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E-Book

Die Dynamik der Kreativität

VerlagVerlag Anton Pustet
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783702580230
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Im Bildungsbereich wird an vielen Stellen Kreativität eingefordert. Dabei steht fest: Kreativität verlangt handwerkliches Können, Anstrengungsbereitschaft und Risikofreude. Kreativität ist ein komplexes Phänomen: Es geht um originelle Problemlösungen, um das Finden neuer Ideen oder das Herstellen neuer Produkte. Expertinnen und Experten aus Erziehungswissen­schaft, Psychologie, Neurowissenschaft, Entwicklungspsychologie, Therapie und Philosophie diskutieren neue Forschungen zur Kreativität und geben Anregungen zur Kreativitätsförderung im pädagogischen Kontext. Mit Beiträgen von: Markus Hengstschläger Klaus K. Urban Eva Dreher Andreas Fink Rainer M. Holm-Hadulla Donata Elschenbroich Margret Rasfeld Ute Lauterbach Anton A. Bucher

Mag. Dr. Anna Maria Kalcher, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Mozarteum Salzburg, Lehrende an der Abteilung für Musikpädagogik sowie Mitarbeit im Bereich Evaluierung; Planung und Organisation der Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg. Prof. Mag. Dr. Karin Lauermann, Direktorin des Bundesinstituts für Sozialpädagogik in Baden; Lehrbeauftragte an den Universitäten Klagenfurt, Graz und Wien; Chefredakteurin von 'Sozialpädagogische Impulse' Baden; Vizepräsidentin der Internationalen Pädagogischen Werktagung Salzburg.

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Leseprobe

Markus Hengstschläger


Individualität als Erfolgsmotor


Zusammenfassung


Einerseits ist der Mensch nicht auf seine Gene reduzierbar. Er ist das Produkt der Wechselwirkung zwischen Genetik und Umwelt. Andererseits werden zwei Menschen, die genau gleich viel üben, dennoch nicht das gleiche Niveau erreichen. Umgangssprachlich hört man dazu stets: »So etwas hat man eben oder eben nicht!« Für jeden Erfolg gibt es eine besondere Leistungsvoraussetzung – ein oder mehrere Talente. Aber Talent allein ist noch keinerlei Erfolgsgarantie. Vielmehr ist harte Arbeit erforderlich und es gilt, die entdeckten Talente in eine besondere Leistung, in Erfolg umzusetzen.

In diesem Beitrag wird thematisiert, warum Individualität als höchstes Gut anzustreben ist und welchen Beitrag Bildungsinstitutionen zur Förderung individueller Talente leisten können. Frei nach dem Motto: Gene sind nur Bleistift und Papier, aber die Geschichte schreiben wir selbst. Jede Geschichte ist es wert, geschrieben zu werden! Wir brauchen Peaks und Freaks!

Das aktuell Erstrebenswerteste, was man offensichtlich über die (seine eigene) nächste Generation sagen möchte, scheint eher eine Beschreibung idealisierter Unsichtbarkeit zu sein. »Wie geht es dir mit deinem Sohn?«, fragt der eine Vater den anderen. Die immer öfter gegebene, weil auch immer öfter gewünschte Antwort darauf: »Meiner? Herrlich, großartig … so angenehm. Weißt du, wir haben keinerlei Probleme mit ihm … so angenehm … der fällt überhaupt nicht auf, immer schön im Durchschnitt. Der ist noch nie unangenehm aufgefallen. Bitte, er ist auch noch nicht besonders angenehm aufgefallen. Hauptsache ist aber doch – nicht auffallen. Das macht doch nur Probleme – für ihn und für uns. Nein, so etwas macht meiner mir nicht!« (Un)auffällig unauffällig – der Traum aller Erziehungsberechtigten, Erziehungsverpflichteten.

