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Die besondere Problemlage von Geschwistern behinderter Kinder - Möglichkeiten sozialarbeiterischer Hilfeleistungen bei der Entwicklung gelingender Bewältigungsstrategien

Möglichkeiten sozialarbeiterischer Hilfeleistungen bei der Entwicklung gelingender Bewältigungsstrategien

AutorSandra Kerkmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl66 Seiten
ISBN9783638859493
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1, Hochschule Hannover, 28 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Beziehung zwischen behinderten und nicht behinderten Geschwistern ist geprägt von Belastungen, aber auch Bereicherungen. Schon früh lernen Geschwister behinderter Kinder mit Belastungen, Einschränkungen und einer veränderten Beziehung zu ihren Eltern umzugehen. Denn diese Geschwister müssen vieles lernen und können. Aber sie müssen auch zurückstecken, denn die Eltern haben oft nicht die nötige Zeit und Kraft sich um das nicht behinderte Geschwisterkind zu kümmern. Ihre ganze Kraft und Energie stecken die Eltern in die Pflege und Aufmerksamkeit des behinderten Kindes. Dadurch vernachlässigen sie die nicht behinderten Geschwister, was zu Entwicklungsschwierigkeiten bei diesen Kindern führen kann. Das Gefühl ständig an zweiter Stelle zu stehen, von den Eltern keine besondere Beachtung zu finden und sich ständig anpassen zu müssen und Rücksicht zu nehmen, kann auf Dauer anstrengend sein. Die ungeteilte Aufmerksamkeit seitens des Vaters oder der Mutter, wäre an dieser Stelle angebracht, um diese Gefühle abzuschwächen. Nicht immer ist dies seitens der Eltern möglich. Diese Aspekte und die Möglichkeiten der sozialpädagogischen Hilfeleistungen werde ich in der vor Ihnen liegenden Arbeit erläutern. Nach einer Begriffserklärung im zweiten Kapitel, wird die Situation der Eltern eines Kindes mit Behinderung im dritten Kapitel geschildert. Denn auch für Eltern ist die Behinderung eines Kindes eine Herausforderung, die es zu bewältigen gilt. Im anschließenden vierten Kapitel wird die Bindung zwischen Geschwistern erläutert, sowie der Begriff Geschwisterkinder erklärt, bevor im fünften Kapitel die Geschwister von Kindern mit Behinderungen vorgestellt und die Faktoren, die ihrer Entwicklung beeinflussen könnten, dargestellt werden. Im sechsten Kapitel geht es um die Gefühle, mit denen Geschwister behinderter Kinder zu kämpfen haben. Ob und welche Chancen es für diese Kinder gibt, wird im siebten Kapitel beschrieben, bevor im achten Kapitel die Möglichkeiten zur Bewältigung dieser ganz speziellen Situation geschildert werden und welche Hilfsmaßnahmen die soziale Arbeit geben kann.

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Leseprobe

5. Wer sind die – die Geschwister von Kindern mit Behinderungen?


 

„Grundsätzlich haben behinderte und nicht behinderte Geschwister zueinander eine ähnliche Beziehung wie Kinder ohne behinderte Geschwister [..]“ (Grünzinger, 2005 S. 18)

 

Jedoch sind Kinder mit einem behinderten Geschwister von früh an mit besonderen Herausforderungen konfrontiert, „mit Belastungen, Einschränkungen und veränderten Beziehungen zu ihren Eltern.  Wie sie dies meistern, hängt von einer Vielzahl von Bedingungen ab. Die Behinderung eines Kindes kann die psychosoziale Entwicklung seiner Geschwister beeinträchtigen, sie kann aber auch eine Chance zur Entwicklung größerer menschlicher Reife und Verantwortungsbewusstsein sein“ (Archilles, 2002, S.9)

 

Vieles müssen Geschwister behinderter Kinder lernen und vor allem können. Für ihre behinderten Geschwister sind sie oftmals Spielgefährte und Babysitter. Aber auch Freund und Erzieher, Lehrer oder Pfleger. Sie übernehmen die Rolle des Co-Therapeuten und des Dolmetschers. Manchmal übernehmen sie sogar die Rolle der Ersatzeltern.

