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Die deutsch-polnischen Beziehungen von 1933 bis 1939

Kontinuität oder Wandel?

AutorJörg Husemann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783638681315
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Geschichte), 75 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als Warschau und Berlin - knapp ein Jahr nach Ernennung Hitlers zum Reichskanzler - am 26. Januar 1934 die deutsch-polnische Nichtangriffserklärung proklamierten, kam dies einer politischen Sensation gleich. Nach Jahren diffamierender Hetze auf beiden Seiten schien ein Wandel in den gegenseitigen Beziehungen eingetreten zu sein, der für die weitere Zukunft hoffen ließ. Dabei stand der Pakt 'augenscheinlich' im völligen Widerspruch zur Außenpolitik der Weimarer Republik, in der eine derartige deutsch-polnische Verständigung sicherlich nie zur Verwirklichung gekommen wäre. Im Gegenteil: Die deutschen Machteliten, das Auswärtige Amt und auch die Reichswehr wurden durch diesen außenpolitischen Schritt Hitlers regelrecht 'brüskiert', bestand doch noch bis in die Dreißiger Jahre hinein der Konsens, dass eine gutnachbarschaftliche Beziehung zu Polen nur erreicht werden könnte, wenn Polen einer Revision seiner Westgrenze zugunsten Deutschlands zustimmen würde. Zuschriften konservativer Kreise an den Reichspräsidenten von Hindenburg drückten vehement ihre starke Besorgnis über Hitlers eingeleitete Annäherung an Polen aus. Dabei hatte diese Gruppe noch vor einem Jahr Hitler in den 'Sattel der Regierung' verholfen. Doch Hitler, der mit diesem Nichtangriffspakt seinen ersten größeren außenpolitischen Erfolg feiern konnte und damit scheinbar die Kontinuität des Weimarer Revisionismus durchbrochen hatte, setzte sich auch gegen die eigene Parteispitze der NSDAP durch. Welche Vorteile erhoffte er sich aber von diesem Übereinkommen? Und wie kam dieser Pakt überhaupt zustande, der - ursprünglich auf zehn Jahre angelegt - bereits fünf Jahre später in den Zweiten Weltkrieg mündete? War es Hitlers eiskaltes Kalkül, einen Pakt mit Polen auszuhandeln, den er am Ende doch nicht zu halten gedachte? Oder erhoffte er sich eine wirkliche Aussöhnung mit dem ewigen 'Erbfeind' Polen? Und wie standen die Polen dem Pakt mit Hitlerdeutschland gegenüber? Ahnte man damals in Warschau nicht, dass Hitler bereits den Weg 'hin zum Krieg' beschritt?

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Leseprobe

3. Das Dritte Reich und Polen – Zwischen Krisen und


 

 Entspannung

 

Mit der Machtergreifung Hitlers schien eine Wende in den deutsch-polnischen Beziehungen einzutreten. Hatte man in Polen mit Österreichern nicht stets – zuletzt im Weltkrieg – bessere Erfahrungen gemacht als mit Preußen?[89] Marschall Piłsudski und sein neuer Außenminister Józef Beck glaubten zwar nicht, dass von Hitler 1933 eine unmittelbare Gefahr ausginge, doch fürchteten sie um die Zukunft.[90] Sensationell mutete schließlich der 1934 abgeschlossene Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Polen an. Schienen damit doch endgültig Ressentiments und Revisionsdruck abgeschwächt. Aber dämmerte mit der Zeit nicht auch die Erkenntnis, dass ein Abgehen von der „alten Revisionspolitik“ auch ganz andere Ziele auftauchen lassen konnte?[91]

 

3.1 Die Phase vom 30. Januar 1933 bis zu Hitlers „Friedensrede“ am 17. Mai 1933

 

Diese erste Phase – von Hitlers Machtergreifung 1933 bis zu dessen Friedensrede am 17. Mai – kann als eine Phase der Krisen und Auseinandersetzungen gekennzeichnet werden. Hierbei spielt besonders Hitlers Einstellung zu Polen eine wichtige Rolle, aber auch Pilsudkis Konfrontationskurs gegenüber Hitlerdeutschland.

