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Die 5 Wirkfaktoren der systemisch-integrativen Therapie und Beratung (Leben Lernen, Bd. 268)

AutorWalther Cormann
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl204 Seiten
ISBN9783608106572
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Wie gut eine Psychotherapie gelingt, hängt nicht von Glück oder Zufall ab. Es gibt - so Walther Cormann - eine innere Logik, eine Struktur erfolgreichen therapeutischen Vorgehens. Er beschreibt Schritt für Schritt, wie das komplexe Geschehen in einer systemisch-integrativen Psychotherapie oder Beratung strukturiert, an den fünf Wirkfaktoren ausgerichtet und in Form der »Beratungsschleife« umgesetzt wird. Auf dieser Basis kann dann kreativ-spielerisch, lebendig, emotional und humorvoll interveniert werden. Das Ziel: gemeinsam mit dem Klienten neue Sichtweise und bessere Einstellungen zu erarbeiten und ein anhaltend positives Lebensgefühl zu fördern. Die fünf Wirkfaktoren: 1. Die Therapeutenpersönlichkeit 2. Das Setting 3. Die Therapie- und Beratungsschleife 4. Die Methoden 5. Die Mitverantwortung der Klienten DAS Aus- und Weiterbildungsbuch zur systemisch-integrativen Therapie und Beratung.

Walther Cormann ist Diplom-Psychologe und Diplom-Betriebswirt: Er arbeitet seit 1979 selbständig als Psychotherapeut, Berater, Coach, Supervisor und Lehrtherapeut für systemische Therapieund Beratungskonzepte. Seine Praxiserfahrungen beruhen auf Tausenden von Therapie- und Beratungsstunden mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Seit über 20 Jahren ist er als Dozent in der Weiterbildung für Psychotherapie und Beratung in Wasserburg am Bodensee tätig.Zum Cormann-Institute in Lindau am Bodensee

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Leseprobe

2.2 Das Setting


In diesem Kapitel werden die erforderlichen Grundlagen und der notwendige Rahmen für eine gelingende Psychotherapie und Beratung gleichermaßen erläutert. Jedes Haus benötigt ein Fundament, damit es einen guten Stand hat und über lange Zeit stabil bleibt. Das Fundament in der Psychotherapie und Beratung ist die beidseitige Motivation zur Erarbeitung und Umsetzung von notwendigen Veränderungen im Leben des Klienten. Hierzu muss nicht nur der Klient hinreichend motiviert sein. Auch der Therapeut muss sich fragen, ob er bereit ist, sich mit diesem speziellen Klienten und dessen Problemen, Fragestellungen und Zielen, seiner Lebensgeschichte und Lebenszukunft zu beschäftigen. Um dieser Frage nachzugehen und sie beantworten zu können, bedarf es im Vorfeld der eigentlichen Therapie ein Vorgespräch, auch Auftragsklärungsgespräch genannt. Während dieses Gesprächs, das aufseiten des Therapeuten einen Angebotscharakter für seine Dienstleistung hat und für den Klienten klären soll, ob er dem Therapeuten einen Auftrag für eine Therapie erteilen möchte, wird in den meisten Fällen erkennbar, welche Auftragsdynamik vorzufinden ist. Ich unterscheide die folgenden vier Auftragsdynamiken:

  • Der selbstmotivierte Klient: Er kommt aus freien Stücken, hat ein eigenes Anliegen und erwartet durch die Therapie eine Verbesserung seiner Lebenslage für sich selbst.
  • Der unmotivierte, geschickte Klient: Er befindet sich im Beschwerdemodus und hat zunächst kein eigenes Anliegen. Er möchte keine Behandlung, sondern findet, dass die anderen das Problem sind oder ihm ein Problem machen, weil sie meinen, er müsste sich ändern. Diesem Klienten wird also ein Problem gemacht, und er wird mehr oder weniger gezwungen, sich einer Therapie oder Beratung zu unterziehen. Dies kann man sich gut bei Jugendlichen vorstellen oder auch, wenn der Partner oder die Partnerin den anderen zur Therapie drängt oder auch hiermit erpresst. Auch kann es gerichtliche Auflagen an Eltern geben, sich einer Therapie zu unterziehen, ohne dass sie hierzu selber motiviert sind.
  • Der Klient als Gast: Er ist bereit mitzukommen, meint jedoch, sich nicht wirklich einbringen zu können, da er zu wenig Erfahrung oder Einfluss hat.
  • Der Klient als Co-Therapeut: Er ist oft in Paartherapien anzutreffen. Seine Rolle besteht darin, für den Partner oder die Partnerin zu sprechen und mit dem Therapeuten über sie/ihn und die richtige Behandlungsweise zu verhandeln bzw. verhandeln zu wollen. Solche Klienten zeigen sich als die absoluten »Therapieexperten«.

