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E-Book

Die eigene Freude wiederfinden

AutorAnselm Grün
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451810602
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Freude kann man nicht machen, man kann sie sich nicht befehlen. Aber in jedem von uns ist neben den Gefühlen von Traurigkeit und Ärger, von Angst und Depression auch ein Raum der Freude. Womöglich ist der Zugang verschüttet, womöglich sind wir nicht immer in Berührung damit. Der bekannte Mönch, spirituelle Begleiter und Bestsellerautor Anselm Grün lädt ein, nach Spuren der Freude im eigenen Leben zu suchen. Jeder weiß, wie Freude sich anfühlt und wie gut sie tut. Sich an diese Erfahrungen von Freude zu erinnern, ruft sie wieder in uns hervor und kann ihre Kraft von neuem wirksam werden lassen. Mit der Freude in Berührung zu kommen, ist heilsam für Leib und Seele.

Dr. theol., geb. 1945, Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, geistlicher Begleiter und Kursleiter in Meditation, Fasten, Kontemplation und tiefenpsychologischer Auslegung von Träumen. Seine Bücher zu Spiritualität und Lebenskunst sind weltweite Bestseller - in über 30 Sprachen. Sein einfach-leben-Brief begeistert monatlich zahlreiche Leser (www.einfachlebenbrief.de).

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Leseprobe

Annährung an die Freude


Als ich mich mit dem Thema Freude zu beschäftigen begann, las ich zuerst bei den Philosophen und Psychologen, was sie bereits an wichtigen Einsichten formuliert haben. Und ich sah in theologischen Lexika und in Bibelwerken nach, was denn die Bibel und die Theologie zum Thema Freude denken. Ich möchte den Leser nicht mit allen Richtigkeiten über die Freude langweilen, die ich da gefunden habe. Denn je mehr ich versuchte, das Wesen der Freude von der Philosophie oder Psychologie her zu beschreiben oder die biblischen Verse von der Freude zu zitieren, desto weniger Lust hatte ich am Schreiben, so dass ich das Buch erst einmal liegen lassen musste. Es wollte einfach nicht fließen. Und ich wollte nicht lustlos an das Thema Freude herangehen. Da könnte ich zwar sicher Richtiges über die Freude schreiben, aber vermutlich würde da keine Freude auf den Leser überspringen. Ich spürte, dass ich einen anderen Zugang brauchte. Dennoch sind mir einige Gedanken der Philosophen für mein eigenes Nachdenken wichtig geworden. Da ist vor allem die Einsicht, dass Freude Ausdruck des Seins ist, Ausdruck von intensivem Leben und Kreativität. Wir können die Freude nicht direkt erstreben. Wir können nur versuchen, intensiv und schöpferisch zu leben. Dann wird sich auch die Freude als Ausdruck von Lebendigkeit und Kreativität einstellen.

Freude und Lust


Was mir beim Studium der griechischen Philosophie auffiel, war einmal die Trennung von Freude und Lust, an der wir Christen wohl heute noch leiden. Wenn Theologen von Freude sprechen, dann meinen sie die Freude über die Erlösung und über die Liebe Gottes. Die Lust als sinnliche Freude an den genüsslichen Dingen des Lebens, am Essen und Trinken und an der Sexualität, wurde eher abgewertet. Wir haben die Trennung der Stoa zwischen Geist und Trieb so sehr verinnerlicht,

Wir können versuchen,

intensiv und schöpferisch zu leben.

