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E-Book

Die arabische Gefahr

Wie kriminelle Familienclans unsere Sicherheit bedrohen

AutorMichael Behrendt
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783732579990
Altersgruppe16 – 99
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Tödliche Schüsse vor einer Neuköllner Bar. Massenschlägerei mit Axt und Schlagstöcken in Kreuzberg. Schutzgelderpressungen: Arabische Großfamilien beherrschen die Straßen unserer Hauptstadt. Und die kaputt gesparte Berliner Polizei hat keine Mittel, um die Banden zu stoppen. Michael Behrendt untersucht die Wurzeln der Clans, enthüllt, wie sie die Polizei unterwandern - und warum sie zu einer Bedrohung für das ganze Land werden können, wenn die Politik nicht gegensteuert.

Michael Behrendt ist Chefreporter der WELT. Er schreibt seit 30 Jahren u.a. für BILD, BERLINER MORGENPOST, B.Z. Für die Enthüllungen über die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche wurde er mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet. Als Kriegsreporter berichtete er aus Bosnien, Afghanistan, Ruanda und Libanon. Mit seiner Familie lebt er in Berlin.

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Leseprobe

Arabische Clans in Deutschland


Das von Bundesinnenmister Horst Seehofer geforderte, landesweit übergreifende Lagebild sollte bei Fertigstellung dafür sorgen können, endlich die genauen Strukturen der »Medusa-Clans« zu beleuchten. Sie agieren im Ruhrgebiet, in Bremen und in Berlin. Die Vorgehensweise ist eigentlich bei allen identisch: Es wird gemacht, womit Geld verdient werden kann, also Drogen, Prostitution, Waffenhandel, Schutzgelderpressung, organisierter Diebstahl und so weiter. Gerade in Berlin machten die Hauptstadt-Clans mit spektakulären Coups auf sich aufmerksam.

Da ist beispielsweise der Clan der Abou-Chakers, wegen der Buchstaben im Familiennamen auch »ABC-Clan« genannt. Laut Schätzungen hat er 150 Mitglieder. Das ist nicht sonderlich viel, aber diese Familie gilt als gefährlich und effektiv. Sie hat sich über die Grenzen der Hauptstadt hinaus einen Namen gemacht, weil ihr Anführer, Arafat Abou-Chaker, lange Zeit ein intensives freundschaftliches und geschäftliches Verhältnis mit dem deutschlandweit bekannten Rapper Bushido pflegte. Mitte der Siebzigerjahre kam die Familie Abou-Chaker nach Berlin, zuvor hatte sie in palästinensischen Flüchtlingslagern gelebt. Die deutsche Staatsanwaltschaft rechnet die Familie der Organisierten Kriminalität zu. Das Spektrum reicht – im Grunde wie bei all diesen berüchtigten Großfamilien – von Schutzgelderpressung über Waffenhandel bis hin zu Raubüberfällen. Mittlerweile ist es für die Ermittlungsbehörden schwer, noch einen Überblick über die Machenschaften der Familie zu bekommen, denn viel des illegal erwirtschafteten Geldes wurde in legale Geschäfte wie Lokale und Immobilien gesteckt.

Nachdem sich der Gangster-Rapper Bushido vom ABC-Clan gelöst hatte, soll er sich kurzzeitig mit der Familie Remmo angefreundet haben. Dieser Clan ist vor allem auf Diebstahl spezialisiert und hat mit spektakulären Coups von sich reden gemacht. Einer davon ist der Raub der überdimensionalen Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum.

Etwa 500 Angehörige werden der Großfamilie zugerechnet. Den Behörden sind sie immer wieder wegen Körperverletzung, Schutzgelderpressung, Raub, Drogenhandel, Diebstahl und Hehlerei aufgefallen. Ursprünglich stammen sie aus dem Südosten der heutigen Türkei unweit der Grenze zu Syrien. Später siedelten sie in den Libanon über, galten dort aber nur als staatenlos und zählten zur untersten Gesellschaftsschicht. In den Achtzigerjahren, während des Libanesischen Bürgerkriegs, fanden sie schließlich ihren Weg nach Deutschland. 1992 geriet der Name Remmo in die Schlagzeilen, als zwei Clan-Mitglieder im Berliner Stadtteil Schöneberg einen Gastronomen aus dem ehemaligen Jugoslawien erschossen.