Für den Therapeuten ist es in jedem Fall wichtig, sich ein starkes Fundament für eine gelingende Therapie zu schaffen. Unklare Auftragslagen holen einen später immer wieder ein und belasten den Therapieprozess. Deshalb müssen widersprüchliche oder unerfüllbare Aufträge kommuniziert werden. Der Therapeut schildert sein Therapeutendilemma, macht es deutlich und durchschaubar. Er beschreibt seine Zwickmühle und die Vorteile einer widerspruchsfreien Auftragslage für den Therapeuten und für das Klientensystem. Hierzu ein Beispiel aus einer Paartherapie:

»Herr X, Sie möchten, dass ich in der Therapie dafür sorge, dass sich Ihre Frau ein anderes Verhalten zulegt, welches sie aber für sich ablehnt. Und Sie, Frau Y, möchten durch die Therapie erreichen, dass sich Ihr Mann in einer bestimmten Weise als Mann zeigt, die er für sich selbst aber nicht akzeptiert. Das bedeutet nun für mich, dass ich immer gegen das Interesse des einen arbeiten würde, wenn ich das Interesse des anderen unterstütze. Ich käme also vermutlich in Teufels Küche. Ist das nachvollziehbar für Sie beide? Deshalb möchte ich Sie gerne einladen, sich einmal kurz von diesem Erwartungsmuster, dass der jeweils andere sich ändern müsse, damit es einem selber besser geht, zu lösen und zu überlegen, ob es auch denkbar wäre, mehr auf sich selbst zu schauen und festzustellen, was und wie man selbst sein möchte, damit es einem in der Beziehung zusammen besser gehen kann.«

Bei unterschiedlichen Aufträgen aus einem Klientensystem geht es darum, eine optimale Organisation der Unterschiedlichkeiten vorzunehmen, etwa die beste zeitliche Reihenfolge zu vereinbaren oder nach der Wichtigkeit bzw. Dringlichkeit zu priorisieren.

Im Erstgespräch geht es also darum abzuklären, wer welche Erwartungen an die Therapie hat und ob diese machbar erscheinen. Es ist leicht nachvollziehbar, dass Klienten in der Problemtrance erwarten, dass mit den Mitteln, die zum Problem geführt haben, auch die Lösung erreicht werden kann. Dies ist jedoch eine unerfüllbare Erwartung und sollte den Klienten gleich von Anfang an als solche transparent gemacht werden. Hiermit einhergehen sollte das Angebot des Therapeuten, einen erfüllbaren Auftrag zu formulieren.

Das Erstgespräch mit einer Einzelperson, einem Paar oder einer Familie hat generell folgende Ziele:

  • Informationen über das Klientensystem zu erhalten,
  • Informationen in das Klientensystem zu geben sowie
  • eine tragfähige Beziehung mit dem Klientensystem aufzubauen.

Die folgenden systemischen Fragestellungen dienen dazu, gleichzeitig all diese Ziele zu erreichen:

  • Wie ist es dazu gekommen, dieses Erstgespräch zu vereinbaren?
  • Warum gerade jetzt?
  • Welche Erwartungen und welche Befürchtungen gibt es?
  • Was soll durch die Therapie erreicht werden?
  • Wie viel Therapieerfolg wird vermutet?
  • Wenn es zu einer Therapie käme, für wen wäre das vorteilhaft, für wen nachteilig?
  • Was sollte die Therapie nicht bearbeiten?
  • Wie könnte die Therapie scheitern und nicht zum Ziel führen?
  • Was wäre anders, wenn die Therapie erfolgreich beendet wird?

