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Die Bedeutung von Beziehungen mit Klientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung

Am Beispiel einer sozialtherapeutischen Wohngruppe

AutorRabea Raila
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl92 Seiten
ISBN9783638007184
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,7, Katholische Stiftungsfachhochschule München, 56 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Thema dieser Diplomarbeit ist die Bedeutung der Beziehung im sozialpädagogischen Handeln mit KlientInnen, die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung haben. Ziel dieser Arbeit ist es, die Bedeutung von Beziehungen in der Sozialen Arbeit zu klären, die Besonderheiten, die Widersprüchlichkeiten und den Auftrag herauszuarbeiten und Methoden für den Aufbau und die Gestaltung von Beziehungen in der Sozialen Arbeit darzustellen. Im ersten Teil wird ein Überblick über die Begriffe Beziehung und Borderline-Persönlichkeitsstörung gegeben. Dabei werden Themen wie Rollenbeziehungen, persönliche Beziehungen und die Dynamik in Beziehungen besprochen. Hinsichtlich der Borderline-Persönlichkeitsstörung kommen Klassifikationskriterien sowie psychoanalytische und verhaltenstherapeutische Erklärungsmodelle zur Sprache. Abschluss bildet die Betrachtung von den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und deren Zusammenhang mit dieser Persönlichkeitsstörung. Der zweite Teil beschreibt die sozialtherapeutische Wohngruppe des Marie-Luise-Schattenmannhaus und vergleicht dessen Konzept mit dem als Grundlage dienenden milieutherapeutischen Ansatz von Bruno Bettelheim. Dabei werden Übereinstimmigkeiten herausgearbeitet und Unterschiede festgestellt. Im Anschluss findet eine Fallbeschreibung einer ehemaligen Bewohnerin statt. Der dritte Teil beginnt mit einem Exkurs zum Thema Soziale Arbeit und Therapie und der Herausarbeitung der Unterschiede dieser beiden Professionen. Im weiteren Verlauf werden Erklärungsmodelle betrachtet und die Besonderheiten der Beziehung zwischen SozialpädagogIn und KlientIn geklärt, die sich aus der Tätigkeit und dem institutionellen Rahmen ergeben. Unterschiede zu freiwillig eingegangenen Beziehungen werden aufgedeckt und der Einfluss des Geschlechts auf die Beziehung wird herausgearbeitet. Konzepten und Methoden werden unter Bezugnahme der theoretischen Modelle der Alltags- und Lebensweltorientierung geklärt. Es werden Widersprüchlichkeiten geklärt, die sich beim Eingehen einer Beziehung im sozialpädagogischen Handeln ergeben. Im Anschluss werden die Schwierigkeiten erläutert, auf die professionell Handelnde in einer Beziehung mit Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung stoßen und Möglichkeiten des sozialpädagogischen Handelns aufgezeigt. Im gesamten dritten Teil wird das beschriebene Fallbeispiel weiter dargestellt.

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Leseprobe

2. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung


 

2.1 Definition des Begriffes Persönlichkeit


 

Ein Großteil der Bevölkerung versteht unter der Persönlichkeit eines Menschen die Eigenschaften, die diesen Menschen ausmachen. Von großen Persönlichkeiten wird gesprochen, wenn besondere Eigenschaften eines Menschen in einem großen Maße ausgebildet sind und diese Menschen durch ihre Persönlichkeit Dinge verändern oder ihre Überlegungen eine Grundbasis für Entwicklungen bieten. Persönlichkeitsmerkmale sind somit Eigenschaften, die eine feste Basis des Menschen darstellen und so nur bedingt flexibel sind.

 

Um die Faktoren, die eine Störung der Persönlichkeit ausmachen, beschreiben zu können, muss das Gebiet von wissenschaftlicher Ebene aus angesehen werden:

 

 „Persönlichkeit und Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen sind Ausdruck der für ihn charakteristischen Verhaltensweisen und Interaktionsmuster, mit denen er gesellschaftlich-kulturellen Anforderungen und Erwartungen entsprechen und seine zwischenmenschlichen Beziehungen auf der Suche nach einer persönlichen Identität mit Sinn zu füllen versucht.“ (Fiedler, 2001, S.3).

 

Es gibt für den Menschen keine normalen Persönlichkeitsmerkmale, die als Bemessungsgrundlage dienen. Menschen und ihre Persönlichkeiten unterscheiden sich in unterschiedlicher Sozialisation und Erfahrungen in ihrem Leben. So baut sich jeder Mensch sein eigenes, persönliches Konzept auf. Laut Fiedler gibt es jedoch Maßstäbe die verdeutlichen, dass bestimmte Eigenschaften einer Persönlichkeit dann mit dem Etikett einer Persönlichkeitsstörung belegt werden können, wenn sie deutlich in die Richtung eines Leidens der Betroffenen oder in die Richtung Dissozialität oder (anti)sozialer Devianz extremisieren (vgl. ebd., S.4).

 

2.2 Verbreitung


 

Untersuchungen zufolge leiden zwei Prozent der erwachsenen Bevölkerung an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Wichtig ist hier zu beachten, dass bei Persönlichkeitsstörungen nicht nur die Art, sondern auch das Ausmaß der Störung den Krankheitscharakter bestimmt. Von einer Störung im engeren Sinne kann hier nur gesprochen werden, wenn die Symptome für den Betroffenen oder seine Umgebung Leidenscharakter angenommen haben. Gegenwärtig machen Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung circa zehn Prozent der stationär behandelten psychiatrischen PatientInnen aus (vgl. Rahn, 2001, S.54).