dass auch unser Reden über die Freude so unsinnlich und letztlich „sinn“-los geworden ist, dass davon keine Freude ausgeht. Dennoch hat auch die Stoa einige bedenkenswerte Gedanken über die Freude entwickelt. Da wird die Freude eine eupatheia genannt, ein guter Seelenzustand, eine gute Leidenschaft. Freude ist also nicht leidenschaftslos, sondern leidenschaftlich. Aber sie ist keine zerstörerische Leidenschaft, sondern eine aufbauende und heilende, eine Leidenschaft, die voller Leben ist, die vor Energie und Lust am Leben sprüht. Epiktet, ein wichtiger Vertreter der Stoa, der einen großen Einfluss auf die Kirchenväter ausgeübt hat, versteht die Freude als Ausdruck des gesunden Menschen, des Menschen, der voller Selbstvertrauen und zugleich im Einklang mit Gott ist. Für ihn ist das Ziel des Reifungsweges, dass der Mensch „die ungefährdete Freude in allen Widrigkeiten des Daseins bewahren kann“2. Es geht ihm also darum, wie wir auch mitten in unserer Angst und Traurigkeit in Unglück und Not, bei Misserfolg und Enttäuschungen froh sein können. Es geht um die beständige Freude, die tiefer ist als Euphorie und Begeisterung.

Freude als Ausdruck erfüllten Lebens


Ein anderes Konzept für das Verständnis der Freude hat Aristoteles entwickelt. Bei ihm hat mich fasziniert, dass er die Freude als Ausdruck eines erfüllten Lebens versteht. Die intensivste Freude empfindet der, der seine Fähigkeiten verwirklicht und dessen Aktivität durch keine inneren oder äußeren Blockaden behindert wird. Sie strömt vor allem aus der richtigen Betätigung der Vernunft und aus schöpferischem Handeln. Freude ist für Aristoteles zugleich eine Energie, die den Menschen antreibt, die in ihm Leben weckt. Die Energie der Freude kann auch heilend wirken auf uns, wenn Verletzungen und Kränkungen unser Leben beeinträchtigt haben. Hier ist für mich ein wichtiger Ansatz, den ich gerne weiter bedenken möchte. Freude bringt in uns etwas in Bewegung. Sie ist eine heilende und anregende Kraft. Sie erzeugt Lebendigkeit und sie treibt zu einem Handeln an, das auch für andere Menschen heilsam ist. Wenn einer sich verbissen für die Armen einsetzt, wird aus seinem Handeln nichts Gutes entstehen können, selbst wenn er noch so viel Kraft in seinen Einsatz steckt. Wer jedoch aus einer inneren Freude an die Arbeit geht, der wird mehr leisten und hilfreicher den Menschen dienen. Von seinem Handeln wird Lebensfreude ausgehen, und er wird Kreativität in den Menschen wecken, denen er hilft.

Die Gedanken der Philosophen wurden von der Theologie aufgegriffen. Unter den vielen theologischen Definitionen der Freude hat mir am besten die von Alfons Auer, dem Altmeister der Moraltheologie, gefallen. Für ihn ist die Freude „Ausdruck echter Lebenssteigerung“: „Immer ist also Voraussetzung der Freude die Entfaltung und Erfüllung des Menschseins; Freude selbst ist deren psychologischer Widerschein im Affektiven.“3 Von diesem Begriff der Freude her komme ich frei von dem Druck, immer mit einem fröhlichen Lächeln herumlaufen zu müssen.

Es geht darum,

das Leben zu steigern.

Es geht nicht darum, die Freude als Gefühl in sich hervorzurufen, sondern in erster Linie darum, das Leben zu steigern, Lebendigkeit zuzulassen, kreativ und mit sich selbst im Einklang zu sein, die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu entfalten und Lust an der eigenen Lebendigkeit zu haben.

Freude und Kreativität


Die Psychologie hat sich natürlich ebenfalls mit dem Phänomen der Freude befasst. Erich Fromm unterscheidet zwei Arten von Freude: die eine, die aus der Behebung eines Mangelzustandes oder einer schmerzhaften Spannung entsteht, etwa wenn wir nach einer langen Wanderung durstig nach Hause kommen und uns auf ein kaltes Bier freuen.

Lust am Spielen.