Der Therapeut lässt sich in jedem Fall von der Notwendigkeit und Nützlichkeit der Therapie für das Klientensystem überzeugen, nicht umgekehrt. Hierdurch wird auch die vorhandene Motivationslage der Klienten deutlich.

Die Erhebung weiterer Informationen dient dazu, den Kontext zu verstehen, in dem und für den um Therapie nachgesucht wird. Dabei ist es wichtig zu erfahren, wem das Problem zugeschrieben wird (wer ist der Symptomträger?) und seit wann das Problem oder Symptom besteht. Handelt es sich um eine aktuelle Problem-, Konflikt- oder Krisensituation oder um eine chronifizierte Problemlage? Wie erklärt sich der Klient das Auftreten des Problems und was wurde bislang unternommen, um sich von dem Problem zu befreien oder besser mit ihm umzugehen? Wie schätzt der Klient die Situation ein, wenn das Problem nicht mehr existent wäre?

Es geht in dieser Phase des Erstgesprächs überhaupt nicht darum, das präsentierte Problem genau zu analysieren, zu diagnostizieren oder gar darum, Abhilfe oder Lösungen zu präsentieren, sondern nur um das Kennenlernen der Sichtweise, der Interpretationen und Bedeutungszuschreibungen sowie der Bewertungen des Problems im Kontext des Klientensystems.

Der Klient beschreibt seine Situation beispielsweise wie folgt: »Ich leide seit Monaten an diesen Schlafstörungen, die rauben mir die Kraft für den nächsten Tag. Mein Job ist kein Zuckerschlecken, hier bin ich voll gefordert, manchmal auch überfordert, weil ich alles allein machen muss. Der Chef verspricht mir zwar Verstärkung, aber keiner kommt. Das geht jetzt so seit einem Jahr, jeden Tag mindestens zehn Stunden. Am Wochenende bin ich so erschöpft, da kann ich noch nicht mal mehr Rad fahren oder wandern wie früher. Und nachts bin ich so aufgedreht, ich komme nicht zur Ruhe und kann kaum noch liegen, weil mir der Rücken wehtut. Ich glaube, ich habe es auch an den Bandscheiben.«

Da wir durch eine therapeutische Maßnahme die Arbeitsplatzbedingungen nicht direkt beeinflussen können, müssen wir herausfinden, ob der Klient bereit ist, an sich zu arbeiten. Somit wird er nach seinen Zielen für die Therapie oder Beratung gefragt. Dabei ist es wichtig, dass die Ziele realistisch und erreichbar sind. Sie sind es dann, wenn sie durch die Selbstorganisation des Klienten beeinflussbar sind und nicht an externe Bedingungen geknüpft werden. Sollte ein Klient keine Ziele nennen können, dann ist zu fragen, ob es das Ziel sein kann, zunächst Ziele für die therapeutische Arbeit zu finden und festzulegen.

Der Therapeut stellt sich in dieser Phase des Gesprächs nicht die Frage nach der Lösbarkeit des Problems, sondern entwickelt erste Hypothesen bezüglich des Rahmens, in dem die Therapie oder Beratung später stattfinden kann. Zur Rahmung der Therapie gehört vor allem das Setting. Dieses besteht aus den Dimensionen:

  • sozial
  • räumlich
  • zeitlich
  • sachlich
  • materiell

2.2.1 Die soziale Dimension des Settings


Die soziale Dimension des Settings bezieht sich auf die an der Therapie direkt beteiligten Personen. Unterschieden werden somit:

  • Einzeltherapie mit einem Erwachsenen
  • Einzeltherapie mit einem Kind/Jugendlichen
  • Gruppentherapie mit mehreren Erwachsenen
  • Gruppentherapie mit mehreren Kindern/Jugendlichen
  • Paartherapie
  • Familientherapie
  • Mehrgenerationsfamilientherapie
  • Multifamilientherapie

Die häufigste Therapieform ist die Einzeltherapie. Hierbei möchte ich die Bedeutung der Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Klient hervorheben. Die Ebene der direkten, unmittelbaren und kontinuierlichen Interaktion bietet...

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