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Die Diskussion im deutschen Baptismus um die 68er Bewegung

AutorMarc Schneider
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783848245093
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Welche Auswirkungen hatte die Studentenbewegung von 1967 bis 1972 auf den deutschen Baptismus? Marc Schneider, Absolvent der Theologischen Hochschule Elstal, beschreibt in seiner Masterarbeit die Wahrnehmung der 68er Bewegung in der baptistischen Presse und Studentenarbeit sowie die Diskussion in den Baptistengemeinden des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland.

Marc Schneider wurde 1982 in Guben geboren. Nach Schul- und Berufsausbildung begann er mit dem Studium der Ingenieurswissenschaften in Magdeburg. Währenddessen erfuhr er im Kontext des CVJM Magdeburg eine Berufung für den hauptamtlichen Dienst. Nach einem theologischen Fernstudium studierte er in Vollzeit von 2006 bis 2011 an der Theologischen Hochschule Elstal und schloss sein Studium mit dem Master of Arts (M.A.) in Evangelischer Theologie ab. Marc Schneider ist verheiratet und Vater dreier Söhne. 2011 wurde er zum Pastor im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. ordiniert.

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Leseprobe

3. Außerparlamentarische Opposition und Studentenbewegung


3.1 Kleine Chronologie der Ereignisse

Einen klaren Beginn bzw. eine Konstitution der 68er Bewegung auf einen terminlichen Anfangspunkt zu setzen, ist aus Sicht des Verfassers nicht möglich. Vielmehr sind die verschiedenen Protestentwicklungen in dem unter Kap. 2 dargestellten Kontext zu begreifen. Dennoch soll im Folgenden, dargestellt in vier Phasen, der Versuch unternommen werden, einen Verlauf bzw. einige Wegmarken der Ereignisse zu skizzieren.

3.1.1 Vorphase: 1960-1965/66

Eine Determinierung der Jahre 1960 bis 1966 könnte lauten „Vom single-purpose-movement zur Außerparlamentarischen Opposition.“67 Es entwickelten und formierten sich in der BRD seit 1960 zunächst drei voneinander getrennte Bewegungen. Als erstes entstand parallel zur Diskussion über die Bewaffnung der Bundeswehr mit Atomwaffen die Ostermarschbewegung. Diese anfänglich pazifistisch motivierte und von moralischer Empörung durchdrungene Bewegung galt zunächst als eher unpolitisch. Ab 1963 jedoch politisierte sich die Bewegung zunehmend und bot auf Seiten der Intellektuellen und der linken Abrüstungsgegner eine ungewohnte und anziehende Sogwirkung.68 Ebenfalls seit 1960 kam es, zunächst auf Seiten von Juristen, Staatsrechtlern und Politikwissenschaftlern, zu einer intellektuell und universitär geprägten Opposition zu den geplanten Notstandsgesetzen. Später weitete sich die Opposition durch Aufnahme und Mobilisierung der linksliberalen Öffentlichkeit sowie großer Einzelgewerkschaften (IG Metall und IG Chemie) zu einer zweiten Bewegung aus.69 Als dritte und letzte Bewegung entwickelte sich die Studentenbewegung um den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Nachdem es bereits im Vorfeld zu Auseinandersetzungen zwischen SPD und dem ihr nahe stehenden SDS kam, die sich vor allem an der politischen Ausrichtung entzündeten70, kam es im November 1961 zur endgültigen Trennung.71 Noch im selben Jahr erschien die Hochschuldenkschrift des SDS, die als Grundlage der Proteste an den Hochschulen identifiziert werden kann. Eine durch die Trennung von der SPD resultierende Isolation wurde durch Gespräche mit einer Vielzahl anderer Studentenbünde abschließend mit dem „Hoechster Abkommen“ überwunden, so dass mit dem Beginn der „antiautoritären“ Revolte der SDS eine strategische Führungsrolle innerhalb der Studentenschaft übernahm.72

3.1.2 Erste Phase: 1965-1967

Die Aktionen der ersten Phase konzentrierten sich zunächst geografisch auf West-Berlin. Zum einen, weil eine Reihe von führenden Repräsentanten als Flüchtlinge aus der DDR kamen und „vom 'kapitalistischen' System enttäuscht waren und ihre in der DDR anerzogene marxistische Grundschulung [...] zum Kampf für einen humanen Sozialismus einsetzen wollten“73 (z.B. Rudi Dutschke). Zum anderen zog das Otto-Suhr-Institut (Zentrum für Politologie in der BRD) am Standort Berlin eine Menge Studenten der Sozial- und Politikwissenschaften an, welche ihr Studium gleichzeitig mit der politischen Praxis verbanden. So kam es neben einigen Vietnam-Demonstrationen (mit anfänglich hochschulinternem Charakter) vor allem auch zu Aktionen, die sich gegen interne Maßnahmen, etwa Verwaltung und Hochschulpolitik der Freien Universität Berlin (FU), richteten.74

