Abb. 5: Phase 2: Die strategische Basis festlegen
Die Balanced Scorecard ist in erster Linie ein Konzept zur Umsetzung von vorhandenen Strategien und nicht zur Entwicklung von grundsätzlich neuen Strategien.[65] Deshalb ist eine klar formulierte, einheitliche und vollständige Strategie die Grundlage für eine erfolgreiche Balanced Scorecard und unabdingbare Voraussetzung für den Beginn eines Balanced Scorecard-Projektes.[66]
Zu Beginn eines Balanced Scorecard-Projektes trifft man selten auf eine fertige, allgemein akzeptierte Strategie. Die Voraussetzungen bezüglich der Reife der Strategie sind allerdings sehr unterschiedlich. Häufig befinden sich die Strategien des Unternehmens nur in den Köpfen der Manager bzw. der Geschäftsführer oder die Strategien existieren lückenhaft, mehrdeutig oder nicht opernationalisiert. Oftmals lässt sich in Unternehmen die vorliegende Situation auch nicht auf Anhieb erkennen. Hinzu kommt das Strategien dynamisch sind und kontinuierlichen Anpassungen und Weiterentwicklungen unterliegen.[67]
Aufgabe dieser Phase ist es deshalb, die strategischen Grundlagen innerhalb des Unternehmens zu klären bzw. zu schaffen und die strategische Stoßrichtung festzulegen, um somit eine solide Ausgangsbasis für die anschließende Entwicklung der Balanced Scorecard zu gewährleisten. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die Schaffung eines gemeinsamen, homogen Strategieverständnisses innerhalb des gesamten Unternehmens. [68]
Grundlage für die Implementierung der Balanced Scorecard ist ein einheitliches Verständnis bezüglich der Strategie, wobei die Strategie die Aufgabe hat, die Existenz eines Unternehmens langfristig zu sichern.[69]
Um eine Balanced Scorecard entwickeln zu können, werden im Vorfeld eine ganze Reihe von strategischen Informationen benötigt. Dabei benötigt jede Perspektive andere Informationen. Die nachfolgende Abbildung soll exemplarisch für die vier Grundperspektiven der Balanced Scorecard verdeutlichen, auf welche strategischen Informationen zurückgegriffen werden muss:
Abb. 6: Informationsanforderungen an die Balanced Scorecard- Entwicklung[70]
Dabei benötigt die:
Finanzperspektive
Daten aus der strategischen Unternehmensplanung, wie z.B. Umsätze, Renditen, Kostenstrukturen
Kundenperspektiven
Informationen über die einzelnen Marktsegmente, wie z.B. Wachstumsrate, Wettbewerb, Absatzvolumen
Interne Prozessperspektive
Analysen der strategischen und operativen Geschäftsprozesse, wie z.B. Wertschöpfungsvorgänge, optimale Fertigungstiefe
Lern- und Entwicklungsperspektive
Informationen zur Technologieentwicklung, der Kernkompetenzen des Unternehmens und zu den Mitarbeitern, wie z.B. Fluktuationsrate
Sind diese benötigten Informationen unvollständig oder fehlen wichtige strategische Aussagen, ist es notwendig strategische Analysen durchzuführen, um diese Lücken im Vorfeld zu schließen. [71]
In diesem Schritt wird die bestehende Strategie untersucht.[72] Ob eine Strategie vollständig und schlüssig ist, lässt sich anhand eines systematischen Strategiechecks klären.[73] Der Strategiecheck dient dazu strategische Lücken, d.h. fehlende Aussagen über strategische Zielkunden, Geschäftsprozesse, Kooperationen, Kernkompetenzen, usw. aufzudecken und anschließend diese Lücken zu schließen. Dabei bildet der Strategiecheck eine wichtige Voraussetzung für die Implementierung einer Balanced Scorecard, da in vielen Unternehmen ein Defizit hinsichtlich wichtiger strategierelevanter Aussagen festzustellen ist.[74]
Der Strategiecheck erfolgt in fünf Schritten:[75]
