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E-Book

Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde

AutorBarbara Tolliner, Jesper Juul
VerlagRenate Götz Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl189 Seiten
ISBN9783958495593
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Barbara Tolliner ist fasziniert, was Kinder alles können. So auch ihr Motto: 'Kinder können mehr, wenn man sie lässt.' In ihrem Lern- und Beratungsinstitut sieht sie tagtäglich besorgte Eltern, die das Beste für ihre Kinder wollen. Das Image, dass Eltern nicht mehr erziehen und ihre Kinder in der Schule nicht unterstützen, kann Barbara Tolliner nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Noch nie haben Eltern so viel für ihre Kinder getan wie heute. Und sie vertrauen gehorsam das Wichtigste - ihr Kind - einem Schulsystem an, das noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Die ambitionierten Eltern und ihre Feinde zeigt anhand von acht dialogischen Gesprächen, wie sich Eltern für ihre Kinder einsetzen, sich in Sachen Schule ins Zeug werfen, was ihnen und ihren Kindern Druck und Stress verursacht und wie Schule aus ihrer Sicht besser gelingen kann.

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Leseprobe

Wie es zu diesem Buch kam


In der Schule hatte ich in Deutsch keine guten Noten. Mit einem Genügend war ich sehr zufrieden. An eine Deutschschularbeit kann ich mich gut erinnern, bei der meine Freundin für sich eine Schularbeit schrieb und nebenbei noch eine für mich, nachdem mir – wie so oft – zum vorgegebenen Thema nichts einfiel. Ich habe sie bewundert. Meine Freundin bekam auf ihre Arbeit ein Gut und ich – meiner Freundin sei nochmals auf diesem Wege gedankt – ein Befriedigend. Ich war im Himmel und sehr dankbar. Der Halbjahresnote konnte ich in diesem Semester entspannt entgegensehen. Das war aber nicht immer so.

Noch heute muss ich mich zum Schreiben überwinden, denn der Satz „Ich kann nicht schreiben“ und auch die Erfahrungen, die ich in der Schule gemacht hatte, haben sich in meine Erinnerung eingebrannt. Das fühlt sich nicht gut an. Doch der Wunsch, meine Gedanken in geschriebene Worte zu fassen, wird stärker. Das Spiel mit Worten macht mir Freude.

Die Schule habe ich erfolgreich hinter mich gebracht. Ich habe sogar bis zur Matura 1 durchgehalten. Ein Studium kam für mich nicht in Frage. Ich hatte genug von der Schule und vom Lernen und stürzte mich sofort ins Arbeitsleben. Ein Praktikum beim Arbeitsmarktservice verschaffte mir die Stelle einer Buchhalterin bei einer Siedlungsgenossenschaft. Meine Eltern waren sehr zufrieden, handelte es sich doch um einen „sicheren“ Job. Drei Jahre hielt ich durch, bis ich kündigte, meine Zelte abbrach und für ein Jahr nach Amerika ging.

In Houston vermisste ich meine Familie, den Lauf der Jahreszeiten und die Berge. Der „American way of life“ sagte mir nicht sonderlich zu. Nach einem Jahr war ich glücklich, wieder zu Hause zu sein. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben gestaltete sich schwierig. Für einen Job in einer Steuerberatungskanzlei nahm ich sogar einen Ortswechsel in Kauf.

Nach einem Jahr wurde ich schwanger und bekam meine Tochter Viktoria. Der schönste Moment in meinem Leben! Noch während der Karenzzeit erhielt ich die Möglichkeit, die Krankenstandsvertretung einer lieben Bekannten als Trainerin in einer Erwachsenenbildungsinstitution zu übernehmen. Sie trat eines Tages mit der Frage an mich heran: „Möchtest du mich in meinem Krankenstand vertreten? Ich kann zwei Wochen lang auf Grund einer Operation nicht arbeiten. Als Trainerin, finde ich, bist du gut geeignet. Ich schlage dich meiner Chefin vor, wenn du damit einverstanden bist.“ Ehrlich gesagt war ich überrascht, dass sie an mich dachte und mir diese Aufgabe zutraute. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, diese Art der Tätigkeit auszuüben. Meine Bekannte schon! Damit war mein beruflicher Richtungswechsel vollzogen.