Was mich daran stört? Dass diese beiden Väter das größte Kapital für die Zukunft unseres Planeten verschleudern. Sie meinen: Ach was, das größte Kapital sind Rohstoffe und billige Arbeitskräfte? Zugegeben, höre ich auch des Öfteren. Aber wir wissen doch alle, die gehen uns schneller aus, als uns lieb ist. Das größte und einzige Kapital, auf das sich verlässlich und nachhaltig bauen lässt, ist die Individualität unseres Humankapitals.

Ein System, in dem alle Teile möglichst nah an einem gemeinsamen Durchschnitt sind, ist für die Zukunft in keinerlei Weise gerüstet. Selbst wenn man denkt, einen hohen Wert anzustreben. Das Problem ist die fehlende Varianz, fehlende Individualität. Wenn in der Zukunft ein Problem auftaucht, das das System nicht kennt oder eben noch nicht kennt, so wird der Durchschnitt – und in diesem Fall damit alle (weil ja schließlich alle nah am Durchschnitt und daher sehr ähnlich wären) – keinerlei Antwort darauf bieten. Wenn das System aber eine höchstmögliche Streuung aufweist, also von Verschiedenartigkeit und Individualität nur so strotzt, wird vielleicht eine bzw. einer oder auch eine zweite bzw. ein zweiter, mit ihrem bzw. seinem individuellen Ansatz, mit ihren bzw. seinen ganz eigenen Denkmustern eine Antwort finden können. Fragen, die aus der Zukunft auf uns zukommen, die wir heute (logischerweise) noch nicht kennen, werden dann von einem durchschnittsorientierten System beantwortet oder gelöst werden können, wenn sie möglichst nah am Vorstellbaren, Kalkulierbaren, Einschätzbaren und Voraussehbaren sind. Aber was an der Zukunft ist schon wirklich vorstellbar, kalkulierbar, einschätzbar und voraussehbar? Eben.

Sie werden sagen, was soll’s? Wer macht das schon? Wer orientiert sich denn schon am Durchschnitt? Das könnte doch nur eine oder einer tun, die bzw. der dumm genug wäre zu glauben, die Fragen der Zukunft heute schon zu kennen. Das könnte doch nur eine oder einer tun, die bzw. der dumm genug wäre zu meinen, heute schon wissen zu können, was wir morgen wirklich brauchen, was morgen auf uns zukommt. Leute, die das von sich behaupten, sitzen üblicherweise in kleinen Hinterzimmern oder Zelten eines Wanderzirkus vor einer Glaskugel, leise, verraucht und ehrfurchtsvoll die Worte hauchend: »Ich sehe in Ihrer Zukunft einen Mann, schön, reich, klug und Ihnen jeden Wunsch von den Lippen ablesend!«

Wer also ist dumm genug, sich an einem in der Verzweiflung des Gefechtes erfundenen und dann auch noch als ideal postulierten Durchschnitt zu orientieren? Ein Schulsystem, das die Schülerinnen und Schüler anhält, doch dort am meisten zu lernen, wo sie die schlechtesten Noten haben, um sich auf Kosten jener Zeit, die sie mit ihren Stärken hätten verbringen können, doch rasch wieder im Durchschnitt einzureihen? Ein Schulsystem, das glaubt, das Entscheidende sei, dass am Ende alle das Gleiche können? Universitäten, die ihre Studierenden danach aussuchen wollen, wie gut ihr Notendurchschnitt in der Schule war? Universitäten, die gerade zu Schulen werden mit dem Ziel, möglichst viele Studierende möglichst schnell, möglichst günstig, möglichst ohne Verluste – mit einer möglichst niedrigen Drop-out-Quote –, möglichst durchschnittlich auszubilden? Eine Bildungspolitik, die alles daran setzt, bildungsferne Schichten zur Bildung zu bringen, um den Durchschnitt zu heben? Eine Einwanderungspolitik, die heute schon weiß, welche Fachkräfte und welches Know-how wir morgen in unserem Land brauchen werden? Das kommt Ihnen alles irgendwie bekannt vor? Nun, dann wissen Sie ja schon, warum etwas dazu gesagt, warum etwas darüber geschrieben werden muss. Weil der Durchschnitt so hilflos ist. Weil der Durchschnitt niemals besondere Leistungen erbringen wird. Weil der Durchschnitt kein Instrument zur Beantwortung noch ungelöster Fragen ist. Weil Anderssein viel besser ist. Weil es nicht darum geht, besser zu sein, sondern anders zu sein. Und weil wir gerade im Begriff sind, unsere Individualität aufs Spiel zu setzen. Eben. Ich möchte Sie jetzt nicht überfordern, indem ich Ihnen all jene Beispiele, die man aktuell beobachten kann, aufzähle, die das mir unverständliche Streben nach dem Durchschnitt belegen würden. Ich weiß ohnedies, dass Sie die meisten davon (und wahrscheinlich noch viel mehr) kennen. Vielleicht halten Sie einmal kurz inne und überlegen sich selbst, wo Sie in Ihrer unmittelbaren Umgebung mit »zu viel Durchschnitt« konfrontiert sind oder waren.

