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E-Book

Die Apostel

Der Ursprung des Christentums und die Welt zur Zeit Jesu

AutorErnest Renan
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl284 Seiten
ISBN9788026843764
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Dieses eBook: 'Die Apostel' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. 'Die Apostel' schildert die Periode gemeinschaftlicher Thätigkeit, während welcher die kleine durch Jesus geschaffene Familie vereint vorgeht und sich moralisch um einen einzigen Punkt, Jerusalem, gruppiert. Das Buch wird uns aus diesem Kreise heraustreten lassen und uns fast nur den Mann zeigen, der mehr als jeder andere das erobernde und wandernde Christentum darstellt: den heiligen Paulus. Obgleich er sich von einem gewissen Zeitpunkt an den Titel eines Apostels beigelegt hatte, kam er ihm doch nicht so, wie den 'Zwölf' zu; er ist ein Arbeiter zweiten Grades und fast ein Eindringling. Der Zustand, in welchem die geschichtlichen Schriften uns überliefert wurden, versetzt uns hier in eine gewisse Täuschung. Da wir unendlich mehr über Paulus als über die 'Zwölf' wissen; da wir seine authentischen Schriften sowie ursprüngliche Mitteilungen von besonderer Genauigkeit über einige Epochen seines Lebens besitzen, so messen wir ihm eine Bedeutung ersten Ranges bei, welche die von Jesus fast überragt. Das ist ein Irrtum. Paulus ist ein großer Mann und er spielte bei der Gründung des Christentums eine der bedeutendsten Rollen. Er kann jedoch nicht mit Jesus, ja nicht einmal mit dessen unmittelbaren Jüngern verglichen werden. Paulus hatte Jesus nicht gesehen; er hatte nicht die Ambrosia der galiläischen Verkündungen gekostet... Ernest Renan (1823-1892) war ein französischer Schriftsteller, Historiker, Archäologe, Religionswissenschaftler und Orientalist und Mitglied der Académie française. 1855 gab Renan eine historisch-systematische Konkordanz der semitischen Sprachen heraus. Verschiedene Reisen vor allem in den Nahen Osten führten zur Entstehung seines Hauptwerkes Das Leben Jesu, dessen erster Band 1863 erschien.

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Leseprobe

Erstes Kapitel


Bildung der auf die Auferstehung Jesu sich beziehenden Glaubenssätze. – Die Erscheinungen von Jerusalem.

Obgleich Jesus stets von Auferstehung und neuem Leben sprach, hatte er doch nie ausdrücklich bemerkt, daß er in seinem Fleische auferstehen würde.33. Die Jünger hatten hinsichtlich dessen in den seinem Tode zunächst folgenden Stunden keine bestimmte Hoffnung. Die Gefühle, die sie uns mit einer naiven Vertraulichkeit äußern, lassen sogar annehmen, daß sie nun alles als beendet betrachtet haben. Sie beweinten und begruben ihren Freund, wenn auch nicht als gewöhnlichen Toten, so doch als eine Person, deren Verlust unersetzlich ist (Mark. XVI, 10; Luk. XXIV, 17, 21); sie sind traurig und niedergeschlagen; die Hoffnung, die sie hegten, in ihm das Heil Israels verwirklicht zu sehen, war vereitelt; man könnte sie für Männer halten, die eine große und teure Illusion verloren haben.

Aber Begeisterung und Liebe finden immer einen Ausweg. Sie spielen mit dem Unmöglichen und bevor sie ihrem Hoffen entsagen, thun sie lieber der Wirklichkeit Gewalt an. Mehrere Worte des Meisters, deren man sich erinnerte, besonders diejenigen, durch die er sein künftiges Erscheinen voraussagte, konnten in dem Sinne gedeutet werden, daß er aus dem Grabe erstehen würde (s. die vorher citierten Stellen, besonders Luk. XVII, 24, 25, XVIII, 31-34). Eine solche Gläubigkeit war übrigens so natürlich, daß schon der Glaube der Jünger genügt hätte, um sie in allen Teilen zu schaffen. Die großen Propheten Henoch und Elias hatten den Tod nicht verkostet. Man neigte sich selbst dem Glauben zu, daß die Patriarchen und die hervorragendsten Männer des Alten Testaments nicht wirklich tot, daß ihre Leiber in ihren Gräbern zu Hebron lebten und beseelt seien.34 Jesus mußte dasselbe begegnen, was allen Menschen begegnet, welche die Aufmerksamkeit von ihresgleichen gefesselt haben. Die Welt, gewohnt, ihnen übermenschliche Tugenden beizumessen, kann es nicht fassen, daß sie dem ungerechten, empörenden, harten Gesetze allgemeinen Todes unterworfen sein sollten. Im Moment, wo Mohammed starb, trat Omar mit dem Säbel in der Hand aus dem Zelte und erklärte, er werde jedem den Kopf abschlagen, der zu sagen wagte, der Prophet sei nicht mehr.35 Der Tod ist ein so absurdes Ding, wenn er einen Menschen von Genie und einen großherzigen Menschen niederschlägt, daß das Volk an die Möglichkeit eines solchen Irrtums der Natur nicht glauben will. Die Helden sterben nicht. Besteht die wirkliche Existenz nicht darin, daß sie für uns fortwähre in den Herzen derjenigen, die uns lieben? Dieser angebetete Meister hatte jahrelang die kleine Welt, die sich um ihn geschart hatte, mit Freude und Hoffnung erfüllt: konnte man nun zugeben, daß er im Grab vermodere? Nein! Zu sehr hatte er in denjenigen, die ihn umgaben, gelebt, als daß man nach seinem Tode nicht hätte behaupten sollen, er lebe noch immer (Luk. XXIV, 23, Apostelg. XXV, 19; Jos. Ant . XVIII, 3, 3).