Mein Weg als Trainerin in der Erwachsenenbildung begann. Die Arbeit mit Menschen bereitete mir große Freude. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, beruflich die richtige Richtung eingeschlagen zu haben. Mit Hilfe meines Mannes, der zu diesem Zeitpunkt an der Montanuniversität Leoben studierte, und unserer Eltern war es für mich möglich, Kind, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen. Glücklicherweise hatten wir als Eltern ein Heer an Helfern und Unterstützern an unserer Seite. Und ich bekam wieder Freude am Lernen. Es war die Zeit, in der ich eine Ausbildung nach der anderen absolvierte, neben meiner ganztägigen Beschäftigung und Kind. Die Zeit der beruflichen Irrwege war zum Glück endgültig vorbei.

Ich war sechs Jahre lang Trainerin in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Erwachsene, aber auch für Jugendliche. Dann wechselte ich hinter die Kulissen und organisierte Seminare in den Bereichen Gesundheit, Tourismus und Verkehr. Dazu kam noch die Mitarbeit an EU-Projekten, die mich in einige Länder Europas führte.

Meine Tätigkeit in der Erwachsenenbildungsinstitution war sehr abwechslungsreich. Dennoch war ich unzufrieden. Es war die Erkenntnis, dass ich mich hier nicht mehr wesentlich weiterentwickeln konnte. Ich suchte um Bildungskarenz an. Sie wurde genehmigt und ich absolvierte die Ausbildung zum ganzheitlichen Lerncoach. Das war eine wunderbare Zeit für mich, denn ich konnte die Ausbildung sozusagen hauptberuflich besuchen und musste nicht arbeiten. Nur Lernen. Ich hatte Zeit für mich und meine Familie. Eine mir sehr ungewohnte Lebensqualität. Ich hatte zuvor viele Jahre Vollgas gegeben.

In dieser Zeit tauchte zum ersten Mal der Wunsch auf, ein eigenes Lern- und Beratungsinstitut zu eröffnen. Während der Ausbildung wurde mir sehr deutlich bewusst, wie Kinder lernen – durch eigenes Erforschen und Entdecken! In der Schule meiner Tochter Viktoria war von Entdecken und Erforschen keine Spur. Kein Wunder, dass meine Tochter nicht begeistert war. Aber ich selbst war ja auch nichts anderes gewohnt. In meiner Schulzeit hatte ich mir angewöhnt, unter Zeitdruck Stoffgebiete auswendig zu lernen. Vor Tests und Schularbeiten büffelte ich dafür besonders oft in der Nacht und konnte das Gelernte bei den Tests und Schularbeiten wiedergeben. Der meiste gelernte Stoff verweilte äußerst kurzfristig in meinem Gedächtnis. Für eine positive Note reichte es allemal.

Kinder können mehr, wenn man sie lässt! Davon wurde ich damals überzeugt und bin es heute immer mehr. Zusätzlich drängte sich mir die Frage auf: „Warum nehmen wir Kindern die Freude am Lernen? Warum gelingt es uns selten, einen geeigneten Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem Kinder selbstständig und eigenverantwortlich lernen können?“ Dadurch wird es schwierig – für alle: Lehrer, Schüler und Eltern! Begriffe wie Motivation kommen ins Spiel. Denn jemanden zu motivieren, ist anstrengend, wenn sozusagen ständig von außen Impulse kommen müssen, um den Motor zu starten und am Laufen zu halten. Außerdem müssen die Impulse mit der Zeit verstärkt werden, um den Motor in Schwung zu halten.

Nach der Bildungskarenz kehrte ich zurück in meinen Beruf. Aus Sicherheitsdenken. Noch wagte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Doch mein Wunsch, mich selbstständig zu machen, wurde immer stärker. Nach einigen Monaten löste ich, einerseits mit großer Freude auf das Neue, andererseits mit Wehmut und Ängsten, mein Dienstverhältnis bei der Erwachsenenbildungseinrichtung.

