III Migration in Deutschland
III.1 Geschichte der Migration
Bereits 1871 spielte Zuwanderung ins Ruhrgebiet eine große Rolle, später im nationalsozialistischen Deutschland betrug der Anteil ausländischer Arbeiter, vor allem in der Kriegswirtschaft, 19,9%.[13] Nach dem Ende des II. Weltkrieges war das Land bevölkerungs-mäßig stark geschwächt, wodurch sich ein Arbeitskräftemangel manifestierte, der auch in der Zeit des Wirtschaftswachstums noch akut war. Aufgrund dieses Umstandes kam es zu Verträgen zwischen Deutschland und verschiedenen süd- und außereuropäischen Staaten, bei denen es Ziel war, Arbeitskräfte für die Bundesrepublik zu gewinnen. Diese Personengruppe sollte spezifische Qualifikationen in ihrem jeweiligen Berufsfeld erhalten, um auch später den Industrien ihrer Heimatländer dienlich zu sein. Ursprünglich war dabei eine Aufenthaltsdauer von einem Jahr für die Gastarbeiter vorgesehen.[14] Da sich dieser Aufenthalt, durch den anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung, jedoch verlängerte, holten die Gastarbeiter ihre Familien nach, die von der Politik gewollten Billigarbeiter entwickelten sich langsam aber stetig zu Einwanderungsfamilien, denen es fern lag, Deutschland wieder zu verlassen. Allein für das Ruhrgebiet werden für 1955 etwa sechs Millionen Arbeitsmigranten gezählt.[15] Dabei war vor allem ein Nachzug von Kindern durch die Bundesregierung nicht geplant. Carolin Reißlandt unterteilt die Migrationsbewegung in folgende fünf Phasen: 1.Phase 1955 bis 1973: Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, In der zweiten Phase kam es infolge der einsetzenden Ölkrise zu einem Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte und zur Konsolidierung der Ausländerbeschäftigung, die Anwerbeverträge seitens der Bundesregierung wurden gekündigt. Aufgrund der Krise waren die wirtschaftlichen Verhältnisse auch in den Heimatländern der Gastarbeiter desolat, so dass eine Rückkehr nicht von ökonomischem Nutzen für die Arbeiter war. Des Weiteren konnte es sich Deutschland nicht erlauben, einen Großteil von ihnen auszuweisen, da zwischenzeitlich viele Wirtschafts- und Dienstleistungszweige durch ausländische Werktätige überrepräsentiert waren. Während der 3.Phase von 1979 bis 1980 existierten konkurrierende Integrationskonzepte, bevor es in der 4.Phase zwischen 1981 und 1990 zu einer Wende in der Ausländerpolitik kam. Zwischen den Jahren 1991 und 1998, der fünften Phase, kam es immer wieder zu Dementi und abschließend zur praktischen Akzeptanz der Einwanderungssituation und letztlich in der sechsten Phase, in den Jahren 1998 bis 2004 zur Debatte über Staatsangehörigkeit und Zuwanderung. Hauptkern der Diskussion war im Verlauf dieser Jahre die Frage, ob Deutschland Einwanderungsland sei oder nicht.[16]
III.2 Migration und Schule - Von der Ausländerpädagogik zum Integrationskonzept
In den letzten 50 bis 60 Jahren sind Menschen aus den verschiedensten Regionen der Welt und mit unterschiedlichsten Beweggründen nach Deutschland eingewandert. Viele dieser Migranten holten im Verlauf der Jahre ihre Familien nach Deutschland, um sich hier auf Dauer niederzulassen, um vor allem einen besseren Lebensstandard zu genießen. Es versteht sich dabei von selbst, dass auch die Kinder der ausländischen Familien beschult werden müssen, um ihnen eine bestmögliche Ausbildung zu gewährleisten.[17] Dies wurde im Verlauf der Jahre unterschiedlich gehandhabt. Die Schulpflicht wird in Deutschland aufgrund der Kulturhoheit der Länder durch eben diese geregelt. Dabei gibt es teilweise unterschiedliche Direktiven zur Durchführung. Bereits auf der Kultusministerkonferenz vom 3.Dezember 1971 beschlossen die Minister, dass ausländische Kinder in die entsprechende Klasse ihres Geburtsjahres aufzunehmen seien, insofern sie der deutschen Sprache der jeweiligen Stufe entsprechend mächtig sind. Ebenfalls wurde die Möglichkeit in Erwägung gezogen, spezielle Vorbereitungsklassen einzurichten, um die Schüler auf ihre Jahrgangsstufe vorzubereiten. Insbesondere sollte auch die Muttersprache in den Unterricht mit einbezogen werden, sowie eine adäquate Schulung für Lehrkräfte erfolgen. Bei einer der nächsten Konferenzen 1976 bestätigte man erneut diese Beschlüsse und traf einige weitere Regelungen in Bezug auf den Unterricht für ausländische Schüler. Dabei wurde die Dauer der Vorbereitungsklassen auf maximal zwei Jahre festgelegt und gleichzeitig sollten weitere spezielle Fördermaßnahmen ermöglicht werden. Die Überweisung auf Sonderschulen, auf die ich später noch zu sprechen komme, sollte den gleichen gültigen Regelungen entsprechen, welche auch für die deutschen