Sie sind hier
E-Book

Deutsche Geschichte

Vollständige Ausgabe

AutorLuise Büchner
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl660 Seiten
ISBN9783849606640
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dieser Band enthält die zwanzig Vorlesungen zur deutschen Geschichte, die die bekannte Frauenrechtlerin im Alice-Lyceum in Darmstadt hielt.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

 


 Die deutsche Bundesacte. Der Bundestag. Liberale Bestrebungen. Janke. Schmalz und Kamptz. Die Burschenschaften und Turnvereine

 

 

Ich darf mir die Mühe, Ihnen die Langeweile ersparen, hier noch einmal die verschiedenen Staaten und Stäätchen aufzuzählen, wie sie zusammen nach dem zweiten Pariser Frieden unser heutiges Vaterland bildeten. Im großen Ganzen blieb es bei den Eintheilungen, wie Napoleon und die Revolution sie gewaltsam herbeigeführt hatten. Die volle Kleinstaaterei und lächerliche Zersplitterung des alten römischen Reiches kehrte nicht wieder zurück und wir können mit Befriedigung wahrnehmen, wie die centrifugale Kraft, welche in und nach dem Mittelalter Deutschland in eine ungeheure Masse kleinerer und größerer Theile zersplittert hatte, so daß in Folge dessen mehr als einmal die ganze Existenz des Reiches in Frage gestellt war, nunmehr dem centripedalen System gewichen war und eine zusammenziehende Kraft sich wirksam zeigte. So waren im Verlaufe der Zeit die Hunderte von Herrschaften endlich bis auf 38 reducirt worden; von den vielen alten Reichsstädten waren nur noch vier übrig geblieben und man mochte wohl im verschwiegenen Herzen der Hoffnung Raum geben, daß dieser natürliche Proceß sich fortsetzen und daß nach und nach ein ganzes, geeinigtes Deutschland aus diesen Bruchtheilen erstehen werde. – Dies aber jetzt schon auszuführen, dazu konnten sich die jetzigen Machthaber um so weniger entschließen, als man ja gerade das souveräne Fürstenthum restauriren, und durchaus nicht auf dem von Napoleon begonnenen Wege des Umstürzens bestehender Verhältnisse beharren wollte. Nach dem Gesetze der Trägheit, das den Wiener Congreß beherrschte, entschloß man sich also, das gegenwärtig Bestehende mit wenigen Aenderungen und Ausnahmen in jener buntscheckigen Zusammensetzung, wie sie Napoleon ohne Rücksicht auf Namensverwandtschaft, historische oder geographische Zusammengehörigkeit beliebt hatte, fortbestehen zu lassen. Es wird hier darum am Platze sein, den selbst heute noch nicht ganz überwundenen Stützpunkt des Particularismus, auf den man sich bis zum Jahre 1870 stets von Seiten Vieler mit so großer Vorliebe berief, etwas näher zu betrachten. Man behauptete bis zum Ueberdruß, die deutsche Vielstaaterei sei das Ergebniß von Stammesverschiedenheiten und man dürfe das, was eine uralte Tradition zusammengefügt, nicht willkührlich zerreißen und anders gestalten wollen. In der Wirklichkeit aber hat es einen hessischen, einen badischen, einen nassauischen Stamm u. s. w. niemals gegeben, und man ist um so weniger dazu berechtigt, solches auszusprechen, als gerade der Friedensschluß von 1815 nicht einmal die mindeste Rücksicht auf das nahm, was wirklich Jahrhunderte lang zusammengehört hatte, wie dies z. B. bei der Neugestaltung Oestreichs und Baierns der Fall war. – In Wahrheit können wir in Deutschland nur von drei Hauptstämmen sprechen, deren Merkmale, namentlich in Bezug auf Sprache, geistige Anlage und Volkssitte, sich heute noch geltend machen, dies ist im Süden der schwäbische oder allemannische, im Norden der sächsische und im mittleren Deutschland der fränkische Stamm, wobei noch wohl zu bemerken, wie im Süden sowohl als im Norden, der schwäbische wie der sächsische Stamm weit über die Gränzen Deutschlands hinausreichen. –

 

