Im Rahmen des IFRS 3 stellt die Erwerbsmethode die heute einzig gültige Methode zur Kapitalkonsolidierung dar. IAS 22, der Vorgänger von IFRS 3, ließ hier noch eine Wahlmöglichkeit zwischen der Erwerbs- und der Interessenzusammenführungsmethode.[62] Die Erwerbsmethode nach IFRS wird nur nach dem Ansatz der vollständigen Neubewertung angesetzt. Nach HGB ist auch die Anwendung der Buchwertmethode zulässig.[63] Die Variante der Neubewertung verbietet also eine Übernahme der Buchwerte des erworbenen Unternehmens und verlangt stattdessen, dass bei der Erstkonsolidierung der erworbenen Vermögenswerte und Schulden stille Reserven aufzudecken sind.[64]
Abb. 2: Prozess der Kaufpreisallokation[65]
Der Prozess der Erwerbsmethode wird bei dessen Durchführung als Kaufpreisallokation bezeichnet.[66] Nachdem ein Business, wie im folgenden Punkt erklärt, festgestellt wurde, beginnt der Prozess mit der Identifizierung des Erwerbers. Nachdem der Erwerber identifiziert wurde, ist der Zeitpunkt der Transaktion zu bestimmen. Daran schließen sich der Ansatz und die Bewertung des erworbenen Unternehmens an. Wurden alle Vermögenswerte und Schulden identifiziert, wird der Rest als Geschäfts- oder Firmenwert angesetzt. Liegt der Saldo aus erworbenen Vermögenswerten und Schulden über dem Kaufpreis, so ist ein Gewinn in der GuV zu verbuchen.[67]
Die einzelnen Schritte der Kaufpreisallokation werden im Folgenden näher beschrieben.
Damit IFRS 3 im Zuge eines Unternehmenszusammenschlusses zur Anwendung kommen kann, muss zunächst festgestellt werden, ob ein Geschäftsbetrieb (Business) beim Erwerber nach der Definition dieses IFRS vorliegt.
Nach IFRS 3.3 müssen für ein Business „die erworbenen Vermögenswerte und übernommenen Schulden einen Geschäftsbetrieb darstellen. [Ist dies nicht der Fall] hat das berichtende Unternehmen die Transaktion oder das andere Ereignis als einen Erwerb von Vermögenswerten zu bilanzieren.“[68]
IFRS 3 Anhang A definiert einen Geschäftsbetrieb als „[..] eine integrierte Gruppe von Tätigkeiten und Vermögenswerten, die mit dem Ziel geführt werden kann, Erträge zu erwirtschaften [..].“[69] Appendix B legt dabei drei weitere Kernelemente fest, anhand derer sich ein Geschäftsbetrieb identifizieren lässt. Zu diesen Elementen gehören der Ressourceneinsatz von z.B. langfristigen Vermögenswerten oder geistigem Eigentum, die angewendeten Verfahren - wie z.B. Standards, Protokolle oder Regeln - innerhalb eines Unternehmens, die zur Verarbeitung des Ressourceneinsatzes verwendet werden sowie die Leistung aus der Kombination von Ressourceneinsatz und Verfahren. Die aus der Leistung resultierenden Erträge können in unterschiedlicher Form den Eigentümern, Gesellschaftern oder Anteilseignern zugehen.
Diese Definition eines Geschäftsbetriebes lässt in der Praxis einen großen Interpretationsspielraum zu. So ist es nicht notwendig, dass ein Unternehmen alle Elemente eines Geschäftsbetriebes erfüllt. Außerdem kann der Erwerber entscheiden, ob er die Verfahren oder Ressourcen des übernommenen Business in sein Unternehmen integriert oder nicht.[70] Es kommt somit bei der Bewertung vor allem auf die Struktur des zu erwerbenden Unternehmens vor der Übernahme an und nicht auf die Art und Weise der späteren Nutzung des Business.[71] Hier gilt es zu beachten, dass der rechtliche Erwerbszeitpunkt entscheidend ist und nicht der Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs des Unternehmens.