 

Wie kam es zur verhängnisvollen deutsch-polnischen Politik, die bereits 1932 in einen Krieg zu münden schien? Und hatte Hitler wirklich ein neues Konzept gegenüber der Weimarer Außenpolitik parat, die eine Änderung in den gegenseitigen Beziehungen bewirken konnte?

 

3.1.1 Hitlers Einstellung zu Polen

 

 „Wir werden niemals eine große Politik machen

 

 ohne einen festen, stahlklaren Machtkern im

 

 Mittelpunkt. […] Zu diesem Kern gehört

 

 Österreich. Es gehört dazu aber auch Böhmen

 

 und Mähren, und es gehören dazu die West-

 

 gebiete Polens bis an gewisse strategische

 

 Grenzen […]. In allen diesen Gebieten wohnen

 

 heute überwiegend fremde Volksstämme. Und es

 

 wird unsere Pflicht sein, […] diese Stämme zu

 

 beseitigen.“ (Adolf Hitler 1932 im kleinen Kreise)[92]

 

Glaubt man den Historikern,[93] hatte Hitler zu Beginn seiner Kanzlerschaft keine endgültige Zielsetzung über die Gestaltung der Beziehungen zu Polen.[94] Man könnte sogar behaupten, seine Konzeption war anfangs im Gegensatz zu seinen Vorgängern verheißungsvoll offen. Ihm, als „österreichischen Katholiken“, fehlte einfach dieser sture antipolnische Revisionismus auf die Versailler Grenzen.[95] Seine Globalstrategie richtete sich vornehmlich gegen die Sowjetunion und auf die Lebensraumgewinnung im Osten. Beides war nicht an Versailles orientiert.[96] Für Hitler war die „alte“ Revisionspolitik, bei der es nur um Grenzen ging, völlig überholt. Er dachte in den Kategorien einer Raumpolitik, deren Basis bereits im Buch „Mein Kampf“ gelegt worden war:[97]

 

Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewußt einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft“.[98]

 

Von Polen war im gesamten Buch keine Rede. Und auch im Programm der NSDAP lässt sich kein Passus über die polnische Frage finden. Lediglich Alfred Rosenberg hatte die polnische Frage beiläufig berührt, als er ein Modell eines selbstständigen, mit Deutschland verbündeten Ukrainerstaates entwickelt hatte, in dem sowohl Polen beseitigt, als auch Moskau zurückgedrängt wäre. Hitler soll jedoch dieser Lieblingsvorstellung Rosenbergs eher kritisch gegenübergestanden haben. Nicht nur, dass er die „rassisch-minderwertigen Völker“ des Ostens verachtete,[99] er hielt auch die preußisch-deutsche Germanisierungspolitik der Vergangenheit für grundfalsch. „Der völkische Staat durfte unter gar keinen Umständen Polen mit der Absicht annektieren, um aus ihnen Deutsche machen zu wollen“. Einer „Germanisierung des Bodens“ galt sein ganzes Denken, nicht der „von Menschen“.[100]

 

Nach der Machtergreifung bewegte sich Hitler auf der internationalen Bühne als Neuling, der jäh zwischen Friedensbeteuerungen und herausfordernden Kraftakten schwankte.[101] Seine erste offizielle Äußerung über deutsche Ziele gegenüber Polen gab Hitler in einem Interview der Daily Mail am 6. Februar 1933, dessen genauer Wortlaut bis auf die am 12.2. in der „Sunday Express“ veröffentlichten Fassung unbekannt ist. Hitler sprach hier erstmals von der Notwendigkeit der Vertragsrevisionen. Zum Thema der deutschen Ostgrenze erklärte er, dass der Korridor eine Ungerechtigkeit darstelle und dieses Gebiet folglich an das Reich zurückgegeben werden müsse. Eine baldige Lösung zu dieser Frage sei

 

überdies unumgänglich.[102] Der Text des Interviews musste aber derart alarmierend für die polnische Regierung wirken, dass sich die deutsche Regierung genötigt sah, die Zeitungsversion zu dementieren und eine entschärfte Fassung des Interviews herausgeben ließ.