Der Tag, welcher der Grablegung Jesu folgte (Samstag, 15. Nisan), war von diesen Gedanken erfüllt. Man unterließ des Sabbaths wegen jede Handarbeit; aber nie mochte eine Ruhezeit fruchtbarer gewesen sein. Das christliche Bewußtsein hatte an jenem Tage nur einen Gegenstand: den im Grabe ruhenden Meister. Besonders die Frauen überhäuften ihn im Geiste mit ihren zärtlichsten Liebkosungen. Ihre Gedanken verlassen auch nicht für einen Augenblick den in Myrrhen gebetteten teuern Freund, welchen die Bösen getötet haben. Ach, zweifellos! ihn umgeben jetzt die Engel und verhüllen ihre Angesichter mit seinem Leichentuch. Wohl sagte er, daß er sterben werde, daß sein Tod dem Sünder zum Heil werde, und daß er im Reich seines Vaters wieder aufleben werde. Jawohl! er wird wieder aufleben! Gott wird seinen Sohn nicht der Hölle zur Beute werden lassen; er wird nicht zugeben, daß sein Erwählter die Verwesung erkenne!36 Was bedeutet auch der Grabstein, der auf ihm lastet! Er wird ihn beseitigen; er wird zur Rechten seines Vaters sich erheben, von wo er auch gekommen ist. Und wir werden ihn wiedersehen; wir werden seine holde Stimme vernehmen; wir werden uns von neuem seiner Gespräche erfreuen und sie werden ihn vergeblich getötet haben.

Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, der durch den Einfluß griechischer Philosophie zum christlichen Dogma geworden, macht es leicht, für den Tod das Wort zu führen, da nach dieser Hypothese, die Auflösung des Leibes nur die Befreiung der Seele ist, die fortan von den hindernden Banden befreit ist, ohne die sie bestehen kann. Aber diese Theorie, wonach der Mensch eine Zusammensetzung von zwei Substanzen wäre, war den Juden nicht klar. Das Reich Gottes und die Herrschaft des Geistes bestand für sie in einer vollständigen Umformung der Welt und in einer Vernichtung des Todes (1. Thess. IV, 12 etc.; 1. Kor. 15; Offenb. 20 bis 22). Anerkennen, daß der Tod siegreich über Jesu sein konnte, über den, der gekommen dessen Reich zu zerstören: das dünkte der Gipfel des Unsinns zu sein. Schon der Gedanke, daß er leiden könnte, hatte früher seine Jünger empört (Matth. XVI, 21 etc.; Mark. VIII, 31 etc.). Diese hatten demnach nur die Wahl zwischen Verzweiflung und heldenhaftem Zugeständnis. Ein scharfsinniger Mensch hätte bereits Samstag ankündigen können, daß Jesus auferstehen werde. Die kleine christliche Gemeinde vollbrachte an jenem Tage ein wahres Wunder: sie ließ in ihrem Herzen durch die innige Liebe zu Jesus diesen auferstehen. Sie entschied, daß Jesus nicht sterben würde. Die Liebe dieser leidenschaftlichen Seelen war thatsächlich stärker als der Tod (Jos. Ant . XVIII, 3, 3). Und da es der Leidenschaft zu eigen ist sich fortzupflanzen, einer Fackel gleich zu entzünden, ein Gefühl zu erwecken, das ihr selbst ähnlich ist und sich ins Unendliche erweitert – war Jesus in der Stunde, zu der wir gelangt sind, sozusagen schon auferstanden. Wenn jetzt nun eine unbedeutende materielle Thatsache den Glauben zuläßt, daß sein Leib nicht mehr hienieden sei, so ist das Dogma der Auferstehung für Zeit und Ewigkeit begründet.