Wird kein Business i.S.v. IFRS 3 identifiziert, so sind die einzelnen Vermögenswerte mit ihren Anschaffungskosten und nicht mit ihrem Fair Value zu bewerten. Außerdem kommt es dann nicht zu einem Ansatz des Goodwills.[72]
Nachdem sichergestellt wurde, dass es sich beim erworbenen Unternehmen um ein Business nach IFRS 3 handelt, folgt der erste Teilschritt der eigentlichen Erwerbsmethode mit der Identifizierung des Erwerbers. Wie unter 2.1 beschrieben, ist derjenige nach IFRS 3 Appendix A Erwerber, der die Beherrschung über das andere Unternehmen hält. Nach welchen Kriterien festgestellt wird, wer die Beherrschung besitzt, wurde bisher in IAS 27 geregelt. Dort wurde die Beherrschung als direkte Beeinflussung der Unternehmenspolitik, mit der Absicht einen Nutzen aus der Geschäftstätigkeit zu ziehen, beschrieben. Eine Beherrschung war dann gegeben, wenn der Erwerber die Mehrheit der Stimmrechte am erworbenen Unternehmen erlangte. Des Weiteren konnte unter bestimmten Voraussetzungen eine Beherrschung auch ohne eigene Stimmrechtsmehrheit erreicht werden.[73]
Mit der Veröffentlichung der Neuregelungen des IFRS 10 für das Jahr 2014 wurden die Regelungen zur Beherrschung eines Unternehmens nach IAS 27 und die Vorschriften nach SIC 12 für Zweckgesellschaften in einem Standard festgehalten. Jetzt verweist IFRS 3 auf IFRS 10. Dieser wird künftig eine einheitliche Konsolidierung für alle Unternehmen mit beherrschten Tochterunternehmen sicherstellen.[74] Das Control-Konzept von IAS 27 findet sich in IFRS 10.7 in neuer Fassung wieder. Demnach liegt eine Beherrschung (Control) bei dem Unternehmen vor, welches am Unternehmenszusammenschluss beteiligt ist und Verfügungsmacht (power) erlangt hat. Weiterhin müssen die Rückflüsse aus seinem Investment variabel sein (variable returns) und mit Hilfe der Verfügungsmacht beeinflusst werden können (link between power and returns).[75] Das Unternehmen mit Beherrschung stellt wie nach IAS 27 den Erwerber dar. Ist ein Unternehmen anhand der Kriterien von IFRS 10.7 nicht eindeutig als Erwerber festzustellen, so verweist IFRS 3.7 auf Appendix B 14 -18.[76]
Ein Sonderfall bei der Bestimmung des Erwerbers stellt der umgekehrte Unternehmenserwerb (Reverse Acquisition) dar. Bei diesem Sonderfall weicht der rechtliche Erwerber vom wirtschaftlichen Erwerber ab.[77] Regelungen für dieses Szenario enthalten Appendix B15 und B 19 -27.
Beim umgekehrten Unternehmenserwerb erwirbt ein kleines Unternehmen als rechtlicher Erwerber ein größeres Unternehmen. Dabei erhalten die Eigentümer des größeren Unternehmens Aktien der kleineren Gesellschaft als Gegenleistung.[78] Motive für eine Reverse Acquisiton können u.a. eine einfachere Erlangung der Börsenlistung der Gesellschaft als bei einem normalen Börsengang und die Vorteile eines börsennotierten Unternehmens, wie z.B. die besseren Finanzierungsmöglichkeiten oder die bessere Akquisition von Mitarbeitern sowie Kunden durch die größere Bekanntheit von börsennotierten Unternehmen sein.[79]
Da IFRS 3 eine wirtschaftliche Betrachtungsweise beim umgekehrten Unternehmenserwerb zu Grunde legt, ist der Unternehmenszusammenschluss bilanziell auch nach dieser Sichtweise abzubilden. Daraus folgt auch eine Umkehrung, welches Unternehmen das Vorliegen eines Businesses zu erfüllen hat. Dies ist jetzt der rechtliche Erwerber, folglich das wirtschaftlich erworbene Unternehmen.[80] Aus diesem Umstand sind bei einigen Schritten der Erwerbsmethode hier einige Besonderheiten zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden die Anschaffungskosten so ermittelt, als wäre der wirtschaftliche Erwerber auch rechtlicher Erwerber. Außerdem erfolgt die Kaufpreisallokation beim rechtlichen Erwerber mit der Anpassung des Eigenkapitals.[81]
Das folgende Beispiel wurde aus Buschhüter 2013 S. 55f. entnommen und verdeutlicht die Durchführung einer Anpassung des Eigenkapitals bei einem umgekehrten Unternehmenserwerb.
Unternehmen B erwirbt 100% der Anteile an Unternehmen A gegen Ausgabe 150 eigener Aktien. Nach der Transaktion halten die ehemaligen Anteilseigner von A 75% der Anteile an Unternehmen B (150 von insgesamt 200 Aktien). Die Bilanzen von A und B vor der Transaktion stellen sich wie folgt dar:
Tab. 1: Bilanzen von A und B
Die Anteilseigner von A halten nach der Transaktion die Mehrheit der Anteile an B. Es handelt sich daher um einen umgekehrten Unternehmenserwerb. Nach Abschluss der Transaktion sind in der Bilanz von B die folgenden Vermögenswerte und Schulden auszuweisen:
Vermögenswerte: €750 = €500 (Buchwert A) + €200 (Buchwert B) + €50 (Stille Reserven B)
Schulden: €570 = €400 (Buchwert A) + €150 (Buchwert B) + €20 (Stille Reserven B)
Das Eigenkapital beträgt €180 =...