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Die Dynastie der Karolinger. Die Entwicklung des fränkischen Hausmeieramtes und der Aufstieg der Arnulfinger bis zur endgültigen Etablierung Karl Martells.

AutorStefan Knechtges
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2001
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783638101325
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Geschichte Europa - and. Länder - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,7, Universität Koblenz-Landau (Institut für Geschichte), 50 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Als der fränkische Chronist Einhard seine Vita Karls des Großen mit einer Abrechnung mit dem vorherigen Königshaus der Merowinger begann, welche nur dem Namen nach herrschten, in Wirklichkeit aber von ihren jeweiligen Hofmeistern, den sogenannten Hausmeiern abhängig waren, hatte die Familie Karls bereits einen langen Kampf um die Macht hinter sich. Seiner Familie war es gelungen ein herrschendes Königsgeschlecht zunächst unter den eigenen Einfluss zu bringen und schließlich zu ersetzen. Einhard schildert diesen Prozess, bei dem die Hausmeier, welche ohnehin bereits 'die gesamte Staatsverwaltung bersorgten' als eine zwangsläufige und problemlose Entwicklung. Selbst Karl Martell, von seinem Vater Pippin niemals für das Hausmeieramt vorgesehen, habe es kampflos übernehmen können. Hausmeier anderer Geschlechter bleiben in der kurzen Einleitung seiner Vita unerwähnt. Doch das Hausmeieramt hatte eine wesentlich ältere Tradition. Ursprünglich Vorsteher des unfreien Hausgesindes, war ihm eine enorme Entwicklung beschieden, die schließlich zum höchsten Hofamt des fränkischen Adels führte. Dies wurde vor allem durch eine politische Veränderung möglich: Durch die fränkischen Reichsteilungen erhielten die Hausmeier, jeder einzelne nun für einen Reichsteil zuständig, einen Anteil an der königlichen Verwaltung. Diese Position entwickelte sich vor allem durch eine Loslösung der Bindung an den König und eine gesteigerte Einflussnahme des Adels weiter. Besonders Burgund sollte in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung erhalten, da die dortigen Hausmeier und Vertreter des hohen Adels nicht mehr bereit waren, die uneingeschränkte Oberhoheit eines neustrischen Königs über sich zu akzeptieren. Sie bemühten sich indes um Autonomie. Unter diesen Bedingungen beginnt die Entstehung des späteren Königshauses der Karolinger, welche sich zunächst als Arnulfinger, später dann als Pippiniden unter den Merowingern des siebten und achten Jahrhunderts 'hochdienen'. Besonders durch sie erfährt das Hausmeieramt eine ungeahnte Entwicklung. Aber es zeigt sich auch, dass durchaus Alternativen zur Herrschaft der Ahnen Karls des Großen bestanden haben und der Wechsel der Könisghäuser bei weitem nicht die Zwangsläufigkeit hatte, welche Einhard sich bemüht darzustellen .

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Leseprobe

II. Ebroin


 

II.1 Vorgeschichte Neustriens bis zur Ernennung Ebroins


 

Im Jahre 640 wurde Erchinoald Nachfolger des neustrischen Hausmeiers Aega. Dieser Verwandte Dagoberts mütterlicherseits wird als „voller Sanftmut und Güte gegenüber jedermann“[85] beschrieben und war sehr um Frieden und Ordnung bemüht. In dem ebenfalls Chlodwig II. unterstellten Burgund jedoch wurde, wohl auf Antrieb burgundischer Großer, die ähnlich den Austriern sehr um Eigenständigkeit bemüht waren, wieder ein eigener Hausmeier eingesetzt. Dieser neue Hausmeier Flaochad ging bald nach seiner Einsetzung mit Rückendeckung Erchinoalds, der mit ihm ein auf gegenseitige Unterstützung ausgerichtetes Bündnis abgeschlossen hatte, daran, sich an alten Feinden zu rächen. Doch schon nach seinem ersten Opfer, dem Patricius Willibald, starb Flaochad und hinterließ, da kurz nach ihm auch die Königswitwe Nanthild starb und sich bei Hofe niemand mehr für eine erneute Teilung der Westreiches aussprach, Burgund unter der Leitung Neustriens aber ohne eigenen Hausmeier. Dieser status quo sorgte im Folgenden für starke Konflikte zwischen der zentralistischen Politik, die von Erchinoalds Nachfolger Ebroin und der Königin Balthild betrieben wurde, und dem auf Selbständigkeit bedachten Hochadel Burgunds.

