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Die 1-Dollar-Revolution

Globaler Mindestlohn gegen Ausbeutung und Armut

AutorGeorgios Zervas, Peter Spiegel
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783492975049
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Ein globaler Mindestlohn von 1 Dollar pro Stunde würde die Schande menschenunwürdiger Armut in kürzester Zeit und weltweit in die Geschichtsbücher verbannen. Ein ganzes Bündel weiterer Menschheitsprobleme würde mit verschwinden: Flucht, Unterernährung, kriegerische Konflikte und Umweltzerstörung. Die gesamte Menschheit könnte vom ersten wirklich sozialen Weltwirtschaftswunder enorm profitieren. Denn ein solcher Mindestlohn wird das Einkommen von mehr als einer Milliarde Menschen über Nacht mehr als verdoppeln. Das Geld würde in mehr und bessere Ernährung fließen, in den Zugang zu Energie und zur digitalen Welt. Die Armen hätten plötzlich menschenwürdige Entwicklungsperspektiven in ihrer Heimat - was auch unserer Wirtschaft und Gesellschaft zugute käme. Georgios Zervas und Peter Spiegel zeigen, warum ein globaler Mindestlohn nicht nur wünschenswert, sondern auch höchst realistisch ist.

Georgios Zervas, Jahrgang 1956, studierte an der Universität Stuttgart Ingenieurwissenschaften. Er ist seit 1981 selbständig als Unternehmensberater im Bereich Organisation und Qualitätsmanagement. Er hat an zahlreichen sozialen Projekten mitgewirkt, u.a. in Indien und Afrika, und wurde im Jahr 2007 für sein darauf beruhendes Global Fair Trade Konzept mit dem Vision Award ausgezeichnet. Georgios Zervas ist verheiratet, hat drei Kinder und lebt in Stuttgart.

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Leseprobe

Prolog


Die ungelösten Probleme der Welt kommen nun zu Fuß zu uns


Im Jahr 1990 begann die erste globale Revolution. Hunderttausende Afrikaner machten sich auf den Weg, um ihren wohl unabwendbaren Hungertod nach einer großen Dürre nicht still in Afrika zu sterben, sondern in Europa, unmittelbar vor unseren Augen. »Seht zu, wie wir sterben«, war die Botschaft, die die Organisatoren damals den Europäern mit ihrem »Verhungern Live« übermitteln wollten.

Damals war dies noch ein Film, der für eine globale TV-Kampagne gedreht wurde, für die Kampagne »One World«, die von mehr als einer Milliarde Menschen gesehen wurde. Der deutsche Kampagnentitel war »Eine Welt für alle«. Der Filmtitel: »Der Marsch«. Der unter anderem auch in der ARD zur besten Sendezeit gezeigte BBC-Film wurde als maßlose Übertreibung und verantwortungslose Schwarzmalerei kritisiert. 15 Jahre später, 2005, verweigerte das spanische Fernsehen die Wiederausstrahlung mit der Begründung, dieser Film sei »zu realistisch«. Und zehn weitere Jahre später, 2015, überholte die Realität das filmische Szenario bereits um Längen. Am Ende des Films setzten gerade einmal 40 000 Menschen nach Europa über. In der Realität waren es 2015 bereits mehr als eine Million Flüchtlinge, die nach Europa kamen.

Inzwischen dämmert es immer mehr Europäern: Die ungelösten Probleme der Welt kommen nun, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn, zu Fuß zu uns. Wir können sie nicht mehr simpel »außen vor lassen«. Sie brechen sich, auf unterschiedlichsten Bahnen, den Weg zu uns. Die aktuellen Flüchtlingstrecks sind nur eine einzige von immer neuen Facetten einer globalrevolutionären Lage. Der sich ausbreitende globale Terrorweltbürgerkrieg ist eine andere Facette, der seine Todesspuren jetzt auch mitten in Europa hinterlässt. Weitere Völkerwanderungen aufgrund sich ausbreitender Zerstörungen von Ökosystemen und wachsender Folgen der Erdaufheizung zählen zu einer immer länger werdenden Liste von weiteren absehbaren Entwicklungen. Der Traum der Abschottung ist ausgeträumt. Die ungelösten Probleme der Welt, an deren Entstehung wir alles andere als wenig beteiligt waren, holen uns ein, schlicht und einfach, weil diese Probleme global sind, weil die Informationswege, die Wirtschaft, die Weltgesellschaft, weil alles global ist. Wegducken und Abschottung bedeuten heute eines: Die Wucht des Rückstoßes der ungelösten Weltprobleme nunmehr auch auf uns würde nur noch erheblich größer werden.

