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E-Book

Design

Eine philosophische Analyse

AutorDaniel Martin Feige
VerlagSuhrkamp
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783518754382
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Ob Möbel, Plakate, Webseiten, Kleidung, Piktogramme, Autos oder städtische Räume: Design ist omnipräsent. Nur in der Philosophie hat es bislang (so gut wie) keine Beachtung gefunden. Daniel Martin Feige schließt diese Lücke, indem er eine Explikation von Grundbegriffen präsentiert, die mit dem Design verbunden sind, und Design als eine ästhetische Praxis eigenen Rechts ausweist. In der Praxis des Designs, so seine These, wird das Funktionieren selbst ästhetisch. Das Buch ist sowohl ein Beitrag zu einer Philosophie des Designs als auch eine Einführung in das philosophische Denken für Designerinnen sowie Designinteressierte.

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<p>Daniel Martin Feige ist Professor f&uuml;r Philosophie und &Auml;sthetik an der Staatlichen Akademie der Bildenden K&uuml;nste Stuttgart.</p>

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Leseprobe

22Kapitel 1

Begriff des Designs


Beginnen wir mit einer relativ willkürlichen Liste von Gegenständen: Frank Gehrys Wasserkocher Pito für Alessi, Gretl und Leo Wollners Gardine Sling für Knoll, die Type Univers von Adrian Frutiger, die Webgestaltungen von Hillman Curtis, die Piktogramme von Otl Aicher, das Mercedes-Benz-Logo von Kurt Weidemann und das SCNF-Jingle der französischen Bahn würden wir wahrscheinlich relativ unkontrovers als Designgegenstände klassifizieren. Leonardo da Vincis Mona Lisa, Johannes Brahms’ Deutsches Requiem, Marina Abramović’ Lips of Thomas und Francis Ford Coppolas Der Pate würden wir hingegen wahrscheinlich nicht dem Design, sondern vielmehr der Kunst zuschlagen. Mit Blick auf das Grabdenkmal Erzbischof Albrechts von Brandenburg im Mainzer Dom wären wir hingegen wohl zögerlich, es entweder der Kunst oder dem Design zuzuschlagen, ebenso mit Blick auf die historischen Stühle im Schloss Glücksburg. Vielleicht würden wir Ersteres eher der Kunst und Letztere eher dem Design zuschlagen, wenn das tatsächlich die einzigen Alternativen wären. Was aber macht die Gegenstände der ersten Liste mutmaßlich zu Gegenständen des Designs? Nicht allein erfüllen sie offensichtlich ganz verschiedene Funktionen. Vielmehr kann man ein Jingle anders als ein Logo nicht sehen und ein Logo wiederum anders als einen Wasserkocher normalerweise nicht in die Hand nehmen. Wo sollten wir aber dann die Gemeinsamkeiten zwischen all diesen Designgegenständen suchen? Und ist ein solches Unterfangen überhaupt sinnvoll? Der Verweis darauf, dass Designgegenstände von Designer*innen entworfen werden, hilft hier offensichtlich nicht weiter: Er ist zirkulär. Wir müssen schon wissen, was Design ist, um Personen entsprechend auszuzeichnen. Die hier aufgeworfenen Fragen betreffen die Frage nach einem angemessenen Begriff des Designs. Genauer betreffen sie die Frage nach der logischen Grammatik des Designbegriffs.

Das vorliegende erste Kapitel verfolgt mit Blick auf diese Frage zwei Ziele: Im ersten Schritt werde ich in kritischer Auseinandersetzung mit einigen jüngeren Beiträgen der Designtheorie zeigen, 23dass wir die Frage nach dem Begriff des Designs nicht unter Verweis auf die Unterschiedlichkeit und Wandelbarkeit dessen, was Design ist, beiseiteschieben können. Diejenigen, die das versuchen, verpflichten sich nämlich auf ein problematisches Verständnis davon, was Begriffe überhaupt sind. Im zweiten Schritt werde ich im Rahmen einer immanenten Kritik am herkömmlichen Verständnis der Definition von Begriffen alternative Verständnisse skizzieren. Dabei werde ich geltend machen, dass nur eine solche Rekonstruktion der Logik des Begrifflichen überzeugend ausfallen kann, die der historischen Bewegtheit wie Beweglichkeit dessen, was Design ist, angemessen Rechnung tragen kann. Diese allerdings wird erst das Thema des folgenden zweiten Kapitels sein. Es wird mir also in diesem ersten Kapitel nicht darum gehen, so etwas wie eine Definition des Designs zu entwickeln. Vielmehr werde ich metatheoretisch der Frage nachgehen, was wir plausiblerweise überhaupt unter dem Projekt verstehen sollten, einen Begriff des Designs zu erörtern. Spätere Kapitel werden dann Bausteine einer inhaltlichen Antwort auf die Frage, was Design ist, geben. Dazu wird unter anderem gehören, dass Designgegenstände sich dadurch auszeichnen, dass sie Funktionen in unserer Praxis erfüllen. Dazu wird weiter gehören, dass für Designgegenstände, anders als für Kunstwerke und Gegenstände des Handwerks, eine Form von Arbeitsteilung zwischen Entwurf und Herstellung charakteristisch ist. Und dazu wird auch gehören, dass Designgegenstände, anders als Kunstwerke im Lichte der Zwecke, zu denen sie da sind einer ethischen Kritik unterzogen werden können. Die Lektion dieses und des nächsten Kapitels, die also zusammengelesen werden müssen, lautet gleichwohl: Bei diesen Aspekten handelt es sich nicht um Bausteine einer herkömmlichen Definition des Begriffs. Sie werden sich vielmehr als in ihrem Sinn offene Momente dessen erweisen, was Design ist.

