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Die Eignung des IFRS-Abschlusses als Instrument des Gläubigerschutzes

AutorThorsten Weidner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783640410255
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 1,7, , Sprache: Deutsch, Abstract: 'IFRS-Jahresabschlüsse sind prinzipiell auch für Ausschüttungszwecke geeignet', bescheinigt eine KPMG-Studie im Auftrag der EU-Kommission zur Kapitalerhaltung. Jedoch zeigt die Studie ebenfalls auf, dass es insbesondere aufgrund der Fair Value-Bewertung ohne Sicherungsmaßnahmen zu hohen, bestandsgefährdenden Ausschüttungen kommen kann. Die in jüngster Zeit entbrannte Reformdebatte um die Änderung des europäischen Kapitalschutzsystems beschäftigt sich vor allem mit der Frage, inwiefern die IAS/IFRS dem Gläubigerschutz dienen und somit Grundlage für die Ausschüttungsbemessung sein können. Gleichzeitig ist eine zunehmende Zurückdrängung des HGB - als rechnungsmäßige Grundlage der Kapitalerhaltung - durch die IFRS zu beobachten. Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auf die anhaltende Kritik an der mangelnden Informationsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses zurückzuführen. Hinzu kommt, dass die europäische IAS-Verordnung den Mitgliedstaaten die Verwendung von IFRS im Einzelabschluss für die Bestim-mung der Ausschüttungen ermöglicht. Während eine Vielzahl der EU-Staaten dies bereits praktiziert, erlaubt Deutschland den IFRS-Einzelabschluss lediglich für Informationszwecke. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die IFRS einen wirksamen Schutzbeitrag für Gläubiger leisten können. Dieser setzt neben einer Ge-winnermittlungskonzeption, die als Begrenzung unangemessener Vermögensausschüttungen herangezogen werden kann, auch einen effektiven informationellen Gläubigerschutz voraus. Mit der vorliegenden Arbeit soll die Eignung der IFRS zur Erfüllung eines effektiven Gläubigerschutzes untersucht werden. Dazu werden eingangs die sich gegenüberstehenden Gläubigerschutzkonzepte dargestellt. Im Anschluss stellt sich die Frage, ob die Vorschriften des IASB im Besonderen und Rechnungslegungsinformationen im Allgemeinen dazu geeignet sind, Gläubigern entscheidungsnützliche Angaben zu vermitteln und so einen Beitrag zu einem wirksamen informationellen Gläubigerschutz leisten können. Sodann wird aus ökonomischer Sicht die Bedeutung und Wirkung von Ausschüttungsbegrenzungen erläutert. Hierbei wird geprüft, ob bilanzielle Ausschüttungsrestriktionen und eine vorsichtige Bilanzierungsweise dem Gläubigerschutz nützlich sind. Darauf aufbauend wird beurteilt, ob die IFRS eine gläubiger-schützende Ausschüttungsbemessungsfunktion erfüllen und damit Grundlage für bereits bestehende gesellschaftsrechtliche Höchstausschüttungsregeln sein können.

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Leseprobe

4 Gläubiger-Eigner-Konflikt in haftungsbeschränkten Unternehmen: Zur Notwendigkeit bilanzieller Ausschüttungsrestriktionen


 

4.1 Gläubigerrisiken durch Agency-Probleme


 

Der Gläubiger-Eigner-Konflikt[106] ist dadurch begründet, dass beide Kapitalgebergruppen um die künftigen riskanten Zahlungen aus den Unternehmensinvestitionen buhlen.[107] Ein Interessenkonflikt kann hierbei aus der asymmetrischen Struktur der Zahlungsansprüche von Gläubigern und Eignern entstehen: Gläubigeransprüche werden im Vergleich zu denen der Eigner zuerst befriedigt, sie sind aber nach oben begrenzt. Eigner besitzen einen Residualanspruch und haften lediglich mit ihrer Einlage.[108] Aus dieser Aufteilungsregel können Interessendivergenzen zwischen Gläubigern und Eignern entstehen, die über Fehlanreize dazu führen, dass eine den Unternehmensgesamtwert maximierende Investitions- und Finanzierungspolitik nicht mehr gewährleistet ist.[109]

 