Probleme mit den Clans haben auch andere deutsche Städte. Die Hansestadt Bremen wird von der Familie Miri dominiert. Laut Schätzungen gehören 2.500 Personen zu diesem Clan, gegen ungefähr die Hälfte von ihnen hat die Polizei bereits ermittelt. In erster Linie handeln die Clan-Angehörigen mit Waffen und Drogen. Zudem sollen sie im Schutzgeldgeschäft aktiv sein. Sie schlossen sich einst mit dem berüchtigten Rockerclub Mongols zusammen, der seit jeher mit den Hells Angels verfeindet ist. Dies sorgte für Sorgenfalten bei den Ermittlern, denn die Verbindung zwischen brutalen Rockergangs und anderen gut vernetzten Tätern der Organisierten Kriminalität stellte eine neue Herausforderung dar.

Die personell größte Familie stellt der Clan von Mahmoud Al-Zein dar; 15.000 Mitglieder soll die Familie bundesweit haben. Für den Familiennamen gibt es verschiedene Schreibweisen, was die tägliche Arbeit beispielsweise bei Personenkontrollen für die Beamten erschwert. Mahmoud Al-Zein galt einst als der mächtigste Unterwelt-Chef Berlins und wurde daher auch der »Präsident« genannt. Die verschiedenen Schreibweisen für diese Familie lauten: Al-Zein, Al-Zayn oder auch El-Zein. Sie stammt aus Südanatolien und zählt zu den Mhallami, einer arabischsprachigen Volksgruppe in der Türkei und im Libanon. Einige Mitglieder dieser Familie gelten als Intensivtäter. Die ihnen zur Last gelegten Taten ziehen sich quer durch das Strafgesetzbuch: Neben Gewalt- und Betrugsdelikten sagt man ihnen Medikamenten- und Drogenhandel nach, hinzu kommen der sogenannte »Leistungsmissbrauch«, Ladendiebstahl und anderes.

Tatort Bremen


30 Familien mit etwa 2.500 Mitgliedern stellen in der Hansestadt den Clan der Miri. Die überführten Kriminellen unter ihnen fielen durch Schutzgelderpressung und den Handel mit Waffen, Drogen und Medikamenten auf, und auch im Rotlichtmilieu sind sie aktiv.

Die klassische Vorgehensweise bei der Schutzgelderpressung: Jemand eröffnet ein Restaurant oder Lokal. Eines Tages erscheinen dort mehrere Personen, provozieren Streit oder gar eine Schlägerei mit anderen Gästen und versuchen, Sachschaden anzurichten. Tags darauf betreten Verwandte der Krawallmacher die Örtlichkeit und bieten an, derartige Zwischenfälle künftig zu verhindern – natürlich gegen Bezahlung. Wer brav zahlt, hat zwar finanzielle Einbußen, aber dafür seine Ruhe. Wer die Zahlung verweigert, muss hingegen ständig in Angst leben, Opfer einer körperlichen Attacke zu werden und am Ende vor den Trümmern seiner Existenz zu stehen. Unendliche Sicherheit garantiert aber auch die wöchentliche Barzahlung nicht, die Täter erhöhen die zu entrichtende Schutzgeldsumme nach eigenem Ermessen. »Die Kriminellen achten aber schon darauf, dass die Erpressten nicht an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten kommen. Denn ein insolventes Lokal bringt kein Geld mehr ein. So clever sind die Herrschaften dann schon«, erzählt ein Polizist.