Diese 38 Staaten nun, höchst mangelhaft arrondirt, jeder nach eignem Gefallen regiert, mußten die größten Schwierigkeiten darbieten, um nur Verkehrswege herzustellen, Zollbestimmungen zu treffen, Handel und Industrie nach einem großen Maßstabe zu betreiben. – Wie viel größer aber noch waren die Schwierigkeiten zwischen 38 souveränen Staaten, deren Größenverhältnisse von dem Kaiserthum Oestreich bis zu dem Fürstenthum Lichtenstein herab variirten, ein einheitlich-nationales und staatliches Band zu knüpfen; daß aber ein solches von höchster Nothwendigkeit sei, davon waren nicht allein die deutschen, sondern auch ebensosehr die auswärtigen Staatsmänner durchdrungen, und der englische Minister Lord Castlereagh hat es damals in einer Denkschrift klar und scharf hervorgehoben, wie die politischen Verhältnisse Deutschlands eine der Hauptursachen gewesen seien von dem Uebergewicht, welches Napoleon und die Revolution in Europa erlangen konnten. »Es sei darum schon im allgemeinen Interesse des Welttheils eine föderative Verbindung Deutschlands durchaus nothwendig.« –

 

Nun müssen wir aber leider gestehen, daß manche der auswärtigen Staatsmänner den deutschen Interessen damals mehr Theilnahme zugewendet haben, als die meisten der Unsrigen. – Schon während des ersten Feldzugs in Frankreich wurde im Hauptquartier zu Chaumont von den Mächten durch einen besonderen Vertrag festgesetzt, daß Deutschland eine Bundesverfassung haben solle, und welcher Mann wäre nun mehr dazu geeignet gewesen, eine solche abzufassen und durchzuführen, als der Freiherr von Stein. Er arbeitete denn auch wirklich den Entwurf einer solchen nach bester Ueberzeugung und Einsicht aus; dieser Entwurf wurde die Grundlage zu einem zweiten, den er darnach in Gemeinschaft mit Fürst Hardenberg und dem Grafen von Solms-Laubach in 41 Artikeln entwarf. Darin war zwar schon Manches nachgegeben, aber ganz gewiß wäre auch dieser zweite Entwurf noch vollständig dazu geeignet gewesen, Deutschland zu einigen und zu beglücken, in so fern die zunächst dabei Betheiligten ihn annehmen wollten.

 

Leider kam der 2. Artikel dieses Entwurfes bereits zu spät; Stein legte in demselben die Souveränetät der einzelnen Fürsten, die man ihnen bei Beginn des Krieges garantirt hatte, mit vollem Rechte dahin aus: »Man muß ausdrücklich bestimmen, daß die Souveränetät in Deutschland keine ohnbegränzte, sondern eine durch Gesetze beschränkte sei!« Es war dies eine Bestimmung, die man bei dem entschieden schlechten Willen, der ihr entgegengebracht wurde, jetzt noch allenfalls durch directe Gewalt hätte ausführen können, aber nicht mehr durch papierne Verträge. Des Weiteren verlangte Stein, daß alle deutsche Staaten auf ewige Zeiten in einen deutschen Bund zusammentreten sollten, aus dem kein Theilhaber willkührlich ausscheiden dürfe; Oestreich und Preußen, und dies ist der schwächste Punkt des Entwurfs, sollten nur mit einem Theil ihres Gebietes dem Bunde beitreten dürfen, dagegen als Großmächte mit demselben ein unlösliches Bündniß schließen, mit der besondern Pflicht, dessen Verfassung und Integrität zu garantiren. – Es war dies eine sehr künstliche Complication und Sie sehen, wie die Achillesferse des Vorschlags von vornherein in dem Verhältnisse lag, welches Preußen und Oestreich unter einander sollte gegeben werden. – Unausbleiblich war es, daß sich gleich bei dem ersten Versuch die deutschen Angelegenheiten zu ordnen, diese vornehmste Schwierigkeit des ganzen Bundes herausstellen mußte. – Dagegen mußte es ein redliches deutsches Herz erfreuen, wie nun weiter in dem Entwurfe wieder einmal von dem natürlichen Rechte eines jeden Bürgers gesprochen, und die Forderung der sogenannten Grundrechte des Volkes innerhalb der künftigen Verfassung, daran geknüpft war. Auf dem Besitz dieser Grundrechte hatte einst die alte deutsche »Libertät« geruht, diese Grundrechte waren der erste blutige Kampfpreis der französischen Revolution gewesen, und sie waren und sind seit Jahrhunderten das Palladium des englischen Volkes, welches allein von alter Zeit her sie sich zu bewahren gewußt. Was hier davon verlangt wurde, beschränkte sich noch obendrein auf ein sehr bescheidenes Maß. Es waren vornehmlich: Freizügigkeit, Sicherheit der Person und des Eigenthums, das Recht der Beschwerde, die Freiheit der Presse und der Lehre. – Ein weiterer Artikel betraf die Verpflichtung eines jeden zum Bunde gehörigen Staates, alsobald eine ständische Verfassung im Sinne des Constitutionalismus einzuführen, sowie es den Unterthanen war mehrmals feierlich verheißen worden. – Um dann auch den materiellen Interessen gerecht zu werden, war die Ansicht ausgesprochen, man müsse suchen, ein allgemeines Gesetzbuch, gleiches Münzwesen, Regulirung der Zölle, der Posten und der Verkehrsanstalten herzustellen. Die Aufrechthaltung des gegenseitigen Friedens sollte durch ein Bundesgericht, welches etwaige Streitigkeiten der Fürsten unter einander oder solche zwischen Fürst und Volk zu regeln hätte, garantirt, und für den Schutz nach Außen eine starke und kräftige Militärverfassung in's Leben gerufen werden. – Das Bundesgebiet sollte in sieben Kreise getheilt und über diese Kreisoberste gesetzt sein; zum Sitz der Bundesversammlung aber war Frankfurt a. M. ausersehen. Man dachte sich dieselbe aus drei Theilen bestehend: erstens, aus einem Directorium, welches Preußen und Oestreich gemeinschaftlich führen sollten, zweitens aus einem Rath der Kreisobersten, welcher die Executivgewalt, die gesandtschaftliche Vertretung nach Außen und die Militärmacht zu leiten habe, endlich drittens, aus dem Rath der Fürsten, dem jedoch Stein, wie er es schon in einem früheren Entwurfe ausgesprochen, als viertes Glied eine Vertretung der Nation aus den Reihen der künftigen Landstände hervorgehend, wollte zugefügt sehen. Ohne Zweifel war eine Repräsentation des Volkes durchaus nothwendig, wenn...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Deutschland - Historie - Geschichte