 

II.2. Aufstieg Ebroins


 

II.2.1 Herkunft Ebroins


 

Als Ebroin nach dem Tod Erchinoalds zwischen 656 und 658 zum Hausmeier des neustrischen Reiches gewählt wurde, geschah dies wohl nicht ohne größere Widerstände. So heißt es in den Quellen, die Großen des Regentschaftsrates hätten längere Zeit beraten müssen, bevor man sich für Ebroin und gegen den vermeintlichen Erben Leudesius, den Sohn Erchinoalds, entschied[86].Dies mag wohl vor allem daran gelegen haben, daß Ebroin nicht dem typischen Bild eines Hausmeiers entsprach, wie es beispielsweise die Vita Karoli Magni zeichnet, wenn sie zum Hausmeieramt verlauten läßt, daß

 

„Qui honor non aliis a populo dari consueverat quam his qui et claritate generis et opum amplitudine ceteris eminebant .“ [87]

 

Großen Einfluß dürfte seine Familie jedenfalls nicht gehabt haben, denn es lassen sich keine verwandtschaftlichen Verhältnisse zu besonderen Machtinhabern in Staat oder Kirche finden. Die einzigen namentlich bekannten seiner Familie sind seine Frau Leutrud und sein „unicus filius“[88] Bovo. Auch daß Letzterer nie als Ebroins Nachfolger auch nur ins Gespräch kam, zeigt, daß die Hausmacht Ebroins nie sehr groß gewesen sein kann, sondern sein Fortkommen allein durch seine persönlichen Eigenschaften zu begründen ist.

 

Fischer jedenfalls lehnt die zitierte Stelle, welche benutzt wurde, um Ebroin entsprechend hohe Herkunft nachzuweisen[89], ab, da sie erst wesentlich später mit dem Ziel geschrieben wurde, dem Geschlecht der Karolinger, das ebenfalls lange Zeit das Hausmeieramt bekleidet hatte, zu huldigen. Ich schließe mich zwar Fischers These an, Ebroin sei von niederem Adel gewesen, was dieser mit dem Verweis auf ein Zitat der Passio Ragneberti[90] belegt, glaube aber in der vorherigen Textstelle auch einen Beleg für eben diese These sehen zu können. Denn wenn man diese Voraussetzungen für eine „gewöhnliche“ Wahl zugrunde legt, verwundert es nicht, daß eine Verständigung der Großen auf die „Notlösung“ Ebroin auf Druck Balthilds eben länger dauerte.

 

Zwar gibt es Vermutungen, Ebroin habe sich durch langjährige Dienste bei Hof einen Namen gemacht, der es ihm schließlich ermöglichte, sich nach dem Tode Erchinoalds offiziell um dieses Amt zu bewerben[91], doch halte ich dies für wenig einleuchtend. Zwar war Ebroin am Hofe selbst sicherlich kein homo novus, was allein schon aus seiner aus dieser Zeit stammenden Bekanntschaft mit Audoin von Rouen hervorgeht[92], aber betrachtet man die von Fischer zitierte Urkunde Chlodwigs II., mit der er dem Kloster von Saint Denis bestimmte Privilegien bestätigte[93], so hätte Ebroin schon eine enorme Karriere machen müssen, um in weniger als vier Jahren von einem bloßen Angestellten bei Hof, ohne jeglichen Titel und von niederster Bedeutung zum höchsten Amt nach dem König überhaupt aufsteigen zu können.

 

Fischer sortiert die 47 Unterschriften in drei Kategorien: Zum einen bedeutende Zeugen (unter denen der damalige Hausmeier Erchinoald allerdings fehlt), welche mit Titel und Namen unterschreiben, dann weniger bedeutende Zeugen, welche lediglich mit ihrem Namen unterschreiben, aber dem vorgesetzten „supscripsi“ ein „consensi“, hinzufügen. Ebroin erscheint erst in der letzten Unterteilung in welcher lediglich der Name angeführt wird, mit dem die Handlung als solche bestätigt wird – ob zustimmend oder nicht ist in diesen Fällen nebensächlich weil ohne Bedeutung[94].

 

Zusammenfassend läßt sich also vermuten, daß Ebroin zwar wegen seiner Abstammung von niederem Adel aus dem Raum um Soisson für das Hausmeieramt nicht prädestiniert, aber aufgrund der Unterstützung der Königin wohl auch deshalb gewählt wurde, weil sich die Großen auf keinen der ihren einigen konnten. Sicherlich war es auch nicht unbedeutend, daß er mit Audoin einen Freund im Regierungsrat hatte, für den Ebroin von Anfang an ein Kandidat gewesen war.