 

Wenn auch Hitler in diesem Interview am 6. Februar die bekannten revisionistischen Losungen der Weimarer Zeit vertrat, so war dies sicherlich weniger Ausdruck seiner Ziele gegenüber Polen, als vielmehr Wahlpropaganda zur künftigen Reichtagswahl. Am 8. Februar, also zwei Tage später, schlug er schon einen viel moderateren Ton gegenüber dem polnischen Gesandten Wysocki während eines diplomatischen Empfangs bei Hindenburg an. Dabei bekräftigte Hitler diesem, dass Deutschland den Frieden mehr noch bräuchte als Polen, und dass an einen Krieg nur Dumme dächten.[103]

 

Für den Augenblick ergab sich also, dass die polnische Regierung - nach Abschwächung des Interviews und der Hitlerschen Friedensbeteuerung vor Wysocki – weiterhin die Ziele einer nationalsozialistischen Außenpolitik nicht klar erkannte. Außenminister Józef Beck reagierte scharf, aber angesichts der militärischen Überlegenheit Polens auch gelassen, als er am 15. Februar erklärte, dass „mehr von Berlin als von Warschau“ abhänge, wenn es um das zukünftige deutsch-polnische Verhältnis ginge. Doch wie die polnische Regierung, so zeigte auch die deutsche Regierung eine abwartende Haltung, um die weitere Entwicklung zu beobachten.[104]

 

Aufgrund des radikalen Gebarens der SA in Danzig und der Befürchtung Polens vor einem Anschluss der Stadt an das Reich verstärkte Polen militärisch die Westerplatte bei Danzig. Gerüchte über einen möglichen Präventivschlag gegen Hitlerdeutschland wurden nun immer wahrscheinlicher. Hier schien nun Hitler in Piłsudski „einen Gegner zu wittern“, dessen Tatkraft die „Heuchelei, Feigheit und Entschlußlosigkeit“ der westlichen Demokratien weit hinter sich ließ.[105] Vor allem die Entschlossenheit Piłsudskis zu einem Präventivschlag gegen Deutschland muss Hitler Achtung genötigt haben; ein Machtdenken, das psychologisch für Hitler recht typisch war. Und gerade die unverhohlene Kriegsdrohung Piłsudskis ließ in Hitler den Wunsch aufkommen, sich mit dem Marschall zu treffen.[106]

 

Weitere Anzeichen einer Annäherung an Polen ließ Hitler in einer Rede am 23. März erkennen, wo er - ohne Polen ausdrücklich zu nennen – unter anderem erklärt hatte: „Die nationale Regierung ist bereit, jedem Volk die Hand zu aufrichtiger Verständigung zu reichen, das gewillt ist, die traurige Vergangenheit einmal grundsätzlich abzuschließen“.[107] Ende März, so schrieb Hans Roos, sei zudem noch eine versöhnliche Note Hitlers in Warschau eingegangen, „in der er das unglückliche Missverständnis bedauerte. Er [Hitler] habe keine Absichten auf Polen; im Gegenteil, er wäre froh, wenn er freundliche Beziehungen zwischen beiden Ländern aufrichten könnte“.[108] Und dass diese Äußerungen Hitlers keine bloßen „Beschwichtigungsmanöver“ waren, davon war Rolf Ahmann überzeugt.[109] Aber auch Wollstein hob hervor, dass die Phase zwischen den neuen Präventivkriegsdrohungen Piłsudskis Anfang April und dem Hitler-Wysocki Gespräch am 2. Mai „allgemein als die Zeit des überraschenden Umschwungs in der deutschen Ostpolitik“ galt.[110] Lag folglich für Hitler in der Westerplattenaffäre der Keim für eine zukünftige deutsch-polnische Annäherung, blieb Piłsudski skeptischer. Rolf Ahmann sah bereits hier die Absicht Hitlers, einen Pakt mit Polen zu schließen, obwohl nicht feststellbar sei, „welche Art von Abkommen Hitler zu diesem Zeitpunkt mit Polen schließen wollte“.[111]

 

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