Das Problem, mit dem die Stadt und ihre Sicherheitsbehörden in erster Linie zu kämpfen haben, ist das Auftreten der Clan-Mitglieder in der Öffentlichkeit. Polizisten berichten übereinstimmend von Drohgebärden und mangelndem Respekt allen anderen Bürgern gegenüber – die Polizei eingeschlossen. Nicht selten sei es vorgekommen, dass Verdächtige bei Überprüfungen allein durch die Nennung ihres Familiennamens Eindruck schinden und somit Druck auf die Beamten ausüben wollten. »Viele der polizeibekannten Täter sind überaus rabiat und gewaltbereit. Diesen Ruf wollte der Clan auf die Straße transportieren. Zeitweise gelang das auch.« Es sollte sich herumsprechen, dass die Mitglieder keine Angst haben und auch körperliche Auseinandersetzungen nicht scheuen. Selbst in den Schulen prahlten Kinder und Jugendliche damit, zum Clan der Familie Miri zu gehören. Das sorgte für Angst unter den Schulkameraden und für Sorgenfalten bei Lehrern und Eltern.

Besonders im Nachtleben am Wochenende, so berichtet ein anderer Beamter, habe es in und auch vor den Lokalen und Diskotheken »Stress gegeben«. Das Auftreten war immer gleich: in Gruppen, laut, bedrohlich. Man scherte sich nicht darum, ob eine junge Frau mit ihrem Freund unterwegs war, und sprach sie an. Das beleidigte zum einen die Frau selbst und provozierte zudem ihren Begleiter. Begehrte der auf, wurde er geschlagen oder mit dem Messer bedroht oder gar angegriffen. Auch so sollte gezeigt werden, wer der Herr auf den Straßen war.

Die Bremer Polizei entschied sich bereits vor Jahren, eine Null-Toleranz-Linie zu ziehen. Das heißt, bereits kleinste Vergehen wurden geahndet. Zwar herrscht im Norden Deutschlands wie in anderen Bundesländern auch Personalmangel bei der Polizei, doch wenigstens hat die Stadt keine ständigen Zusatzaufgaben zu bewältigen wie etwa Berlin. US-Präsidenten kommen nicht zu Besuch, es gibt keine Mai-Krawalle und keine radikale Hausbesetzerszene. Und so konnten die Bremer es sich leisten, im Vergnügungsviertel der Stadt am Wochenende eine komplette Hundertschaft vor die Diskotheken zu stellen, die bei der kleinsten aufkeimenden Auseinandersetzung zur Stelle war. Das störte die Schläger, verdrängte sie. Die Polizei konnte auf diese Weise zumindest die Straße zurückerobern. Damit ist das Problem der Organisierten Kriminalität an sich natürlich nicht gelöst. Aber die Bevölkerung spürt, dass die Polizei zumindest den Gang zur Diskothek durch ihre Anwesenheit wieder ermöglicht.

Die Bremer Ermittlungsbehörden setzen immer wieder Nadelstiche. Es gibt Razzien in einschlägigen Bars und regelmäßige Personenkontrollen. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) ist regelmäßig zur Stelle und vermittelt an die Szene die Botschaft, dass der Staat auch hart durchgreifen kann.

Auch juristisch war Bremen stark und konsequent. Angehörige des Miri-Clans gründeten im August 2010 einen deutschen Ableger der berüchtigten amerikanischen Rocker-Bruderschaft Mongols MC, Todfeinde der Hells Angels. Das ist generell erst einmal nicht verboten. Doch mit einem Motorradclub, wie ihn sich der Durchschnittsbürger vorstellt, hatte diese Vereinigung in Bremen nichts zu tun. Das waren keine Biker mit langen Haaren und einer Harley-Davidson unter dem Hintern. Bis auf ein Mitglied besaß keiner dieser vermeintlichen Rocker ein Motorrad, geschweige denn einen entsprechenden Führerschein. Das sorgte dafür, dass der Präsident des international operierenden Clubs dem Bremer Ableger den Rücken kehrte: Sie seien keine Mongols, sondern lediglich Leute, die durch ihre Taten die Aufmerksamkeit der Polizei auf den Club gelenkt hätten.

Bereits im Mai 2011 setzten die Bremer Behörden durch, dass im Bereich der Innenstadt keine Kutten oder Shirts mit den Insignien des Rockerclubs getragen werden durften. Tage später wurde der Club ganz verboten, weil er nach behördlichen Einschätzungen nur dazu gedient habe, Straftaten zu begehen und durch das Auftreten Angst und Schrecken...

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