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E-Book

Deutschland dienen

Im Einsatz - Soldaten erzählen

AutorCarsten Barth, Oliver Schaal
VerlagPlassen Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783864704055
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Rund 60 Einsätze seit 1990. Weltweit. Zehntausende eingesetzte Soldaten. Hunderte Verletzte. Über 100 Todesfälle. Das sind die nackten Zahlen. Was aber verbirgt sich dahinter? Was genau macht die Bundeswehr eigentlich bei ihren Einsätzen? Und was leisten die Soldaten dort? Antworten auf diese Fragen liefert dieses Buch. Und zwar aus Sicht der einzelnen Soldaten, aus ihrem ganz persönlichen Blickwinkel. Ungefiltert, ungeschönt. Aber nicht ohne Stolz. Auch das ist wichtig. Denn: Die Deutschen und 'ihre' Bundeswehr - das ist ein schwieriges Verhältnis. Hohn und Spott sind dem Militär sicher, wenn Rüstungsvorhaben schieflaufen. Anerkennung, wie in den USA und Großbritannien gesellschaftlicher Konsens, wird den einzelnen Soldaten hierzulande kaum bis gar nicht entgegengebracht. Dabei sind es die von uns demokratisch gewählten Volksvertreter, die deutsche Soldaten in den Einsatz schicken. Buchstäblich in unserem Namen. Jetzt sprechen die Männer und Frauen, die Deutschland dienen - weltweit.

Carsten Barth diente selbst zwölf Jahre in der Bundeswehr, absolvierte eine Offizierslaufbahn und studierte BWL an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Zuletzt war er im Rang eines Hauptmanns für eine Kompanie verantwortlich. Danach folgten Management-Positionen bei international agierenden Konzernen. Zudem hält er regelmäßig Vorträge zu militärhistorischen Themen. Oliver Schaal indes verweigerte den Wehrdienst aus Gewissens­gründen und leistete stattdessen Zivildienst. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft arbeitete er als freier Journalist für mehrere Tageszeitungen im Rheinland sowie als Pressesprecher und ist mittlerweile in der Unternehmens­kommunikation einer Mediengruppe tätig.

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Leseprobe

DIE
1990ER-
JAHRE


 

1


Lachende Smileys
für ein Dosenbier


Dieter Weltermann

*26.05.1950

Oberstleutnant,
Heeresfliegerregiment 35

 

Deutschland steckt inmitten der Umbrüche im Zuge der Wiedervereinigung, als der irakische Diktator Saddam Hussein am 2. August 1990 das Nachbarland Kuwait von seinen Truppen überfallen lässt und somit den Zweiten Golfkrieg * auslöst. Während der militärische Konflikt mit der Operation Desert Storm * unter Führung der USA mit der Befreiung Kuwaits und der Kapitulation des Irak am 5. März 1991 endet, wandelt sich nach der vollzogenen deutschen Einheit auch die Ausrichtung der Bundeswehr: weg von der reinen Landesverteidigung hin zu einer global agierenden Einsatzarmee. Als die Vereinten Nationen (UN, englisch „United Nations“) auf Basis der Resolution 687 beschließen, ABC-Waffen im Irak aufzuspüren und deren Zerstörung zu überwachen, sagt auch die Bundesregierung ihre Unterstützung zu. Die Beteiligung an der „United Nations Special Commission“ (UNSCOM) wird zum ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr, der keine Katastrophenhilfe ist. Heeresflieger werden der UN unterstellt und sollen vor allem die Waffenkontrolleure zu ihren Einsatzpunkten fliegen. Ein Einsatz dieser Art in einem noch „frischen“ Kriegsgebiet ist absolutes Neuland für die Bundeswehr, die zaghaft ihre ersten Schritte in ihre neue Ausrichtung unternimmt. Erfahrungen mit solchen Situationen sind kaum vorhanden, auch mangelt es an der passenden Ausrüstung, als das Heeresfliegerregiment 35 aus Mendig und Oberstleutnant Dieter Weltermann mit seiner Fliegerstaffel schließlich diesen Einsatz angehen.