 

Aber eines müssen sie alle. Sie müssen zurückstecken, denn das behinderte Geschwister benötigt von den Eltern oftmals mehr Aufmerksamkeit. Von den Eltern hängt es vor allem ab, wie die Geschwister eines behinderten Kindes die Familiensituation erleben. „Ob die Bürde so schwer wird, dass eine Tochter oder ein Sohn lebenslang an ihnen zu tragen und sogar daran zerbrechen kann“ (Archilles, S. 12)

 

Es gibt eine Reihe von Besonderheiten, aber auch von Risiken, welche die persönliche Entwicklung der Geschwisterkinder beeinflussen. So heben die Autoren McHale und Gamble 1989 „zusammenfassend hervor, daß die Qualität der Geschwisterbeziehung entscheidend die Anpassungsleistungen des gesunden Geschwisters mitbestimmt.“ (Kasten, 1997, S. 13)

 

Die Ergebnisse ihrer Untersuchung untermauern,  das vor allem Schulkinder und junge Erwachsene positive Beziehungsqualitäten entwickeln. In seinem Buch „Die Geschwisterbeziehung – Band II“ hat Hartmut Kasten (1994) in einer Tabelle - in Anlehnung an McHale & Gamble – die wichtigsten Faktoren, welche die Anpassung des nichtbehinderten Kindes mitbestimmen, zusammengestellt.

 

Tabelle 1: Faktoren, welche die Anpassung des nichtbehinderten Geschwisters (mit)beeinflussen können (vgl. Kasten 1994)

 

 

In den folgenden Punkten werden diese Faktoren kurz erläutert:

 

5.1 Familiengröße


 

Besonders bei kleineren Familien ist eine negative Haltung seitens des jüngeren Geschwisterkindes oftmals der Fall. Bei Großfamilien hingegen tun sich die älteren Töchter besonders schwer, eine positive Bindung zum behinderten Geschwister aufzubauen. Denn ihnen obliegt meistens die Verantwortung bei der Betreuung der anderen Geschwister und des behinderten Kindes. Oftmals übernehmen sie die Pflege und Betreuung des behinderten Kindes, wenn die eigenen Eltern dies nicht mehr leisten können.

 

Aber auch das Gegenteil ist möglich, denn in größeren Familien können die alltäglichen Aufgaben besser verteilt werden. Den Geschwistern fällt es leichter sich an die besondere Situation anzupassen und eine positive Beziehung zum behinderten Kind aufzubauen. (vgl. Kasten 1993b, 124)

 

Doch auch bei kleineren Familien sehen Geschwisterkinder einen Vorteil darin, wenn die behinderten Geschwister jünger sind. „Verantwortung und Hilfestellungen zu leisten, ist dann „natürlicher“, da es durchaus üblich ist, dass ältere Kinder sich um die jüngeren Kinder kümmern“ (Grünzinger 2005, S.26)

 

5.2 Alter und Entwicklungsstand des Geschwisterkindes


 

Da dem behinderten Kind immer die Position des jüngsten Kindes zugewiesen wird, kommen ältere Geschwister besser mit einem behinderten Kind in der Familie zurecht, als Jüngere. Vor allem die besondere Hilflosigkeit und Abhängigkeit des behinderten Kindes machen eine besondere Rücksichtnahme und Zuwendung erforderlich.  Aus diesem Grund kommt ein jüngeres Geschwisterkind nie in den Genuss des Nesthäkchens.

 

Ältere Geschwister hingegen haben wenigstens ein paar Jahre die Eltern für sich alleine. Außerdem wird ihnen die Entstehung der Behinderung eher erklärt, weil sie schließlich größer sind und mehr verstehen. Zudem scheinen Eltern ein behindertes Kind besser akzeptieren zu können, wenn sie bereits ein gesundes Kind haben. (vgl. Achilles 2002, S. 49)

 

Aufgrund der Tatsache jedoch, dass die jüngeren Kinder schneller erwachsen und selbstständig werden müssen, kann eine negative Haltung dem behinderten Geschwister gegenüber entstehen. Obwohl jüngere Geschwisterkinder es manchmal von Vorteil finden, wenn ihre behinderten Geschwister älter sind, weil durch den Altersunterschied ein natürliches Leistungsgefälle besteht, ändert sich dies, sobald die jüngeren Geschwisterkinder die älteren behinderten Geschwister in ihren Fähigkeiten überholen. (vgl. Grünzinger 2005, S.26) Jüngere Geschwister erleben im Grunde eine verkürzte Kindheit.