Daher gilt: Ohne Beseitigung der Fluchtursachen wird es keine Beendigung der Flüchtlingsströme geben. Ohne Beendigung der Erdaufheizung wird es kein Ende für deren eskalierende Folgen geben. Ohne endlich Ernst zu machen mit der Lösung der aufgestauten Flut globaler Probleme wird deren inzwischen sich von einem zum nächsten Thema fortsetzende Dammbruch Richtung Europa nicht mehr zu stoppen sein. Es ist alternativlos geworden, sich endlich in der notwendigen Dringlichkeit und Konsequenz der Lösung der Weltprobleme zu stellen. Dazu liefert dieses Buch konkrete, machbare und problemlösende Ideen – mit einem globalen Mindestlohn im Zentrum und etlichen damit verbundenen Vorschlägen.

In der gegenwärtigen Phase ist es wichtig zu verstehen, was da gerade abläuft und an welcher Stelle inmitten eines übergreifenden globalen Entwicklungsprozesses wir uns gerade befinden.

Der Club of Rome gab seinem im Jahr 1990 veröffentlichten zweiten großen Bericht den Titel »Die erste globale Revolution«. Dieser Begriff trifft den Kern des Prozesses. Alle bisherigen Phasen der sogenannten industriellen Revolution beschleunigten die Globalisierung aller menschlichen Gestaltungsoptionen in allen Lebensbereichen. Die digitale Revolution katapultierte diese Dynamik noch einmal in neue Dimensionen. Alle diese Revolutionen schufen in ihrem Ergebnis als neue Realität: eine Welt für alle, eine untrennbar miteinander vernetzte Lebenswelt einer Menschheit auf einer gemeinsamen Heimat namens Erde.

Diese in jedem denkbaren Wortsinne »globale Revolution« schafft die größten denkbaren Chancen, aber gleichzeitig – solange wir sie nicht verantwortungsvoll zu gestalten gelernt haben – die größten Herausforderungen und Gefahren. Auf die immensen Chancen der Globalisierung von Wissen, Information, Können, Erfahrung und allen technischen Hilfsmitteln für deren Vertiefung und Verbreitung kommen wir im Lauf dieses Buches ausführlich zu sprechen. Aber all diese Fortschritte nützen uns am Ende nichts, im Gegenteil, sie fügen uns sowie unseren Ökosystemen – den Grundvoraussetzungen für menschliches Leben auf diesem Planeten – irreversiblen Schaden zu, wenn wir es versäumen, die Ausweitungen der menschlichen Gestaltungspotenziale in eine globalsystemische Gesamtverantwortung einzubetten. Die Globalisierung menschlicher Möglichkeiten erzwingt unausweichlich die Globalisierung menschlicher Verantwortung.

Das Jahr 1972 markierte den Einstieg in eine Phase, in der die Menschheit sich der rasenden Globalisierung fundamentaler Bedrohungen ihrer Existenzgrundlagen bewusst wurde. Die Jahre 1990 bis 1992 markierten den Beginn der Phase, in der die Menschheit erkannte, dass sie sich eine global wirksame Gestaltungsfähigkeit für diese globalen Herausforderungen erarbeiten muss. Sie erkannte, dass davon schlicht ihre Überlebensfähigkeit abhängt. Sie organisierte globale Kampagnen wie »Eine Welt für alle« und nahm auch die entsprechenden globalen Verhandlungen auf der Ebene der Vereinten Nationen auf. Es sprechen starke Indizien dafür, dass das Jahr 2015 die entscheidende Phase dieser globalen Revolution markiert: die Phase, in der die Menschheit sich die so überfällige Gestaltungskraft samt der dafür erforderlichen konkreten Maßnahmen und Strukturen tatsächlich schafft. Große Meilensteine dieser Phase sind erreicht worden. Jetzt müssen wir sie festigen – mit einem globalen Mindestlohn.