 

Nach mehreren Verwendungen sowohl in der Heeresfliegertruppe als auch im Stab im Luftwaffenamt als Rüstungsstabsoffizier wurden mir Anfang 1990 in einem Personalgespräch verschiedene neue Dienstposten angeboten, unter anderem auch meine Traumverwendung als Kapitän einer CH-53-Staffel * in Mendig. Ich hatte bis dahin auch in meinen anderen Verwendungen immer eine Verpflichtung zum Erhalt meiner fliegerischen Berechtigungen, sodass mein Flugschein aktuell war. Daher hatte ich bereits rund 2.000 Flugstunden zusammen, als ich Staffelkapitän wurde. Um die CH-53 fliegen zu können, brauchte ich nur einen Weiterschulungslehrgang, die Umstellung war nicht schwierig. Die CH-53 ist ein wundervoller, sehr gutmütiger Hubschrauber mit viel Power. Ich habe sie mit Leidenschaft geflogen!

Noch in meinem ersten Jahr als Staffelkapitän besetzte der Irak unter Diktator Saddam Hussein das Nachbarland Kuwait und es kam infolgedessen zum Zweiten Golfkrieg – jedoch ohne Beteiligung deutscher Soldaten. Zum damaligen Zeitpunkt ahnte niemand hierzulande, dass die Folgen dieses Krieges auch die Bundeswehr recht schnell beschäftigen würden.

Zunächst wurde die Bundeswehr im Südosten der Türkei und im Nordwesten des Iran mit den Folgen der menschenverachtenden Politik des irakischen Diktators konfrontiert. Im Jahr 1991 attackierten die Truppen Saddams kurdische Dörfer im Norden des Irak mit Giftgas und töteten viele der Einwohner. Verzweifelt flüchteten Hunderttausende Kurden aus dem Irak in die Bergregionen an der Grenze zur Türkei und dem Iran. Dies löste dort eine humanitäre Katastrophe aus, weil die Menschen während der Winterzeit unversorgt und unter erbärmlichen Bedingungen in Zelten dahinvegetierten. Nachdem der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 688 die völkerrechtlichen Voraussetzungen für einen internationalen Hilfseinsatz geschaffen hatte, entschied die Bundesregierung einen Hilfseinsatz in der Türkei und im Iran mit Mitteln der Bundeswehr. Es wurden sechs Transall *-Transportflugzeuge sowie 40 Hubschrauber für die Direktversorgung der Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Als Leitverband * wurde das Heeresfliegerregiment 35 in Mendig bestimmt.

Zunächst agierte ich dort als Führer des Gefechtsstands, wurde jedoch sehr bald als Einsatzstabsoffizier nach Südostanatolien befohlen, um dort den Einsatz der Hilfsmaschinen und den Transport der Hilfsgüter mit zu koordinieren. Wir, das heißt zwölf CH-53 und sechs UH-1D * der Luftwaffe, waren in der Türkei in Kooperation mit der deutschen Bergwacht sowie verschiedenen Vertretern des Roten Kreuzes und der türkischen Hilfsorganisation Roter Halbmond verantwortlich für die Versorgung dreier großer Flüchtlingslager mit Lebensmitteln, Bekleidung und medizinischer Hilfe. Dabei sammelten wir unsere ersten Erfahrungen in einem Auslandseinsatz. Das Erleben des unvorstellbaren Elends in den Flüchtlingslagern, die Konfrontation mit den oftmals traumatisierten Menschen, schwer verletzten und durch Brandwunden entstellten Kindern, veränderten meine Sicht auf das Leben bis heute nachhaltig.

Nach einigen Monaten im Dreiländereck Türkei, Iran, Irak und dem Abschluss des Einsatzes kehrten die Soldaten mit ihrem Einsatzgerät nach Deutschland zurück und erwarteten zunächst eine lange Phase der Regeneration. Es kam aber ganz anders: Die UN fragten bei der Bundesregierung an, ob Deutschland bei der UNSCOM-Mission im Irak unterstützen könnte. Als die Regierung zusagte, für diesen Einsatz eine „Heli Unit“ mit drei CH-53 und 30 Soldaten zur Verfügung zu stellen, wurde wiederum das Heeresfliegerregiment 35 als Leitverband * befohlen. Wir fingen im Auftrag des Verteidigungsministeriums sofort an zu planen: Wer geht mit welcher Ausrüstung und in welchem Rhythmus gehen wir da runter? Viele Fragen zu den spezifischen Einsatzanforderungen in einem noch im Kriegszustand befindlichen Land mit seinen besonderen geografischen Gegebenheiten wurden in Teamarbeit gestellt, in Anforderungen umgesetzt und abgearbeitet.

