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E-Book

Die DDR war immer dabei

SED, Stasi & Co. und ihr Einfluss auf die Bundesrepublik

AutorMichael Ludwig Müller
VerlagLau-Verlag & Handel KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783957681515
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Schon 1950 klagte Konrad Adenauer darüber, dass eine 'Fünfte Kolonne' des ostdeutschen Kommunismus in Westdeutschland aktiv sei. In den darauf folgenden vier Jahrzehnten des Kalten Krieges waren SED, Stasi &. Co. nicht nur in ihrem Herrschaftsbereich der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik allgegenwärtig. Sie sahen im Westen 'Klassenfeinde', 'Kriegstreiber', 'Imperialisten' sowie 'Faschisten' am Werk, suchten und gewannen als 'Friedenskräfte' Einfluss auf drei Friedensbewegungen. Mit großem Propaganda-Aufwand führte der ostdeutsche Arbeiter- und Bauernstaat Verleumdungsfeldzüge gegen Westdeutschland und seine Politiker. 25 Jahre nach dem Ende dieses Spuks darf das, was die diktatorischen Regime von Walter Ulbricht und Erich Honecker auch in der Bundesrepublik anrichteten, nicht unter den Teppich gekehrt werden. Nur wenn sich die nachwachsende Generation damit beschäftigt und die notwendigen Schlüsse zieht, wird sie künftigen Auseinandersetzungen mit extremistischen Gegnern der freiheitlichen Demokratie gewachsen sein. Das vorliegende Buch soll ein Beitrag zu dem bisher nur langsam und zäh vorankommenden Aufarbeitungsprozess sein. Richard von Weizsäcker schrieb 20 Jahre nach dem Fall der Mauer, es wäre 'menschlich unzumutbar und rechtsstaatlich unerträglich über die Stasi-Praxis einen Mantel des Vergessens zu breiten'. Deshalb seien für ihn Aufklärung und Erinnerung unverzichtbar. Die feindselige, auf Irreführung, Verleumdung und Zersetzung der westdeutschen Gesellschaft gerichtete Haltung der SED und ihrer 'Krake' Staatssicherheit darf in beiden Teilen des Landes nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es ist Aufgabe aller, der Frage nachzugehen, warum einst viele Menschen in der prosperierenden Bundesrepublik auf die Propagandasprüche und Friedensschalmeien der DDR-Politstrategen sowie die finsteren Machenschaften der Stasi hereinfallen konnten. Nur wenn wir darauf eine Antwort gefunden haben, wird die Epoche der zweiten deutschen Diktatur aufgearbeitet sein.

Michael Ludwig Müller lebt als Journalist in Berlin. Er wurde 1933 in Geschwand (Oberfranken) geboren, studierte in Erlangen, Wien und Berlin Publizistik, politische Wissenschaft und Germanistik. Er volontierte bei den Nürnberger Nachrichten, der Süddeutschen Zeitung und der Berliner Morgenpost, in deren Redaktion er 1962 eintrat. 1961 promovierte er an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über den Einfluss der Presse auf die Bundestagswahl 1957. Nach einem einjährigen Arbeitsaufenthalt beim Springer-Auslandsdienst in den USA berichtete er von 1967 an in Berlin über Hochschulpolitik und Studentenunruhen der Sechzigerjahre. 1971 wurde er politischer Korrespondent der Berliner Morgenpost. 2008 erschien sein Buch 'Berlin 1968'.

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Leseprobe

1. Vorwort


Die expansive Machtpolitik Moskaus und des von der Sowjetunion geführten Ostblocks gehört zwar seit zwei Jahrzehnten der Vergangenheit an. Aber der Linksextremismus lebt weiter. Unbeirrbare Anhänger der marxistisch-leninistischen Lehre sowie neue Jünger dieser „Heilsgewissheiten“ propagieren noch immer überkommene Vorstellungen von Frieden und Fortschritt. Ihre Hauptgegner im Klassenkampf sind – wie ehedem – das politische System der westlichen Welt; also „Monopolkapitalismus“, „Imperialismus“ und der als deren Schöpfung betrachtete „Faschismus“.