Das war es, was unter Umständen erfolgte, die wohl teilweise zufolge des geringen Zusammenhangs der Traditionen, und besonders der in diesen enthaltenen Widersprüche, dunkel sind, aber nichtsdestoweniger sich mit einem ausreichenden Grad der Wahrscheinlichkeit annehmen lassen. (Man lese aufmerksam die vier Darstellungen der Evangelien und die Stelle 1. Kor. XV, 4-8).

Sonntag in früher Morgenstunde begaben sich die galiläischen Frauen, die Freitag abends in aller Eile den Leib einbalsamiert hatten, zur Höhle, wo er zeitweilig eingebracht wurde. Es waren Maria Magdalena, Maria Kleophas, Salome, Johanna, Weib des Kusa und noch andere (Matth. XXVIII, 1; Mark. XVI, 1; Luk. XXIV, 1; Joh. XXI, 1). Sie kamen wahrscheinlich einzeln dahin, denn wenn es schwer ist, die Überlieferungen der drei Synoptiker anzuzweifeln, nach welchen mehrere Frauen zu dem Grabe kamen (Joh. XX, 2, scheint sogar anzunehmen, daß Maria nicht immer allein war), so ist es anderseits wieder gewiß, daß nach den zwei authentischesten Darstellungen, die wir von der Auferstehung besitzen, einzig nur Maria Magdalena hierbei eine Rolle spielt.37 In jedem Falle hatte sie in diesem feierlichen Moment eine ganz außergewöhnliche Thätigkeit entwickelt. Sie ist es, der man Schritt auf Schritt folgen muß, denn sie trug an diesem Tage, während einer Stunde die ganze Arbeit des christlichen Bewußtseins; ihr Zeugnis entschied über den Glauben der Zukunft.

Erinnern wir uns, daß die Höhle, in die Jesu Leichnam geschlossen wurde, frisch in den Felsen gehauen war und in einem Garten nächst der Richtstätte sich befand (Matth. XXVII, 60; Mark. XV, 46; Luk. XXIII, 53). Man wählte sie einzig nur aus diesem Grunde, denn es war spät und man wollte den Sabbath nicht entweihen (Joh. XIX, 41, 42). Nur das erste Evangelium fügt einen Umstand dazu: die Höhle habe Joseph von Arimathia gehört. Aber im allgemeinen sind die anekdotenhaften Umstände, die von dem ersten Evangelium dem gemeinsamen Grund der Tradition zugefügt werden, ohne Wert, besonders wenn es sich um die letzten Tage des Lebens Jesu handelt (vgl. »Leben Jesu«, S. 29). Das Evangelium erwähnt eine andere Einzelheit, die im Hinblick auf das Schweigen der andern keine Wahrscheinlichkeit für sich hat: es ist das der Umstand, daß das Grab versiegelt wurde und eine Wache dahingestellt.38 – Erinnern wir uns auch, daß die Grabhöhle aus niedrigen, in einen gesenkten Felsen gehauenen Kammern bestand, an welchem ein senkrechter Einschnitt gemacht wurde. Die Thüröffnung war gewöhnlich von oben herab durch einen schweren Stein geschlossen, der in einen Falz verlief.39 Die Kammern hatten kein Schloß und Riegel, die Schwere des Steines war die einzige Gewähr vor Dieben und Grabschändern; auch war er dermaßen beschaffen, daß zu seiner Bewegung eine Maschine oder die vereinten Bemühungen mehrerer Personen nötig waren. Alle Traditionen stimmen damit überein, daß der Stein vor die Öffnung der Höhle Freitag abends gelegt wurde.

Als nun aber Maria Magdalena Sonntag morgens dahin kam, war der Stein nicht mehr an seiner Stelle. Die Höhle stand offen. Der Leichnam befand sich nicht mehr dort. Der Auferstehungsgedanke war bei ihr noch wenig entwickelt. Was ihre Seele erfüllte war zarte Trauer und der Wunsch, die Leichenpflege am Leibe ihres göttlichen Freundes vorzunehmen. Auch waren ihre ersten Gefühle Überraschung und Schmerz. Das Verschwinden des teuern Leibes raubte ihr die letzte Freude, auf die sie noch gerechnet hatte. Sie sollte seine Hände nicht mehr berühren! ... Und was ist aus ihm geworden? ... Der Gedanke an eine Schändung stieg...

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