Die zweite Art der Freude ist die, die aus dem Überfluss strömt. Diese Art von Freude ist Ausdruck der Kreativität und Produktivität des Menschen. Ich habe Lust am Spielen, ich freue mich meines Lebens, meiner Lebendigkeit. Ich freue mich über das, was ich gestalten und formen kann, was durch mich entsteht.4 Genauso wie die Freude ist auch die Liebe für Fromm ein Phänomen des Überflusses. Die Freude hat letztlich immer mit Liebe zu tun, und zwar mit einer produktiven Liebe, die auf gegenseitiger Achtung und Integrität aufbaut und nicht auf gegenseitiger Abhängigkeit. Für Fromm ist die Freude eine Tugend. Denn sie setzt eine Leistung voraus, die innere Anstrengung der produktiven Aktivität. Tugend ist für Fromm Tüchtigkeit. Freude wird uns nicht einfach in den Schoß gelegt. Sie ist Ausdruck eines Lebens, das wir mit aller Leidenschaft leben, in dem wir alle unsere Fähigkeiten, die Gott uns geschenkt hat, auch entfalten. Mit diesen psychologischen Betrachtungen möchte Erich Fromm die Gedanken der Philosophen ergänzen und in unseren heutigen Erfahrungshorizont hinein übersetzen.

Freudenbiographie


Verena Kast hat von der Psychologie her ähnliche Gedanken zum Thema Freude beigesteuert. Sie spricht von der Freude als „gehobener Emotion“5. Das Wort Emotion kommt von movere, bewegen. Emotionen setzen uns in Bewegung, sie bewegen uns zum Handeln oder aber auch zur Verweigerung des Tuns, das von uns gefordert ist. Die gehobenen Emotionen der Freude, der Inspiration und der Hoffnung machen uns weit, während uns die Angst einengt. Sie „beschwingen uns, regen uns an, sie geben uns eine gewisse Leichtigkeit, aber sie schaffen auch Verbundenheit unter den Menschen“6.

Freude hat mit

Kreativität zu tun.

Die Freude hat also eine therapeutische Funktion. Sie macht den Menschen innerlich gesund, sie schenkt ihm Lebendigkeit und Lust am Leben und führt ihn aus der Vereinzelung heraus, in die ihn die Angst gedrängt hat, und führt ihn zur Solidarität mit den Menschen um ihn herum. Kast weiß von vielen Therapien her, dass die Erfahrung der Freude „den entscheidenden Umschlag im Leben eines Menschen bewirken“7 kann. Freude kann man nicht befehlen. Sie stellt sich oft dann ein, wenn wir sie gar nicht erwarten, und zwar dann, „wenn wir völlig aufgehen können in einer Aktivität“8. Das ist für Verena Kast die entscheidende Bedingung für die Erfahrung von Freude, „dass wir in einem Tun, einer Aktivität, einem Anblick aufgehen können“. Denn Freude hat mit Kreativität zu tun.

Wenn ich etwas Neues herausfinde, löst das große Freude aus. Und Freude hat eine enge Beziehung zur Liebe. Wenn ich einem anderen etwas geben kann, freut das nicht nur ihn, sondern auch mich selbst. „Besondere Freude entsteht in Beziehungen, wenn in den Beziehungen und durch die Beziehungen etwas wächst9. Das gemeinsame Kind, das gemeinsame Werk, die Idee, die im Gespräch entsteht, sie sind Verursacher großer Freude. Verena Kast sieht das Phänomen der Freude also ähnlich wie Aristoteles und Erich Fromm. Freude kann nicht direkt angezielt werden, sie ist immer Ausdruck von Aktivität, von Liebe, von Offenheit, von Sich-vergessen-Können in einer Aufgabe oder in der Liebe.

Es gibt tausend kleine Freuden, die jeder täglich erlernen kann, die Freude am schönen Wetter, die Freude an der Schönheit der Berge, die Freude an jeder Begegnung. Während wir uns freuen, analysieren wir unsere Freude nicht. Das wäre schädlich. Aber wir sollten uns unserer täglichen kleinen Freuden bewusst werden, sie bewusst wahrnehmen. Dann wird die positive Grundstimmung in uns verstärkt. Und das wirkt gesundheitsfördernd. Wer solche Erfahrungen der kleinen Freuden...

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