Im wiedervereinigten Deutschland haben sich diesen Gruppen so manche am linken Rand im Schmollwinkel lebende frühere Führungskader des untergegangenen SED- und Stasi-Systems zugesellt, die den Verlust ihrer bis 1989/1990 behaupteten Machtpositionen und Privilegien nur schwer verwinden können. Es gibt heute in beiden Teilen Deutschlands Gruppen und Zirkel orthodoxer Kommunisten, die – wie einst die SED – die liberale Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik und die parlamentarische Demokratie bekämpfen. Sie glauben, den Weg zu wahrer Gerechtigkeit, vor allem zu sozialer Chancengleichheit allein zu kennen. Für ihre Ideen sind nicht nur DDR-Nostalgiker anfällig, die ein sozialistisches Deutschland – natürlich ohne die Fehler und Irrwege des Ulbricht- oder Honecker-Staates – herbeisehnen. Auch im Westen sind Stimmen zu vernehmen, die meinen, während der Zeit des real existierenden Sozialismus sei zwischen Ostsee und Erzgebirge, Elbe und Oder „nicht alles so schlecht“ gewesen, wie es heute gemacht werde. Der Frage, ob ein neuer Versuch gewagt werden solle, suchen sie jedoch meistens auszuweichen. Für solche radikalen Ideen lassen sich an Stammtischen auch politische Laien erwärmen, an denen der 40-jährige verbissene Kampf der DDR gegen das Bruderland Bundesrepublik offensichtlich vorbeigegangen ist.

Unter Mitbürgern, die weit im Westen, fern von den einstigen erbitterten Auseinandersetzungen gelebt haben, herrscht häufig totale Unwissenheit darüber, was die vom Kreml angeleiteten und überwachten Staats- und Parteifunktionäre in der DDR sowie ihr aufgeblähter Geheimdienst seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges unternommen haben, um der im Westen Deutschlands entstandenen Bundesrepublik so viele Steine wie nur immer möglich in den Weg zu legen. Vor allem junge Leute kennen oft nicht einmal die einfachsten politischen Vorgänge und Hauptakteure dieses wichtigen und sicherlich noch lange Zeit nachwirkenden Kapitels der jüngsten deutschen Geschichte. Der Autor macht seit Jahren einschlägige Erfahrungen. So kam jüngst ein Berliner Abiturient des Jahrganges 2010 bereits auf die Frage, wer Konrad Adenauer und Wilhelm Pieck gewesen seien, ins Schlingern und suchte sich schließlich mit dem Argument aus der Verlegenheit zu helfen, es handle sich „doch wohl um Personen vor meiner Zeit, und deshalb brauche ich sie nicht zu kennen“.

1.1 Unwissenheit und Gleichgültigkeit


Nicht so sehr Verständigungsschwierigkeiten und gegenseitige Vorurteile erschweren das Zusammenwachsen der 64 Millionen Westdeutschen und 15 Millionen Ostdeutschen, die 1990 vereinigt wurden. Nein, Unwissenheit und gegenseitige Gleichgültigkeit tragen daran bei Weitem die größere Schuld. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen des Integrationsprozesses kann also ein jeder selber schaffen: nämlich sich mit den Folgen der ideologischen Gegensätze, die während der schmerzlichen 40-jährigen Teilung des Landes herrschten, ohne Vorbehalte und falsche Scham auseinanderzusetzen. Dazu soll auch dieses Buch einen Beitrag leisten. Es wurde in der Überzeugung geschrieben, dass die deutsch-deutsche Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einschließlich ihrer dunklen Seiten nicht unter den Teppich gekehrt werden darf, wenn das 21. Jahrhundert in der Bundesrepublik bewältigt werden soll.

Wir werden mit dieser unserer gemeinsamen Vergangenheit fast täglich konfrontiert. Nur selten geht es dabei um spektakuläre Vorgänge wie die Enttarnung des pensionierten Kriminalpolizisten Karl-Heinz Kurras als Stasi-Agent und SED-Mitglied. Die am 27. Mai 2009 bekannt gewordene Nachricht davon schlug hohe Wellen, weil Kurras am 2. Juni 1967, bei den Schah-Krawallen an der West-Berliner Deutschen Oper den wehrlosen Studenten Benno Ohnesorg erschossen hatte. Vor allem Zeitzeugen von damals, die sich noch heute zur Achtundsechziger-Generation rechnen, reagierten geschockt. Sie waren in jener unruhigen Zeit nach dem Todesschuss des Polizisten voller Empörung auf die Straße gegangen. Kurras repräsentierte für sie den von ihnen ohnehin verachteten westdeutschen Staat. Und als er dann vor Gericht auch noch zweimal freigesprochen wurde, galt sein Name vielen jungen Leuten vollends als Negativsymbol für das Gesellschaftssystem der Bundesrepublik. 42 Jahre danach fiel es nun manchen dieser Protestveteranen äußerst schwer, sich ihren früheren kapitalen Irrtum einzugestehen.