3.1.3 Zweite Phase: 1967-1968

Die zweite Phase einleitend und zugleich ein erster Höhepunkt der Protestbewegung war der Tod des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967, der „bei einem Tumult vor der Deutschen Oper in Berlin anlässlich des Staatsbesuchs des Schahs von Persien“ von einem Polizisten erschossen wurde.75 Dieses Ereignis kann zugleich als Paradigmenwechsel von einer bisher relativ friedlich verlaufenden zu einer sich radikalisierenden Bewegung bezeichnet werden. So löste der Tod von Ohnesorg eine breite Solidarisierung von Menschen (weit über Berlin hinaus) aus, die sich bisher eher passiv oder beobachtend verhalten hatten.76 Besondere Beachtung in der ganzen BRD fand der SDS-Kongress „Bedingungen und Organisation des Widerstands“, welcher im Anschluss an die Beisetzung Ohnesorgs in Hannover stattfand.77 Die Berliner Ereignisse wurden von Vertretern des SDS sowie einigen Professoren „als Ausdruck vorweggenommener Notstandsmaßnahmen“ interpretiert78, was zur Folge hatte, dass die Proteste nun auf ein innenpolitisches Ziel fokussiert wurden, „die Verhinderung der von der Großen Koalition dem Parlament als Entwurf vorgelegten Notstandsgesetze.“79 Angefacht durch die Ereignisse des 2. Juni gründete sich zur Vorbereitung eines Kongresses gegen die Notstandsgesetze ein Kuratorium „Notstand der Demokratie“. Hier fanden sich Vertreter aus den oben beschriebenen „single-purpose-movements“ (SDS, Ostermarschbewegung/ Kampagne für Abrüstung, Bewegung gegen Notstandsgesetze) zusammen. In der Forschung wird dieser Zusammenschluss analytisch als „die Geburtsstunde der Außerparlamentarischen Opposition als einer Bewegung“80 benannt. Während der Vietnamkrieg bereits als ein Katalysator der Jugendproteste in den westlichen Demokratien galt und dieser später auch zur Synchronisierung der weltweiten Proteste beitrug, etwa auf dem am 17./18. Februar 1968 in Berlin (vor dem Hintergrund der „Tet-Offensive“81) stattgefundenen Internationalen Vietnam-Kongress, stellte er nun die Proteste in einen internationalen Systembezug. Ebenfalls stellte die Konstitution der APO im Blick auf die Notstandsgesetze einen nationalen Systembezug her, in dem unterschiedliche und zum Teil divergierende Gruppen eine kollektive Identität gegen die große Koalition fanden.82 Ein Höhepunkt war die Organisation des „Sternmarsches auf Bonn“, der anlässlich der zweiten Lesung der Notstandsgesetze am 11. Mai 1968 stattfand und mehr als 60.000 Demonstranten mobilisierte.83 Ein besonderes Charakteristikum der zweiten Phase ist ein subversives und aktionistisches Vorgehen, das immer wieder im Kontext von Gewaltanwendungen stand. Insbesondere nach dem Attentat auf Dutschke am 11. April 1968 kam es zu den „härtesten innenpolitischen Unruhen seit Bestehen der Bundesrepublik“84. Die Verantwortung für die Eskalation der Gewalt seitens der Studentengegner sahen die studentischen Linken vor allem in der Hetze und manipulativen Beeinflussung durch die Springer-Presse, welche Dutschke seit dem 2. Juni 1967 zum „Volksfeind Nr. 1“ machte und damit die Revolte personalisierte.85 „Überzeugt davon, dass 'Bild mitgeschossen' habe, beteiligten sich während des 'Osteraufstands' [...] Zehntausende an Blockaden und Gewaltaktionen vor den Auslieferungstoren der Springer-Druckereien.“86

3.1.4 Dritte Phase: 1968-1970

Am 30. Mai 1968 wurden die Notstandsgesetze, die zuvor alle linken Kräfte zu einer Aktionseinheit (APO) formiert hatten, mit großer Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Trotz Resignation wurde für das Jahr 1969 noch einmal ein „heißer Sommer“ angekündigt. Jedoch war mit der Verabschiedung der Notstandsgesetze auch die verbindende Aktionsgrundlage verschwunden. Neben einigen Einzelaktionen, etwa der Störung der Bundesversammlung oder einer Aktion gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten, „brachte diese 'Rekonstruktionsphase' wieder eine deutliche Rückbesinnung auf die Hochschule als Agitationsfeld“.87 Mit dem Zerfall der Außerparlamentarischen Opposition und der Auflösung des SDS am 21. März 1970 begann eine zunehmende Zersplitterung der Bewegung in verschiedene und zum Teil stark divergierende Gruppen mit anarchistischen Tendenzen. Während auf bundespolitischer Ebene die sozialliberale Regierung mit dem Slogan „Mehr Demokratie wagen!“ sowie dem symbolhaften Kniefall Willy Brandts in Warschau eine neue Politik eingeläutet hatte und viele kritische Gemüter zur Ruhe stimmte88, begann zugleich eine neue Ära der militanten Gewalt. Nachdem die erhoffte Revolution ausgeblieben war und die Aufstandsappelle von den Universitäten im Volk keinen Widerhall fanden (anders in Frankreich), begann sich „ohne Massenbasis autorisiert [...] eine militante Elite zur Gewalt gegen Sachen und dann gegen Menschen“89 zu formieren.90

3.2 Themen, Ziele und Forderungen der 68er Bewegung

„Der Grundgedanke, der 'um 68' hinter allem stand, und die Richtung, in die alles strebte, hieß Befreiung - von Autoritäten und aus Abhängigkeiten, aus Konventionen und von Traditionen, von lästigen Pflichten und überkommenen Moralvorstellungen.“91 Auf den Punkt gebracht: „mehr Demokratie, mehr Transparenz, mehr Partizipation“92. Auch eine vergleichende Analyse der Bewegungen im westlichen Ausland ergibt, neben allen nationalen Differenzen, dass Emanzipation, die Ausweitung von Partizipationschancen sowie Mitbestimmung bzw. Mitwirkungsrechte (an der Gestaltung der Gesellschaft) zu den zentralen Forderungen und Zielen von '68...

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