Aus dieser Konstellation sind Reichtumsverlagerungen zwischen Gläubigern und Gesellschaftern möglich. Die Haftungsbeschränkung der Eigner bewirkt, dass sie nach einer Kreditgewährung einen Anreiz haben, die Unternehmenspolitik so zu gestalten, dass der resultierende Marktwert des Eigenkapitals maximiert wird. Der Investitionskalkül der Eigner ist somit nicht mehr allein vom Kapitalwert abhängig, sondern auch von den damit verbundenen Vermögenstransfers.[110] Das Haftungsprivileg der Eigner erfordert bei Fremdfinanzierung der Unternehmung somit eine Begrenzung der Ausschüttung.[111]

 

Die ökonomische Analyse der bilanziellen Kapitalerhaltung verlangt neben einer Untersuchung der Anreiz- und Risikoteilungsprobleme zwischen Kapitalgebergruppen in haftungsbeschränkten Unternehmen eine Präzisierung der Gläubigerrisiken (Kapitel 4.1.1 und 4.1.2). Ohne eine Begrenzung der Ausschüttung haben die Eigner im Grunde mehrere Möglichkeiten im Rahmen von Ausschüttungen einen Vermögenstransfer zu erzielen. Vermögensverlagerungen zugunsten der Eigner entstehen durch liquidations- und fremdfinanzierte Ausschüttungen[112] sowie Unter- und Überinvestitionen mit nachträglicher Erhöhung des Investitionsrisikos[113].

 

4.1.1 Gläubigerschädigende Investitionsanreize


 

Die Investitionspolitik der Unternehmung kann durch fremdfinanzierungsbedingte Fehlanreize beeinträchtigt werden. Speziell Unter- und Überinvestitionen führen zu einer Positionsverschlechterung der Gläubiger: Unterinvestitionsprobleme entstehen, wenn bei bereits bestehender umfangreicher Fremdfinanzierung Eigner lohnende eigenfinanzierte Investitionsprogramme unterlassen, wenn die zusätzlichen Zahlungsüberschüsse primär in den Insolvenzzuständen[114] zu erwarten sind und daher vorrangig den bisherigen Gläubigern zugute kommen. Eigner erzielen durch die Unterlassung der Investition einen höheren Marktwert des Eigenkapitals als durch deren Realisierung. Die anfängliche Erwartung der Gläubiger vor Vertragsabschluss, dass die Unternehmung nach Kreditgewährung Folgeprojekte durchführt, die zusätzliche Zahlungsüberschüsse generieren, kann sich somit als Trugschluss herausstellen.[115] Dagegen treten Überinvestitionsprobleme immer dann auf, wenn besonders risikoreiche oder sogar insgesamt eigentlich unvorteilhafte Projekte mit negativem Kapitalwert durchführt werden. Dieser Fehlanreiz bezüglich der Investitionspolitik tritt typischerweise im Zuge von Unternehmenskrisen auf. Die Eigner haben in dieser Situation einen Anreiz das Investitionsrisiko zu Lasten der Gläubiger zu steigern, indem sie Projekte mit relativ geringer Erfolgswahrscheinlichkeit und negativem Kapitalwert eingehen. Sie „verwetten“ das Geld der Gläubiger. Im relativ unwahrscheinlichen Falle eines erfolgreichen Ausgangs der Investition stehen die überproportionalen Erträge den Anteilseignern als Residualberechtigten zu, während bei einem Scheitern nahezu ausschließlich die Gläubiger die Lasten des erhöhten Verlusts zu tragen haben. Die Anteilseigner haben hingegen weitaus weniger zu verlieren, da ihre Anteile im Zuge der Unternehmenskrise ohnehin fast wertlos sind.[116]

 

4.1.2 Liquidations- und fremdfinanzierte Ausschüttungen


 

Unter der Bedingung, dass Ausschüttungsbegrenzungen in haftungsbeschränkten Unternehmen gänzlich fehlen, können Eigner Reichtumsverlagerungen zu ihren Gunsten erreichen, indem sie Mittel aus der teilweisen oder kompletten Veräußerung des bestehenden Unternehmensinvestitionsprogramms ausschütten.[117] Neben diesen liquidationsfinanzierten Ausschüttungen, verfügen die Eigner gleichfalls über die Möglichkeit, zusätzliches (vorrangiges oder zumindest gleichrangiges) Fremdkapital aufzunehmen und auszuschütten.[118]

 

4.2 Ökonomische Wirkungen bilanzieller Ausschüttungsrestriktionen


 

