Seit Jahrhunderten wird in Wirtschaftszweigen, Verbänden, Familienbetrieben, Bürokratien, also praktisch in allen Organisationen, Erfahrung gesammelt und an die Organisationsmitglieder sowie an die nächste Generation weitergegeben.
Das Ganze geschah aber lange Zeit ohne Reflexion und methodischer Unterstützung. Da Informationen, Wissen und andere geistige Potentiale inzwischen zu entscheidenden Faktoren für den Unternehmenserfolg geworden sind, hat sich diese Situation grundlegend geändert. Die systematisch und methodisch fundierte Wahrnehmung erfolgt durch das Wissensmanagement (WM), die technische Unterstützung durch sog. Wissensmanagementsysteme (WMS).
Im Jahre 1976 wurde erstmals nach Maier und Katenkamp vom amerikanischen Soziologe Rickson[47] von einem „Knowledge Mangement“ gesprochen.[48] Jedoch können die Wurzeln eines ähnlichen Begriffs bereits Ende der 1960er Jahre in der angloamerikanischen Literatur entdeckt werden, als 1969 Zand[49] von einem „management oft he knowledge organization“ sprach. In der deutschsprachigen Literatur erscheint im Jahre 1989 der Begriff zum ersten Mal durch Kleinhans.[50]
Es lassen sich die drei Grundfunktionen Führung, Planung und Organisation aus dem Begriff „Wissensmanagement“ ableiten, die sich auf die Ressource des Wissens beziehen.[51] Der Begriff des Organisierens für die Ressource Wissen scheint dabei am ehesten als Beschreibung geeignet zu sein. Durch die Zusammensetzung von Wissen und Management zu Wissensmanagement kann daher „Wissen im Unternehmen organisieren zu wollen“ verstanden werden.[52]
Was ist Wissen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Menschheit seit ihrem Bestehen[53]. Demnach existiert auch keine einheitliche, allgemein anerkannte Begriffsdefinition. Stattdessen gibt es in der Literatur verschiedene Definitionen zum Wissensbegriff, die von dem jeweiligen Autor und seinem wissenschaftlichen Fachgebiet geprägt sind. Nachfolgende Übersicht über Wissensdefinitionen soll die Vielfalt der unterschiedlichen Begriffsbestimmungen aufzeigen und zur Diskussion anregen.
Tabelle 3: Wissensdefinitionen[54]
Um den Wissensbegriff differenziert darstellen zu können wird im Folgenden eine Abgrenzung der Begrifflichkeiten Zeichen, Daten sowie Informationen und Wissen vorgenommen. Diese soll sowohl dem besseren Verständnis des Begriffs dienen, als auch eine klare Differenzierung der Begriffe aufzeigen, da im Unternehmensalltag die Begriffe weitgehend synonym verwendet werden und auf eine deutliche Unterscheidung verzichtet wird.[55]
Im hierarchischen Modell unterscheidet man zwischen „Daten“, „Informationen“ und „Wissen“. Da die Übergänge fließend sind, können sie nicht voneinander abgegrenzt werden. Ein Kundentermin stellt bspw. ein „reines“ Datum dar, während bei einem Gespräch die dokumentierte Ergebnisse Informationen sind. Erfahrungen, die sich aus dem Gespräch ergeben und die daraus folgende Handlungen ist das generierte Wissen.
Wissen besteht aus Fähigkeiten und Kenntnissen, verbunden mit Gefühlen, Werten, Erfahrungen und Ahnungen. Es ist ein immaterielles Gut, dessen Wert sich durch Gebrauch, im Gegensatz zu allen anderen Ressourcen, erhöht. Demnach ist der Nutzen des Wissens erst im Rückblick bewertbar.[57]
Wissen ist zudem komplexer als reine Informationen und kann nicht so leicht gespeichert und verarbeitet werden. Auf den hohen Wert von Wissen weisen bspw. Zitate wie „Wissen ist Macht“ von Francis Bacon hin.
Ein gut strukturiertes Modell, das aufzeigt wie Wissen überhaupt entsteht und eine Abgrenzung des Wissensbegriffs gegenüber dem Informations- und Datenbegriff liefert, bietet die Wissenstreppe nach North (Siehe Abbildung 13). North zeigt in der Wissenstreppe eine Begriffshierarchie auf. Das wichtigste Differenzierungsmerkmal besteht darin, dass Wissen, im Gegensatz zu Daten und Informationen, immer an Personen gebunden ist (personenabhängig). Das Wissen eines jeden einzelnen baut sich im Laufe seines Lebens gleichermaßen durch Ausbildung und berufliche Tätigkeit wie durch individuelle Wertmaßstäbe und Erfahrungen aus[58]. Damit wird auch deutlich, dass das Wissen vor allem in den Köpfen der Mitarbeiter steckt und im Gegensatz zu Daten und Informationen verhältnismäßig schwer übermittelt, gespeichert und verarbeitet werden kann.