Heute bin ich Unternehmerin mit meinem Lern- und Beratungsinstitut take-off®. Mit einem gesamtheitlichen Ansatz startete ich mein Institut mit Lerntraining, Lernberatung und Workshops für Schüler. Nachhilfe gab es zu Beginn nicht in meinem Angebot.

Bald stellte ich zwei Dinge fest: Erstens benötigen manche Schüler tatsächlich Nachhilfe, um ihre Wissenslücken, die sie aus unterschiedlichen Gründen haben, zu schließen. Zweitens musste ich die Eltern beim Thema Schule und Lernen mit ins Boot holen. Ich konnte sozusagen ja nicht mit der halben Mannschaft arbeiten.

Die Qualifikation dafür holte ich mir in der Ausbildung Family Counseling, also Familienberatung, bei Jesper Juul und Helle Jensen. Ich wollte von den Besten lernen. Jesper Juul ist dänischer Familientherapeut, Konfliktberater, Autor von rund 25 Büchern und Gründer von familylab International, der Familienwerkstatt. Helle Jensen stammt ebenfalls aus Dänemark und ist Diplompsychologin und Familientherapeutin. Gemeinsam schrieben sie das Buch Vom Gehorsam zur Verantwortung. Für eine neue Erziehungskultur. Ich war glücklich, von zwei so großen Impulsgebern lernen zu dürfen. Und: Es war ein wunderbares Lernerlebnis für mich. Weil ich so viel wie möglich von Jesper Juul mit seiner fast 40-jährigen Erfahrung mit Familien erfahren wollte, startete ich parallel dazu noch die Ausbildung zur familylab-Seminarleiterin.

familylab ist eine internationale Organisation für Beratung und Kompetenzentwicklung. Seit 2004 ist familylab aktiv, mittlerweile in 14 Staaten der Welt, und unterstützt und begleitet Familien in ihrer Entwicklung. Die Basis ist nicht mehr das Prinzip „Gehorsam“, sondern es geht um Gleichwürdigkeit, elterliche Wertschätzung und Hinführung zu Eigenständigkeit. Diese Werte sprachen mich sofort an. Mir wurde klar, dass es kein fertiges Rezept, wie Familien ihren Alltag leben können, geben kann, auch wenn sich Eltern danach sehnen.

Heute berate ich Familien, wo sich das Zusammenleben schwierig gestaltet. Seitdem habe ich viele traurige Geschichten von Familien über Kinder und ihre Erlebnisse in der Schule gehört. Ich war immer wieder beeindruckt, was Eltern heute für ihre Kinder tun, damit es ihnen in der Schule gut bzw. besser geht. Und sie tun außergewöhnlich viel. Oft zu viel.

Eltern arbeiten täglich als Kontrolleure der Hausaufgaben. Sie radieren nicht schön geschriebene Worte und falsche Rechenergebnisse aus. Sie schreiben für ihre Kinder Aufsätze und Referate, wenn es nicht so recht klappen will. Sie machen es, damit die Aufgaben erledigt und korrekt gelöst von ihren Kindern abgegeben werden können, damit sie gute Noten und keine Schwierigkeiten bekommen. Sie sind außerdem sozusagen als Hilfslehrer tätig und erklären ihren Kindern, was sie in der Schule nicht verstanden haben. Das ist ein sehr mühsamer Job und auf lange Sicht gesehen selten erfolgreich. Kinder machen dabei zwar eine Zeit lang mit, denn sie kooperieren mit ihren Eltern. Früher oder später wollen sie mit ihren Eltern jedoch nicht mehr lernen und bringen das auch deutlich zum Ausdruck. „Von mir nimmt meine Tochter nichts an“ oder „Mit mir will mein Sohn nicht mehr lernen“ sind Aussagen von Eltern, die ich immer wieder in meinem Institut höre. Wird die Jause oder ein Heft zu Hause vergessen, springen sie als Servicekraft ein und bringen die vergessenen Dinge nach. Sie übernehmen Taxidienste von zu Hause zur Schule und zu vielen anderen Einrichtungen und zurück....

Blick ins Buch

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