 

5.3 Geschlecht


 

Wie bereits unter Punkt 5.1. geschrieben, tun sich vor allem ältere Mädchen in einer Großfamilie schwer eine positive Bindung zum behinderten Geschwister aufzubauen. Laut Kasten, gibt es bei gleichgeschlechtlichen Geschwisterpaaren besonders in der frühen und mittleren Kindheit eine konfliktreiche  Beziehung. Anders sieht es aus, wenn das behinderte Geschwister männlich ist, dann erweist sich die Beziehung in der späten Kindheit und Adoleszenz als schwierig. Hier könnte auch die Haltung der Eltern beeinflussend auf die Geschwister wirken, denn für Eltern ist die Geburt eines behinderten Sohnes tragischer, als die Geburt einer behinderten Tochter. (vgl. Kasten 1993b, S. 123)

 

5.4 Alter und Geschlecht des behinderten Kindes


 

Wie schon unter Punkt 5.2 angesprochen, tun sich ältere Geschwister im Umgang mit dem behinderten Geschwister leichter. Auch spielt der Alterunterschied eine Rolle, denn „ein größerer Altersabstand zwischen den Geschwistern erleichtert positive („prosoziale“) Interaktionen und begünstigt den Aufbau einer positiven Geschwisterbeziehung. „ (Kasten 1997, S.15)

 

5.5 Schichtzugehörigkeit


 

Je nachdem aus welcher sozialen Schicht die Familie des behinderten Kindes kommt, hat dies andere Auswirkungen auf die Geschwisterkinder. So bedeutet die Behinderung eines Kindes für Familien aus der sozialen Unterschicht vor allem ein organisatorisches Problem. Auch Mittel und Hilfen zur Entlastung können sich Familien mit geringen finanziellen Möglichkeiten oftmals nicht leisten. Ebenso verhält es sich mit ambitionierten Plänen für die Kinder.

 

Und dennoch „kommen Familien aus diesen Schichten häufig besser mit der Behinderung zurecht, als Familien aus der Oberschicht.“ (Grünzinger 2005, S. 47)

 

Kinder aus der sozio-ökonomischen Oberschicht werden durch die Behinderung ihres Geschwisters vielfach weniger belastet, da sie sich weniger an der Betreuung und Pflege beteiligen müssen. Doch leiden die Eltern um ein Vielfaches mehr unter der Behinderung, die für sie eine tragische Krise bedeutet. Denn viele Erwartungen, die sie in das Kind gesetzt hatten, vor allem hinsichtlich Status und Beruf, lassen sich nun nicht mehr verwirklichen. Dies führt bei den Eltern zu Frustrationen und sie fühlen sich gekränkt und unglücklich. Eine solche Grundhaltung dem behinderten Kind gegenüber färbt auch auf die Geschwisterkinder ab. Aufgrund der besseren finanziellen Mitteln können sich die Eltern eine größere Wohnung oder ein Haus leisten. Somit müssen sich das behinderte und das nicht behinderte Kind kein Zimmer teilen, wodurch sich Konflikte verringern lassen. In ihrer Studie fand Frances K. Grossman zudem heraus, dass die behinderten Kinder reicher Eltern häufiger in Internaten und Heimen untergebracht waren. Dadurch wurden Konflikte ebenfalls verringert, denn wenn die  Geschwister sich nicht überfordert, ausgenutzt und ungerecht behandelt fühlen, entstehen auch keine Streitereien. (vgl. Achilles 2002 S. 112-113)

 

5.6 Art und Ausmaß der Behinderung


 

Je nach Art der Behinderung wird das behinderte Geschwister bestimmte Fähigkeiten nie oder nur langsam erlernen. Damit fällt dem nicht behinderten Kind automatisch die Rolle des älteren Kindes zu. (vgl. Haberthür 2005, S. 23)

 

Ein geistig behindertes Kind etwa kann am Familienleben, aber vor allem an gemeinsamen Aktivitäten besser teilnehmen, als ein körperbehindertes Kind. Denn da werden schon allein bauliche Barrieren zum Problem, die ein körperbehindertes Kind von vielen Aktivitäten ausschließen.

 

Jedoch ist die Kommunikation mit körperbehinderten Geschwistern oftmals uneingeschränkter möglich, als dies bei einem Geschwister mit einer geistigen Behinderung der Fall...

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