbst zu Wort kommen lassen.

 

Dr. Klaus Kliesch, ein amtierender katholischer Pfarrer aus Berlin, Mitte 50, schreibt zu diesem Thema folgendes:

 

" Nur schwer kann ich die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit meiner priesterlichen Existenz aushalten, obwohl mir bewußt ist, daß dies meine eigentliche Aufgabe ist: die Spannung auszuhalten, indem ich mich meiner Wurzeln vergewissere. Am liebsten hätte ich keine Sorgen, wäre gerne fromm, konsequent, stark, offen ,erfolgreich, aber all dies bin ich nicht, und inzwischen will ich es auch nicht mehr sein."[133]

 

Seine Erfahrung mit der Kirche:" Im Ernstfall kann die Hierarchie sich nicht anders zeigen, als sie ist: monarchisch und absolutistisch."[134]

 

Seine Erfahrung mit den Kollegen: "Die Begegnungen von Mensch zu Mensch, gerade auch unter den Hauptamtlichen läßt zu wünschen übrig."[135]

 

Sein Priesterverständnis: " Den Erwartungen von oben kann ich nicht gerecht werden, dem Priesterbild von unten will ich nicht entsprechen, es sei denn es geht um die Verkündigung, den Gottesdienst, die Wegbegleitung von Menschen, die es nötig haben. So ringe ich um...

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