Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Biologie - Genetik / Gentechnologie, Note: sehr gut, , 15 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Dreieinhalb Milliarden Jahre Evolutionsdiktatur gehen ihrem Ende entgegen. Wir befinden uns auf dem Weg von der Vorprogrammierung zur Selbststeuerung. Der Mensch schickt sich an, göttliche Funktionen zu übernehmen, den großen Schöpfer zu entmündigen, das genetische Zepter in die eigene Hand zu nehmen, seinem hereditären Schicksal ein Schnippchen zu schlagen, dem Gefängnis aus Hirn und Haut, Knochen und Knorpeln, Fett und Fleisch mit ihren stets präsenten, psychischen Äquivalenten zu entrinnen und sich selbst nach seinem Willen zu formen. Genstruiere dich selbst - und deine Nachkommen gleich dazu -, heißt das Motto von morgen und übermorgen.
ICH als Wille und Vorstellung. Jeder nach genetischem Gusto. War es früher nur das Glück, dessen Schmieden jedem selbst oblag, ist zukünftig ein jeder seines Genoms Schmied. Möglicherweise mutiert der Hausarzt gar zum genetischen Stilberater, wenn das Überangebot an Optionen die Eigenentscheidung sabotiert.
Dass Glück und Genetik hochgradig miteinander korrelieren, muss kaum erwähnt werden. Schließlich ist das Verhältnis zwischen Körper und Geist, Leib und Seele, eines der Wechselwirkung. Mens sana in corpore sano, wusste schon Juvenal, der alte Römer.
Grandiose Aussichten also, dank einer alles und jeden glücklich-machenden Gentechnik? Ein Hoch auf die neuen Life Sciences! Vivat! Nur noch schöne, junge, gesunde, intelligente, gutgelaunte, langlebige Maß-Menschen, in ewiger Eintracht mit sich selbst und einer transgenen Tier- und Pflanzenwelt. Für viele doch wohl eher eine Horrorvision.
Goethes 'Was ist schwerer zu ertragen als eine Reihe von schönen Tagen?' lässt ahnen, wohin alle noch so paradiesisch anmutende Einseitigkeit führt. Erst der Kontrast, die spannungsvolle Dialektik der Gegensätze geben dem Leben Würze. Nur angesichts des Todes wird das ICH des Menschen geboren, predigte der heilige Augustinus. Ist der Tod, der große Motivator und pädagogische Zuchtmeister, erst eugenisch eliminiert, wo bleibt dann das ICH und sein Leben?
Alles in dieser Welt existiert ausschließlich im Angesicht seines Antagonisten: Leben nur durch Tod, Gott nur durch den Teufel, Gutes nur durch Böses, Ordnung nur durch Chaos, Perfektes nur duch Imperfektes, Schönes nur durch Hässliches, Liebe nur durch Hass, Gesundheit nur durch Krankheit, Chance nur durch Risiko und Positives nur durch Negatives. Was wäre das eine ohne das andere? Wäre es überhaupt?
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