Abbildung 10: Wissenstreppe[59]
In Abbildung 10 wird nochmals die Bedeutung des Menschen deutlich gemacht. Um neues Wissen zu entwickeln, treffen Informationen auf Erfahrungskontexte,
sprich auf einen denkenden Menschen. Anders ausgedrückt: „Wissen entsteht durch den Einbau von Informationen in Erfahrungskontexte[60].“
Am Anfang der Treppe stehen Zeichen, wie bspw. einzelne Ziffern oder Buchstaben („3“ „7“). Durch das Hinzufügen von Ordnungsregeln (Syntax) werden die Zeichen zu Daten. Demnach sind Daten beliebige Zeichenfolgen (z.B. „3,7“). Sie werden in transiente (temporäre), strukturierte (Datenbanken) und unstrukturierte (Dokumente) Daten unterschieden. Daten, die Aussagen über die Struktur von Daten treffen (Daten über Daten) werden als Metadaten bezeichnet. Damit nun aus Daten Informationen werden, muss diesen eine Bedeutung (Semantik) hinzugefügt werden (z.B. „3,7“ Außentemperatur). Wissen entsteht erst durch die Vernetzung dieser Informationen, dem Kontext. Jetzt können die Informationen interpretiert werden: „In Stuttgart sank die Außentemperatur unter 3,7°.“
Für Unternehmen wird Wissen jedoch erst dann zu einer wertvollen Ressource, wenn es in bestimmte Handlungen transformiert wird. Für die Aktivierung des Wissens bedarf es als Voraussetzung eine motivationale Anregung zum Handeln. Wird Wissen nun zur Lösung von Problemen angewendet bzw. in Handlungen umgesetzt, entsteht Kompetenz bzw. Können. Durch die Einzigartigkeit der Kompetenz wird diese zum entscheidenden Faktor der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens[61]. Auch generiert sie einen Wert bei Kunden und ist von der Konkurrenz nur schwer imitier- und transferierbar.
Ähnlicher Meinung bzgl. der „Verdichtung von Daten zu Wissen“ ist auch Probst[62].
Daten, Informationen und Wissen sollen nicht streng voneinander getrennt werden, sondern man sollte ein Kontinuum zwischen den Polen Daten und Wissen herstellen (siehe Tabelle 4). Eine Problemsituation wird schließlich selten in klar abgrenzbaren Sprüngen verstanden, sondern man nähert sich häufig in kleinen Schritten der Lösung an. Demnach sieht Probst darin einen stetigen, nicht sprunghaften Qualitätswandel.
Tabelle 4: Kontinuum von Daten und Informationen zu Wissen[63]
Es lassen sich grundsätzlich verschiedene Arten von Wissen identifizieren, die in der Literatur mit gegensätzlichen Begriffspaaren bezeichnet werden:
Explizites vs. implizites Wissen
Individuelles vs. kollektives Wissen
Objektives vs. subjektives Wissen
Planungswissen vs. Erfahrungswissen
Internes vs. externes Wissen
Von besonderer Relevanz ist dabei die Klassifizierung der Begriffe explizites und implizites Wissen[64]. Auch die Unterscheidung zwischen individuellem und kollektivem Wissen, welche die organisationale Wissensbasis eines Unternehmens darstellt, besitzt eine besondere Relevanz.
3.1.2.1 Explizites und implizites Wissen
Anhand von „Aggregatzuständen“ lässt sich explizites und implizites Wissen sehr gut beschreiben:
Fest und fassbar, bspw. Eis
Flüssig und einfangbar, bspw. Wasser
Schwer bis unfassbar, bspw. Wasserdampf
Explizites Wissen ist „fest“:
Es lässt sich verbalisieren und ist eindeutig sprachlich mitteilbar. Es ist beschreibbar, formalisierbar und zeitlich labil[65]. Demnach kann es bspw. durch Sätze beschrieben, diskutiert, hinterfragt und transportiert werden. Explizites Wissen existiert in unterschiedlicher Form, z.B. in Dokumentationen, Datenbanken, mathematische Formeln, Patenten, Produktbeschreibungen, Handbüchern etc.
Anders ausgedrückt können die Menschen mit diesem Wissen umgehen, da es nicht an den Menschen gebunden ist (personenunabhängig). Zudem kann dieses Wissen leicht weitergegeben und durch...