Anders zu sein und möglichst viele Andere (Andersartige), Verschiedene im System zu haben ist die mächtigste Eigenschaft (um nicht zu sagen Waffe) auf dem spannenden, aber eben auch herausfordernden Weg in die Zukunft. Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht. Niemand weiß heute schon, welche Fähigkeiten wir eines Tages zur Lösung der noch kommenden Probleme benötigen. Ein Grundelement der Zukunft ist, dass sie Neues bringt, uns Noch-nicht-Dagewesenes an den Kopf wirft, ohne Rücksicht auf unseren aktuellen Stand des Wissens. Daher kann auch niemand behaupten, der oder die eine bzw. das eine wäre heute wichtiger und förderungswürdiger als die oder der andere bzw. das andere. Wer heute wertet, wer heute von sich behauptet zu wissen, was wir wirklich brauchen werden, die bzw. der sollte wohl idealerweise eine Glaskugel haben und zumindest eine oder einen finden, die bzw. der ihr oder ihm Glauben schenkt. Niemand kann heute beweisen, was besser ist und sein wird, weil man die Zukunft nicht kennt. Niemand kann heute behaupten, was nötiger ist und sein wird, weil man die Zukunft nicht kennt. Und so lange das so bleibt (und wer glaubt schon, dass sich das jemals ändern wird), besteht die einzige Chance, sich auf die Zukunft vorzubereiten, darin, möglichst viele im System zu haben, die anders sind.

Wer einen neuen Weg gehen will, muss den alten verlassen. Individualität ist das höchste Gut, wenn es darum geht, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Der Durchschnitt erbringt keinerlei wissenschaftliche Spitzenleistungen, die wir für eine erfolgreiche Zukunft so bitter nötig haben werden. Der Durchschnitt erbringt aber auch keine sportlichen Spitzenleistungen, keinerlei künstlerische Ausnahmeleistungen und natürlich auch keine innovativen politischen Lösungen. Der Durchschnitt ist sinnlos und gefährlich, weil er so manche in dem Glauben wiegt: »Wenn es die anderen auch so machen, wenn die anderen auch nicht anders sind, dann kann mir ja nichts passieren.« Nicht nur, dass es heute sehr beliebt ist, wenn die nächste Generation nicht auffällt. Es ist außerdem mehr als beliebt, selbst nicht aufzufallen. Nichts – so glaubt so manche oder mancher – macht stärker, denn als Tropfen im großen Meer des Durchschnitts aufzugehen. Nichts – so irren so viele – macht stärker, als sagen zu können, »wir« (und nicht ich). Die Sehnsucht, sich hinter einer Phalanx Gleichgesinnter zu verstecken, war wohl noch nie so groß: »Wir – die Briefmarkensammler, wir – die Gartenzwergsammler, wir – die Sammler der Rechten,...

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