Obige Schädigungsstrategien der Eigner geben Grund zu der Annahme, dass Ausschüttungssperren in fremdfinanzierten haftungsbeschränkten Unternehmen notwendig sind. Ihre gläubigerschützende Wirkung lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen. Der beschriebene Überinvestitionsanreiz wird durch direkte Ausschüttungsrestriktionen tendenziell verstärkt, da sie einen Zwang auslösen, Cashflows unternehmensintern zu reinvestieren. Die Kehrseite ist die Verhinderung von Ausschüttungen auch in Situationen, in denen dies ökonomisch sinnvoll ist. [119] Ausschüttungssperren bewirken somit zwei gegenläufige Effekte: Einerseits können sie Unterinvestitionsprobleme abschwächen, da die Restriktion gleichzeitig eine Untergrenze für das Investitionsvolumen darstellt.[120] Andererseits kann der durch die Sperre bewirkte Investitionszwang zu Überinvestitionen führen. Es besteht die Gefahr, dass Investitionen durchgeführt werden, obwohl vorteilhafte Projekte nicht vorhanden sind.[121] Diese „restriktionsinduzierten Überinvestitionen“[122] vernichten Unternehmenswert und senken dadurch die Wahrscheinlichkeit einer Erfüllung der Gläubigerforderungen. Somit darf bezweifelt werden, ob Ausschüttungssperren in jedem Fall im Interesse der Gläubiger liegen.[123]

 

Fraglich ist auch, ob Gläubiger durch vorsichtige Gewinnermittlung besser bzw. effizienter geschützt werden. Vorsichtige Bilanzierung kann Überinvestitionsprobleme zusätzlich verschärfen. Das Vorsichtsprinzip führt eben nicht zwangsläufig zu einem maximalen Gläubigerschutz, vielmehr kann es Agency-Probleme verstärken und Investitionsentscheidungen verzerren.[124] Aus agency-theoretischer Sicht kann eine grundsätzliche Vorteilhaftigkeit des Vorsichtsprinzips in Bezug zum Gläubigerschutz nicht festgestellt werden. Eine Aussage über die Vorteilhaftigkeit der HGB-Bestimmungen gegenüber den weit weniger vorsichtigeren IFRS-Regeln bezüglich des Gläubigerschutzes ist nicht möglich.[125] Anknüpfungspunkt für die optimale Strenge von Ausschüttungsbegrenzungen im Sinne des Gläubigerschutzes sind vor allem die unternehmensspezifischen Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens (investment opportunity set).[126] Demnach steht der Anwendung von IFRS zur Ausschüttungsbemessung aus der Sicht des Gläubigerschutzes aus konzeptioneller Hinsicht grundsätzlich nichts entgegen.[127]

 

Es wurde aufgezeigt, dass gesetzliche Kapitalschutzregeln im Einzelfall kein optimales Maß an Gläubigerschutz gewährleisten können. Jedoch sind rationale Gläubiger selbst in der Lage, jegliche Schädigungsmöglichkeiten der Eigner vor der Kreditvergabe zu antizipieren.[128] Gläubiger werden ohne Beschränkungen von liquidations- und fremdfinanzierte Ausschüttungen nur dann bereit sein Kredite zu vergeben, wenn sie sich in Kreditverträgen absichern.[129] Im Rahmen des vertraglichen Gläubigerschutzes vereinbaren sie Kontrollrechte und andere Beschränkungen, die mit entsprechenden Sanktionsmechanismen verbunden sind.[130] Folglich sind die Agency-Kosten der Fremdfinanzierung letztendlich von den Eignern selbst zu tragen, so dass sie ein Interesse daran haben, diese zu minimieren und selbst Vorkehrungen gegen Reichtumsverlagerungen zu treffen.[131] Des Weiteren sind Gläubiger prinzipiell selbst in der Lage, sich vertraglich zu schützen. Die Notwendigkeit eines gesetzlichen Gläubigerschutzes ließe sich ökonomisch nur dann rechtfertigen, wenn er billiger und effizienter wäre.[132]

 

Ewert schlägt aus Effizienzgründen vor, die gesetzlichen Ausschüttungsregeln als dispositives Recht einzurichten. Die Regelungen sollen somit nur eingreifen, wenn vertraglich nichts Abweichendes verabredet wurde. Der Vorteil hiervon ist, dass den Vertragspartnern die Möglichkeit verbleibt, in Kreditverträgen fallspezifische individuelle Vereinbarungen festzulegen. Die Effizienzvorteile aus einem unternehmensspezifischen Maß an Gläubigerschutz schließen damit die Vorteile der Senkung von Transaktionskosten durch gesetzliche Regelungen...

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