1. Analyse von vorhandenem, schriftlichem Datenmaterial
Protokolle von Strategie- und/ oder Leitbild-Workshops
Hauszeitungen bzw. Firmenzeitschriften
Bewerbungsunterlagen für nationale oder internationale Qualitätswettbewerbe
Geschäftsberichte
Branchen- und Kundenanalysen
Pressemitteilungen
2. Interviews mit dem Top-Management und ausgewählten Schlüsselpersonen
3. Kommunikation und Visualisierung eines möglicherweise unterschiedlichen Strategieverständnisses
4. Diskussion der aktuellen strategischen Themen
5. Verankerung der Erkenntnisse aus der Strategiediskussion im Rahmen eines Workshops
Im ersten Schritt des Strategiechecks muss geprüft werden, ob das vorhandene Datenmaterial zur Vision, Mission und Strategie vollständig und in sich schlüssig formuliert ist. Außerdem ist es notwendig zu untersuchen, ob alle grundlegenden Voraussetzungen bezüglich der Unternehmensstrategie erfüllt sind. Das vorhandene Datenmaterial muss aufbereitet und im Anschluss dem Top Management zur Bewertung vorgelegt werden.[76] Für diesen zweiten Schritt haben sich gezielte, strukturierte Interviews mit dem Top Management und ausgewählten Schlüsselpersonen bewährt.[77]
Bei diesen Interviews sind folgende Fragen zu klären:[78]
Welche Vision liegt dem Geschäft zugrunde?
Welche Mission wird vom Unternehmen erfüllt?
Welche Werte werden im Unternehmen verfolgt?
Welcher Planungshorizont liegt der strategischen/ operativen Planung zugrunde?
Welche Annahmen liegen der Umweltanalyse, auf der die formulierte Strategie fußt, zugrunde (ökonomische-, technologische-, politische-, soziokulturelle Rahmenbedingungen, Ressourcenverfügbarkeit, Wettbewerb)?
Welche bestehenden bzw. neuen strategischen Geschäftsfelder (Markt- und Produktsegmente) sollen die größte Bedeutung bekommen?
Welche Produkte sollen vom Markt genommen werden bzw. welche Dienstleistungen sollen nicht mehr angeboten werden?
Welche Anforderungen sollen der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zugrundegelegt werden?
Welche Kundengruppen sollen bedient werden?
Welche Kriterien sollen dem Aufbau neuer Märkte zugrundegelegt werden?
Welche Bedeutung haben für die Kunden des Unternehmens Preis, Qualität und Service?
Wo liegen die Stärken/ Schwächen gegenüber der Konkurrenz?
Welchen Risiken/ Chancen bietet der Markt?
Welche Erwartungen haben die Kapitalgeber?
Die einzelnen Interviews mit dem Top Management und den ausgewählten Schlüsselpersonen werden im dritten Schritt vom Projektteam ausgewertet und in einem Katalog aus strategischen Zielen aufbereitet. Dabei sollte der Katalog die wichtigsten strategischen Ziele und Kennzahlen in einer Rangfolge enthalten. Oftmals besteht bereits an dieser Stelle schon ein weiterer wichtiger Abstimmungsbedarf bezüglich der Prioritäten bei den strategischen Zielen. Zudem ist es sinnvoll im Protokollbogen Zitate der befragten Personen aufzunehmen, um die Ziele und Kennzahlen noch besser zu erläutern und für die gemeinsamen Workshops zu visualisieren.[79]
Im vierten Schritt folgt dann die Identifikation und die Erarbeitung der Strategie entsprechend den Anforderungen des Marktes, des Unternehmensumfeldes und der Stärken und Schwächen des Unternehmens.[80] Hierfür gibt es eine große Anzahl von Instrumenten. Zu diesen Instrumenten gehören u.a. ABC-Analysen, Portfolio-Betrachtungen, Lebenszyklusanalysen, Konkurrenzanalysen, Wertkettenanalysen, Analysen der Kernkompetenzen, SWOT-Analysen, usw..[81]
Zur Bestimmung der strategischen Stoßrichtung hat sich insbesondere die SWOT-Analyse (strenght, weakness, opportunity, threat) als eines der wichtigsten...