Keiner von uns hatte eine genaue Vorstellung davon, was auf uns zukommen könnte. Wir machten uns mit Büchern aus Bibliotheken schlau; über den Irak an sich, über Land und Leute. Auch einen Reiseführer über Bagdad besorgten wir uns – mehr hatten wir nicht. Als Weiterbildung luden wir uns noch Referenten ein, die uns über die Sitten und Gebräuche im Irak unterrichteten, damit wir im Umgang mit den Einheimischen nach Möglichkeit keine großen Fehler machten. Ich glaube aber, dass sich zum damaligen Zeitpunkt kaum jemand größere Gedanken über die Gefährlichkeit dieses Einsatzes machte. Wir hatten keinerlei Erfahrung mit Auslandseinsätzen, ausgenommen mit der Kurdenhilfe. Wir waren alle der Meinung, dass uns nichts passieren könne, weil wir als UN-Leute vor Ort sein würden. Nach meiner Erinnerung hatte keiner der für den Einsatz geplanten Soldaten Angst oder größere Besorgnisse.

Zunächst wurden allerdings auch nur Soldaten eingeplant, die sich freiwillig meldeten. Wir bereiteten die Männer dennoch darauf vor, dass immer etwas geschehen kann. Und wir nahmen in diesen Einsatz nur erfahrene Soldaten und keine Youngster mit. Das waren alles Offiziere oder Unteroffiziere mit Portepee*. In Einzelfällen wurde auch mal ein erfahrener Stabsunteroffizier eingeteilt. Zum größten Teil waren die zuerst eingesetzten Soldaten auch schon bei der Kurdenhilfe im Einsatz gewesen.

Da vermutlich aus finanziellen Gründen eine personelle Obergrenze von 30 Soldaten festgelegt war, aber alle Arbeitsgebiete zum Herstellen und Halten der Einsatzbereitschaft von ebendiesen paar Soldaten sichergestellt werden mussten, war eine besonders intensive Planung bei der Besetzung der Dienstposten notwendig. Schließlich mussten alle Fachbereiche ohne jede personelle Redundanz abgedeckt werden. Zum Vergleich: Diese Bereiche erledigten sonst „zu Hause“ mehrere Hundert Kameraden. Das waren zum Beispiel Triebwerk- oder Rotorblattwechsel, Abnahme durch Fachprüfer, Vorbereitung und Durchführung des fliegerischen Dienstes in widriger Umgebung sowie die ganze Logistik.

Da wir dies alles mit nur 30 Mann stemmen sollten, benötigten wir Personal mit Mehrfachqualifikation. Dabei ging es auch darum, wer vor Ort welche zusätzlichen Aufgaben übernimmt. Wer kocht zum Beispiel? Wer ist für die Logistik oder die Telekommunikation zuständig? Wer unterstützt den Führer vor Ort bei der notwendigen Stabsarbeit? Dass ein als Flugwerkprüfer eingeteilter Oberstabsfeldwebel zusätzlich mit der Unterstützung von Fachprüfern als Hilfskoch seine Kameraden täglich mit wundervollen Mittagsmahlzeiten beglücken konnte, sei hier nur am Rande erwähnt.

Damals gab es für einen derartigen Einsatz keine standardisierte Ausrüstung, weder für die Truppe noch für die Hubschrauber. Wir machten uns daher bei unseren Verbündeten schlau, vorwiegend bei den Amerikanern. Unser Flugsicherheitsoffizier zum Beispiel suchte nach einer Möglichkeit, mehr Sprit an Bord der CH-53 mitzunehmen, um den Einsatzradius...

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