1.1 Die Unhintergehbarkeit von Begriffen


Spricht nicht die einleitend ausgewiesene Unterschiedlichkeit dessen, was wir alles Design nennen, dafür, dass wir gegenüber dem Versuch skeptisch eingestellt sein sollten, einen Begriff des Designs oder einer Theorie des Designs im Sinne einer systematischen Explikation zusammenhängender Grundbegriffe zu formulieren? Die24ser Einwand lässt sich noch verschärfen, wenn man festhält, dass Designgegenstände offensichtlich nicht allein sehr unterschiedlich sind, sondern dass Design sich fortwährend im Wandel befindet.[1] Man kann hier etwa an die weitreichenden Auswirkungen denken, die die digitale Revolution in nahezu allen Bereichen des Designs zeitigt. In der deutschen Designtheorie ist die Auffassung verbreitet, dass aus der Unterschiedlichkeit wie Wandelbarkeit des Designs folgt, dass es keine systematische Theorie des Designs geben kann. So schreibt Michael Erlhoff in seiner Theorie des Designs: »Für eine Theorie des Designs […] bedeutet dies, solche Unübersichtlichkeit als Qualität zu begreifen und diese und somit Design als nicht fassbares Element vorzustellen. Was notwendig zu Widersprüchen, zu Ungefährem, Unschärfe und potenziellen Verwirrungen führen kann, im geglückten Fall aber zu Offenheit und Elastizität des Designs.«[2] Allerdings kann Erlhoff, wenn er das, was er hier sagt, zu Ende denkt, gar nicht länger eine Theorie des Designs formulieren. Denn dazu müsste man vorher schon eine begriffliche Explikation dessen formuliert haben, was hier genau unübersichtlich ist. Offensichtlich ist ziemlich viel auf dieser Welt recht unübersichtlich und es kann sogar fast alles unter bestimmten Beschreibungen ziemlich unübersichtlich werden. Gänzlich wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn Erlhoff Design dabei als »nicht fassbares Element« bestimmt.[3] Denn warum sollte man ein solches nicht fassbares Element überhaupt noch »Design« nennen? Warum nicht einfach »X«? Was Erlhoff verschweigt, ist, dass Design als solches zu kennzeichnen immer schon heißt, es von Gegenständen zu unterscheiden, die nicht Design sind; sinnkritisch setzt die Benennung von etwas als etwas voraus, dass es sich von anderem unterscheidet. Mithin kann Erlhoffs weitergehende Aussage, dass wir »inzwischen mühsam gelernt [hätten] wahrzunehmen, dass alles um uns herum gestaltet ist, also Design ist«, nicht wahr sein:[4] Wäre alles Design, wäre nichts mehr Design. Auch dann, wenn die meisten Umgebungen, in denen sich Menschen heute zumindest in der okziden25talen Welt bewegen, immer auch menschengemacht sind, sollten wir somit keineswegs sagen, es handele sich hier bei allem um Design.[5] Eine entsprechende Inklusion entleert den Designbegriff.[6] Wenn Erlhoff seine These demgegenüber so verstanden wissen wollte, dass sich im Design etwas Ästhetisches zeigt, das niemals ganz auf unsere Auseinandersetzungen mit ihm verrechenbar ist, dann wäre sie weniger abwegig. Denn Ästhetisch-sein heißt, dass uns etwas Sinnvolles entgegenkommt, das gleichwohl von einem immanent gegenwendigen Moment gegenüber dem außerästhetischen Sinn gekennzeichnet ist. Aber das scheint nicht sein Punkt zu sein. Es reicht daher nicht, affirmativ die These zu unterschreiben, dass »[s]o richtig [niemand wisse], was Design ist«. Denn damit wird ein Zustand bezeichnet, der einen epistemischen Mangel darstellt und den es entsprechend zu überwinden gilt.[7]

26Von ähnlichen Problemen ist in den theoretischen Grundlagen Claudia Mareis’ Buch Theorien des Designs zur Einführung betroffen. Eher beiläufig bemerkt sie zu dessen Titel: »Bewusst wurde beim Titel dieses Bandes der Plural Theorien des Designs gewählt, um zu verdeutlichen, dass der geläufige Ausdruck ›Designtheorie‹ kein abgeschlossenes, in sich konsistentes Theoriegebilde bezeichnet. Vielmehr geht es um eine Bündelung verschiedener theoretischer, analytischer und systematischer (auch irrationaler, unsystematischer)...

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