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Drei Mal Stunde Null?

E-Book Drei Mal Stunde Null?
1949 - 1969 - 1989 Format: ePUB/PDF

1949 entstanden aus dem Deutschen Reich zwei Republiken. Der tiefste Einschnitt in unserer Geschichte führte uns hart an eine Stunde Null. Für vier Jahrzehnte war die Teilung Deutschlands und Europas…

Kalte Heimat

E-Book Kalte Heimat
Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 Format: ePUB/PDF

Nicht willkommen. Die Vertriebenen nach 1945 in DeutschlandMit diesem Buch erschüttert Andreas Kossert den Mythos von der rundum geglückten Integration der Vertriebenen nach 1945. Erstmals erhalten…

Kalte Heimat

E-Book Kalte Heimat
Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 Format: ePUB/PDF

Nicht willkommen. Die Vertriebenen nach 1945 in DeutschlandMit diesem Buch erschüttert Andreas Kossert den Mythos von der rundum geglückten Integration der Vertriebenen nach 1945. Erstmals erhalten…

Informationskultur und Beziehungswissen

E-Book Informationskultur und Beziehungswissen
Das Korrespondenznetz Hans Fuggers (1531-1598) - Studia AugustanaISSN 16 Format: PDF

Hans Fugger (1531-1598) wrote over 4,800 letters to correspondents in a Europe-wide network. These letters give an insight into domains of the life of the Fuggers and are at the same time valuable…

Weitere Zeitschriften

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

Card-Forum

Card-Forum

Card-Forum ist das marktführende Magazin im Themenbereich der kartengestützten Systeme für Zahlung und Identifikation, Telekommunikation und Kundenbindung sowie der damit verwandten und ...

cards Karten cartes

cards Karten cartes

Die führende Zeitschrift für Zahlungsverkehr und Payments – international und branchenübergreifend, erscheint seit 1990 monatlich (viermal als Fachmagazin, achtmal als ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Deutsche Tennis Zeitung

Deutsche Tennis Zeitung

Die DTZ – Deutsche Tennis Zeitung bietet Informationen aus allen Bereichen der deutschen Tennisszene –sie präsentiert sportliche Highlights, analysiert Entwicklungen und erläutert ...

DSD Der Sicherheitsdienst

DSD Der Sicherheitsdienst

Der "DSD – Der Sicherheitsdienst" ist das Magazin der Sicherheitswirtschaft. Es erscheint viermal jährlich und mit einer Auflage von 11.000 Exemplaren. Der DSD informiert über aktuelle Themen ...

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler

rfe-Elektrohändler ist die Fachzeitschrift für die CE- und Hausgeräte-Branche. Wichtige Themen sind: Aktuelle Entwicklungen in beiden Branchen, Waren- und Verkaufskunde, Reportagen über ...

Evangelische Theologie

Evangelische Theologie

Über »Evangelische Theologie« In interdisziplinären Themenheften gibt die Evangelische Theologie entscheidende Impulse, die komplexe Einheit der Theologie wahrzunehmen. Neben den Themenheften ...