Als der Club of Rome 1972 seinen ersten legendären Bericht, »Die Grenzen des Wachstums«, veröffentlichte, erwies sich dieser als Initialzündung für eine weltweite Umweltbewegung. Auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Belastbarkeit der Ökosysteme dieser Erde ihre Grenzen hat, nahm sich eine überall in der Welt aus dem Boden schießende Ökobewegung nichts Geringeres vor, als die Wende zu einer weltweiten Wirtschaftsweise der Nachhaltigkeit zu bewirken.

19 Jahre später erschien dann der schon erwähnte Bericht »Die erste globale Revolution«. Er machte deutlich: Umweltprobleme lassen sich nicht allein durch individuelles, lokales, regionales oder nationales Handeln lösen. Sie bedürfen auch und unumgänglich der Dimension globalen Handelns. Dieser Bericht blieb jedoch nicht bei den Umweltherausforderungen stehen, denn die technologischen Entwicklungen des 19. und 20. Jahrhunderts hatten bis dahin menschliches Agieren bereits in jedem Lebensfeld globalisiert. Plötzlich hatten nahezu alle Probleme eine globale Dimension. Schlimmer noch: Weil es für diese Probleme auf der globalen Ebene keine auch nur annähernd vergleichbar handlungsfähige Institution gab wie auf kommunaler bis nationaler Ebene, verbreiterte sich die Kluft zwischen globalem Handlungsbedarf und globaler Handlungsrealität immer weiter. Eine Studie in den 1990er-Jahren, die im Kontext eines großen Forschungsprojekts für die Vereinten Nationen erstellt wurde, listete bereits mehr als 10 000 Probleme auf, die nur noch lösbar waren unter Einschluss von global verbindlichen Lösungsstrategien und damit von global wirksamem Handeln.

Ein Jahr nach der Veröffentlichung von »Die erste globale Revolution« fand in Rio de Janeiro die erste »Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung« der Vereinten Nationen statt. Diese Konferenz formulierte eine überaus komplexe und ambitionierte Agenda, derer sich die Menschheit in den folgenden Jahren und Jahrzehnten annehmen müsse, wenn sie nicht die gesamte menschliche Zivilisation an die Wand fahren wolle. Es folgten serienweise themenbezogene Weltkonferenzen, die bekannteste davon die Weltklimakonferenz. Allein für das Thema Klimawandel fanden bis 2015 nicht weniger als 21 Weltkonferenzen statt.

Die ersten 24 Jahre seit der Verkündung der ersten globalen Revolution waren gekennzeichnet von immer stärkeren und kreativeren Anstrengungen einer immer größer und einflussreicher werdenden globalen Zivilgesellschaft. Sie machte sich mit großer Ernsthaftigkeit auf, die aufgestauten globalen Herausforderungen zu lösen. Dieses knappe Vierteljahrhundert war jedoch auch gekennzeichnet von einem erschreckenden Schneckentempo der politischen Entscheider und einer Wirtschaft, die sich, von Ausnahmen abgesehen, in der Summe ebenfalls viel zu langsam und viel zu wenig bewegte. Dadurch metastasierten nahezu alle globalen Probleme ungebremst weiter.

Doch das Jahr 2015 markiert wohl durch zwei Entwicklungen eine entscheidende Wende. Zum einen spürten die westlichen Länder, dass die ungelösten globalen Probleme jetzt auch sie tangieren, und zwar nicht mehr nur marginal, temporär oder schleichend, sondern unmittelbar, fundamental und Angst einflößend. Die Rekordmarke von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit im Jahr 2015, von denen so viele wie nie zuvor mitten ins Zentrum Europas kamen, ist nur ein Beispiel für viele.

Zum anderen gelangte, durch diese bedrohliche Entwicklung eher sogar verstärkt, ein ganz anderer Prozess zu Durchbrüchen, an die viele gar nicht mehr geglaubt haben: Sowohl die »Global Goals« als auch der Weltklimavertrag wurden im September beziehungsweise im Dezember 2015 von der Weltgemeinschaft einstimmig verabschiedet. Die Global Goals schreiben als...

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