 

Die Unterstützung der Königin mag verschiedene Ursachen gehabt haben. Zum einen kann natürlich eine gewisse Sympathie vorhanden gewesen sein, dann aber auch die entschiedene Abneigung gegenüber Leudesius, der sie als Sohn Erchinoalds wohl an ihre Vergangenheit als dessen Sklavin erinnert haben mag. Vielleicht gefiel ihr auch deshalb der Gedanke, mit einem Hausmeier zu regieren, der ebenfalls aus niederen Schichten stammte. Die These Ewigs allerdings, sie habe sich deshalb gegen einen Kandidaten aus der Optimatenschicht entschieden, weil sie es mit einem solchen schwerer gehabt hätte, sich selbst zu behaupten, erscheint mir nicht zwingend. Sie selbst war schließlich das lebende Beispiel dafür, daß die Herkunft nur noch wenig zählte, wenn man erst einmal an der Macht war. Erchinoald hatte sie seinerzeit dem mündig gewordenen Chlodwig zugeführt, um über seine ehemalige Magd weiterhin Einfluss auf den König haben zu können, und dabei erfahren, daß diese bei weitem nicht mehr so willfährig blieb, wie er es erhofft hatte. Es erscheint mir ohnehin nur verständlich, daß jemand, der bislang keine große Macht hatte, mit einem viel stärkeren Willen an dieser hängt und sie viel hartnäckiger verteidigt als jemand, dem sich immer noch die Möglichkeit bietet, ersatzweise auf den Familiengütern zu herrschen. Ebroin hatte diese Möglichkeit nicht – für ihn ging es um alles oder nichts!

 

II.2.2 Entwicklung vom Mitregenten Balthildes zum alleinigen  Herrscher Neustriens


 

Ebroin hatte zwischen sich und der alleinigen Macht immer nur die Königsmutter Balthild, welche ihn in das Hausmeieramt eingesetzt hatte. Der König selbst jedoch, Chlothar III., trat nie groß in Erscheinung und ist mit 23 Jahren 663 sehr jung gestorben.[95] Seine Mutter hingegen bildete ein wesentlich größeres Hindernis. Die schöne Königin[96] hatte nicht nur einen starken Willen[97], sondern setzte diesen auch aktiv in politische Taten um, welche weit über die üblichen Klostergründungen einer Königin hinausgingen. Interessant ist es in diesem Zusammenhang zu beobachten, daß auch Ebroin mit dem Attribut „strenuus“[98] versehen wird, woraus auf eine Wesensähnlichkeit geschlossen werden kann, welche auch ein Grund für die Sympathie der Königin gewesen sein mag. Fest steht, daß beide einige Jahre neben- und miteinander regierten, ohne daß es zu größeren Diskrepanzen gekommen wäre. Daher ist es auch sehr schwierig, in der Aunemundaffäre des Jahres 660 den eigentlichen Drahtzieher zu ermitteln.

 

Nach Chlodwigs Tod entschied sich Balthild gegen eine erneute Teilung des Westreichs und setzte Chlothar für beide Teilreiche ein, wobei das eigenständige burgundische Hausmeieramt aufgelöst wurde. Aus dem Satz der Vita Balthildis, „Burgundiones vero et Franci facti sunt uniti“, glaubt Fischer auf eine Notwendigkeit zur Einigung schließen zu können, aus der folgt, daß beide Teilreiche eben nicht vereinigt waren. Es erscheint mir aber auch nur vernünftig, das Westreich einfach deshalb nicht weiter aufzuteilen, um nicht in eine im Vergleich zum Ostreich politisch stark geschwächte Machposition zu geraten[99].

 

Jedenfalls fällt es in diese Zeit, daß der Bischof von Lyon in Burgund, Aunemund, welcher selbst Chlothar getauft hatte[100], sowie dessen Bruder Dalfinus, der wohl den Rang eines comes oder dux derselben Stadt innehatte, einer Verschwörung angeklagt und zur Anhörung nach Òrléans berufen wurden. Beide galten als Führer einer burgundischen Opposition gegen die zentralistische Politik Balthilds und Ebroins[101]. Aunemund entschuldigte sich wegen Krankheit, sein Bruder stellte sich jedoch und wurde enthauptet. Daraufhin wußte...

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