Schüler galten. Auf einer der letzten Kultusministerkonferenzen vom 25.Oktober 1996 wurden die Kriterien der Toleranz und Akzeptanz gegenüber ausländischen Mitbürgern in den Vordergrund gerückt. Die Minister waren sich einig, dass diese Eigenschaften oftmals vor allem durch erwachsene Vorbilder nicht „gelebt“ werden und Kinder und Jugendliche somit diese Stereotype und Einstellungen häufig ohne Hinterfragen übernehmen. Man sah die Pädagogik in der Pflicht zu handeln, um Vorurteile abzubauen und eine Diskriminierung von ausländischen Schülern zu vermeiden bzw. zu verhindern. Am 24.Mai 2005 wurden auf der Kultusministerkonferenz die sprachlichen Probleme der Schüler mit Migrationshintergrund maßgeblich auf die familiären Umstände zurückgeführt. Dabei seien vor allem die sozialen Bedingungen, denen die Familie unterliegt, hauptsächlich ausschlaggebend für den schulischen Erfolg der Kinder. An dieser Stelle kam es zu Vorschlägen, das eine Einführung muttersprachlichen Unterrichts am Nachmittag möglich wäre, Deutsch als Zweitsprache in den Lehrplan aufzunehmen sei und vor allem, dass auch Kindern von Asylsuchenden die Schulpflicht zu ermöglichen sei. Da aber, wie bereits erwähnt, die Bildungshoheit bei den einzelnen Bundesländern liegt, ist die Umsetzung der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz ein besonderes Problem. Die Ergebnisse der Konferenz haben somit lediglich empfehlenden Charakter.
Gerade in den Anfangsjahren der Gastarbeiteranwerbung in Deutschland und später bei Einreisewellen von Flüchtlingen und Asylbewerbern stellte sich immer wieder die Frage, ob die mit- oder nachgereisten Kinder der Arbeiter zu beschulen seien, oder nicht. Die Entscheidung fiel letztlich zu Gunsten der Kinder, dass diese den deutschen Schülern rechtlich gleichzustellen seien und der Schulpflicht unterliegen. Ein Grund für diese politische Entscheidung ist darin zu suchen, dass Folgekosten in Form von Sozialhilfe oder auch Unterstützung der Kinder durch Sozialarbeit höher liegen würden, als sie der allgemeinen Schulpflicht zuzuführen. Des Weiteren wurde auch von der Idee Abstand genommen, separate Schulen ausschließlich für Kinder mit Migrationshintergrund einzurichten, stattdessen ging man zur Idee des Integrationskonzeptes über.[18]
Das Konsortium Bildungsberichterstattung hat in seinem Bericht über Bildung in Deutschland von 2006 folgendes festgestellt.
„Es besteht Einvernehmen in Politik und Wissenschaft, dass dem Erziehungs-, Bildungs- und Qualifikationssystem eine Schlüsselfunktion für den langfristigen Erfolg der gesellschaftlichen Integration von Migranten(kindern) zukommt. Besonders angesichts der demographischen Entwicklung sind Förderung und (Aus-)Bildung junger Migrantinnen und Migranten – als Kinder der einzig wachsenden Bevölkerungsgruppe – für gesellschaftliche Produktivität und gesellschaftlichen Wohlstand von großer Bedeutung.“[19]
Aus diesem Zitat geht hervor, dass aufgrund sinkender Nachwuchszahlen bei deutschen Familien ein besonderes Augenmerk auf die Familien mit Migrationshintergrund und dabei besonders auf deren Kinder gelegt werden muss. Das Konsortium betrachtet Zuwanderung zu einem als Aufgabe und Chance, schließt aber auch aus, das einzig die Bildungsinstitutionen zu einer gelungenen Integration ausländischer Kinder beitragen können. Vielmehr erachten sie es als nötig, dass die Politik, sowie das soziale und ökonomische Umfeld Hilfestellungen leisten müssen. Das Hauptziel, welches erreicht werden soll, ist, dass die Schüler durch Bildung besser integriert werden, um letztlich ihrem deutsch Pendant in Abschlüssen und Kompetenzen in nichts mehr nachzustehen. Auch wenn sich im Laufe der letzten Jahre gute Entwicklungen im Bereich der schulischen Bildung auf Seiten der Schüler mit Migrationshintergrund zeigen, so haben internationale, sowie nationale Schulleistungstests doch offengelegt, dass sich starke Diskrepanzen bei den erreichten Schulabschlüssen gegenüber ihrem deutschen Pendant zeigen. Hierbei fällt besonders auf, dass ausländische Schüler am Gymnasium deutlich unterrepräsentiert sind, jedoch auf der Hauptschule einen großen Anteil der Schülerschaft ausmachen.[20]
III.3 Migrationshintergründe
Das mit Migration Menschen verschiedenster Herkunft und aus unterschiedlichsten Gründen ihren Weg nach Deutschland gesucht haben, ergibt sich aus den bisher erfolgten Ausführungen. Auch bei den Kindern und Jugendlichen muss im Sinne eines Migrationskonzeptes beachtet werden, ob diese als selbst zugewanderte Personen nach Deutschland kamen, oder ob sie hier geboren sind, und somit der Kategorie der zweiten Generation zugeordnet...