Die Sensation, dass Kurras ein von der HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) des DDR-Spionagechefs Markus Wolf angeleiteter „Maulwurf“ in der mit Spionageabwehr beschäftigten und deshalb höchst sensiblen „Politischen Polizei“ war, wäre ohne die Aufbewahrung der erhalten gebliebenen Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit niemals bekannt geworden. Auch viele sonstige Stasi-Untaten und die dafür Verantwortlichen kennen wir heute nur, weil DDR-Bürgerrechtler im Wendejahr 1990 große Teile der riesigen Stasi-Archivbestände vor dem Reißwolf bewahrt haben. Doch der damalige Kanzler Helmut Kohl und sein Innenminister Wolfgang Schäuble (beide CDU), die im heimeligen Bonn am Rhein ihren Amtsgeschäften nachgingen, offenbarten während der deutsch-deutschen Verhandlungen über den Einigungsvertrag entweder eine sträfliche Ahnungslosigkeit, oder sie befürchteten gar, dass aus den Akten für sie persönlich unliebsame Einzelheiten zutage kämen. Jedenfalls versuchten beide Politiker mit aller Gewalt durchzusetzen, dass die Unterlagen der DDR-Geheimpolizei entweder vollständig vernichtet oder wenigstens im Koblenzer Bundesarchiv untergebracht und dort mindestens 30 Jahre lang für die Öffentlichkeit gesperrt würden. Schäuble erklärte später, er habe dies angestrebt, „um den Neuaufbau nicht zu gefährden“. Es bedurfte seinerzeit wiederholter dringender Interventionen von Abgeordneten der frei gewählten DDR-Volkskammer, um das Vorhaben der Bonner zu verhindern. Nur weil ostdeutsche Politiker nicht klein beigaben, konnten die dann ein Jahrzehnt lang von Joachim Gauck und seit 2000 von Marianne Birthler geleitete Behörde gegründet und der Zugang zu den papierenen Stasi-Hinterlassenschaften des DDR-Spitzelsystems für jedermann – vor allem für die Opfer des SED-Regimes – gesetzlich gesichert werden.

Bei der Bewältigung der in dieser Hinsicht alles andere als ruhmreichen DDR-Vergangenheit tat und tut man sich auch in der alten Bundesrepublik noch immer schwer. So war es in den Neunzigerjahren bei manchen Gerichten üblich, westliche Helfershelfer der DDR-Spionage, die doch meistens unter keinem äußeren Zwang, sondern aus freien Stücken gehandelt hatten, höchstens für kurze Zeit hinter Gitter zu schicken und dann vorzeitig freizulassen. Mit wenigen Ausnahmen kamen die Täter, auch wenn sie erheblichen Schaden angerichtet hatten, mit Bagatellstrafen oder mit im Verhältnis zu ihren Vergehen geradezu lächerlichen Geldbußen davon. Nachdem die „teilungsbedingte Kriminalität“ dieser bundesdeutschen Spitzel, die ihr Land und seine demokratische Ordnung verraten haben, inzwischen verjährt ist, schützen bestimmte Richter die früheren West-Agenten des MfS immer häufiger durch Unterlassungsurteile. Das heißt, Medien haben hohe Geldstrafen zu gewärtigen, wenn sie es wagen, die Namen solcher geheimen Mitarbeiter des Spionagechefs Markus Wolf zu veröffentlichen.

Auch der Bundestag ist als Gesetzgeber immer wieder überfordert, wenn es um die Aufarbeitung der Folgen des Kalten Krieges geht. So legten die Parlamentarier bei einer Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes im Jahr 2006 fest, dass Akten der Birthler-Behörde von Amts wegen nur noch geprüft werden dürfen, wenn sie Personen in Führungspositionen betreffen. Dies machte sich der frühere Spitzel Kurras zunutze. Er klagte dagegen, dass seine Ruhestandsbezüge im Sommer 2009 vom Landesverwaltungsamt Berlin vorläufig gekürzt wurden. Die Kürzung wurde aufgrund der Gesetzeslage im Mai 2010 vom zuständigen Verwaltungsgericht aufgehoben und eine Nachzahlung des Kurras vorenthaltenen Geldes angeordnet.

Mit der Aufarbeitung des DDR-Unrechts einschließlich der Verbrechen der Staatssicherheit dürfen die ostdeutschen Landsleute nicht allein gelassen werden. Sie ist Pflicht des ganzen Landes: des Staates, der Behörden, der Schulen und Universitäten, der Wirtschaftsführer und der Künstler, also eines jeden Bürgers der Bundesrepublik. Dazu sind gewiss auch Initiativen wie die des FDP-Bundestagsabgeordneten...

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