 

Verhältnis Gesamtpopulation – Borderline-Patientinnen

 

 

Quelle: vgl. Dulz & Schneider, 1999, zit. in: www.borderline-plattform.de

 

Ca. ¾ der Betroffenen sind Frauen. Es ist anzunehmen, dass bei der hohen Zahl an betroffenen Frauen gesellschaftliche Einflüsse eine Bedeutung haben müssen. Dies werde ich im Punkt I / 2.7 noch genauer analysieren.

 

2.3 Kriterien


 

Es gibt verschiedene Kriterien für die Erstellung einer psychiatrischen Diagnose, von denen die anerkannteste, die amerikanische Klassifikation DSM-IV und die WHO-Klassifikation ICD-10 sind.

 

2.3.1 DSM-IV


 

Dieses Klassifikationssystem wurde von der American Psychiatric Association das erste Mal in den USA herausgegeben. Das DSM-IV (Diagnostic und Statistical Manual of Mental Disorders) beinhaltet im Gegensatz zum ICD-10 speziellere und genauere diagnostische Kriterien und berücksichtigt geschlechtsspezifische Unterschiede. Diagnostische Kriterien der Borderline-Persönlichkeitsstörung gemäß DSM-IV sind:

 

,,Ein durchgängiges Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, des Selbstbildes und der Gefühle, sowie eine ausgeprägte Impulsivität; der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und die Störung manifestiert sich in den verschiedenen Lebensbereichen. Folgende fünf (oder mehr) Kriterien müssen erfüllt sein.“ (DSM-IV, 2003, S.259ff.).

 

1. Verzweifeltes Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern.

2. Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen den beiden Extremen der Überidealisierung und Abwertung auszeichnet.

3. Identitätsstörung: Eine ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls von sich selbst.

4. Impulsivität bei mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten (z.B. Geld-Ausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Autofahren, Fressanfälle).

5. Wiederholte Suiziddrohungen, -andeutungen oder -versuche oder andere selbstverletztende Verhaltensweisen.

6. Instabilität im affektiven Bereich, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der akuten Stimmung gekennzeichnet ist (z.B. intensive episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Zustände gewöhnlich einige Stunden oder, in seltenen Fällen, länger als einige Tage andauern).

7. Chronisches Gefühl der Leere.

8. Übermäßige, starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut oder Prügeleien).

9. Andauernde, stressabhängige paranoide Phantasien oder schwere dissoziative Symptome.

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung tritt häufig in Verbindung mit anderen Persönlichkeitsstörungen auf, weshalb hier oft auch von der Komorbidität gesprochen wird. Gewöhnlich mit dieser Störung zusammen auftretende Störungen sind

affektive Störungen

 

substanz-bezogene Störungen

 

Essstörungen

 

posttraumatische Stress-Störungen

 

Aufmerksamkeits-Defizite / Hyperaktivitäts-Störungen.

 

2.3.2 ICD-10


 

Die ICD-10 (International Classification of Diseases) ist der Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Krankheiten und gesundheitliche Störungen des menschlichen Organismus. Die 10 steht im diesem Zusammenhang für deren 10. Revision.

 

Im Kapitel F60.3 der ICD-10 werden die Kriterien der emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen beschrieben, unter denen auch die Borderline-Persönlichkeits-störung (F60.31) fällt. Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gemäß ICD-10 F60.3 sind:

 

„Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung. Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. Ferner steht eine Tendenz zu streitsüchtigem Verhalten und zu Konflikten mit anderen, insbesondere wenn impulsive Handlungen durchkreuzt oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen können unterschieden werden: Ein impulsiver Typus, vorwiegend gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle; und ein Borderline- Typus, zusätzlich gekennzeichnet durch Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen.“ (ICD-10)

 

In Deutschland ist die ICD-10 der offizielle Standart für die Dokumentation und Abrechnung mit den Krankenkassen. Trotzdem möchte ich in dieser Arbeit die DSM-IV als Grundlage für die weiteren Erläuterungen verwenden, da die Symptome für die Borderline-Persönlichkeitsstörung hier präzisier definiert werden, als in der knappen Umschreibung im ICD-10.

 

2.4 Erscheinungsbilder


 

Beziehungen

 

Die Beziehungen beschreibt Gneist als intensiv, aber instabil. Häufig findet ein Wechsel von Idealisierung und Entwertung von anderen und auch von der eigenen Person statt. Geprägt ist das Beziehungsleben der Borderline-Persönlichkeiten durch Angst vor dem Alleinsein, genauso wie die Angst vor dem Zusammensein, ein Zustand der sich für nicht Betroffene nur schwer nachvollziehen lässt.

 

Sie befinden sich oft ein Leben lang in einem Prozess der Suche nach einer erfüllten Partnerbeziehung und sind getrieben von einer starken Sehnsucht, verstanden und geliebt zu werden. Oft hemmt sie in diesem Prozess der Suche ihr Mangel an Vertrauen und an Selbstvertrauen (vgl. Gneist, 2003, S.26).

 

Handeln

 

Menschen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung weisen oft selbstschädigendes Verhalten auf. Beispiele hierfür sind Trinken, Rauchen, Drogenkonsum und süchtiges Essen. Ebenfalls oft vorzufinden sind die Neigungen zur Selbstverletzung bis hin zu Selbstverstümmelungen, Selbstmordversuchen und Selbstmorden. Sie sind in einer Zwischenwelt, in der sie rastlos leben, um Passivität und Langeweile zu vermeiden (ebd., S.26).

 

Stimmung und Antrieb

 

Arbeitet man mit Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, so wird einem der schnelle Wechsel der Stimmung und des Antriebes der Personen ins Auge fallen. Wechsel von freundlich zu unfreundlich,...

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