Die Entwicklung eines Affiliate-Referenzmodells, speziell auf ein traditionelles Kreditinstitut zugeschnitten, setzt in erster Linie eine Erläuterung und Festlegung des Begriffs „Referenzmodell“ voraus. Durch eine Erläuterung des Begriffs kann bereits die Grobstruktur umrissen werden. Zudem müssen konkrete Anforderungen an das Affiliate-Referenzmodell formuliert werden, um einen ersten Ansatzpunkt für die Ausarbeitung des Referenzmodells zu finden. Da in Kapitel 3 die inhaltlichen Aspekte des Affiliate-Marketings erläutert wurden, sollen in Kapitel 4.3 dieser Arbeit die technischen Umsetzungsmöglichkeiten des Affiliate-Marketings dargelegt werden. Es erfolgt eine Berechnung und Gegenüberstellung der für ein Kreditinstitut kostengünstigsten Umsetzungsmethode. Anhand dieser Gegenüberstellung soll eine zielgerichtete Auswahl der technischen Umsetzung (bezogen auf die Bedürfnisse eines traditionellen Kreditinstituts) vorgenommen werden. Die anschließende Ausarbeitung des Affiliate-Referenzmodells baut auf dieser Entscheidung auf.
Ein Referenzmodell ist ein Modell, das auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Sachverhalten einer Klasse angewendet werden kann und einen Grundsatzcharakter aufweist. Ein Referenzmodell bildet die Basis für die Konstruktion weiterer bzw. tiefergehender Modelle. Auf diesem Basis-Modell aufbauend, werden durch Ergänzungen und Veränderungen weitere Modelle mit einer konkreten Spezifikationen für andere Bereiche entwickelt. Die Allgemeingültigkeit ist folglich ein wichtiges Merkmal eines Referenzmodells. Diese Allgemeingültigkeit bedeutet allerdings nicht, dass ein solches Modell auf jedes erdenkliche System angewendet werden kann. Vielmehr beschränkt sich der Anwendungsbereich eines Referenzmodells zumeist auf eine bestimmte Klasse von Sachverhalten (z.B. das Affiliate-Marketing als Teilbereich des gesamten Online-Marketings). Innerhalb dieser Klassen können unterschiedliche Prioritäten festgelegt werden, d.h. das Affiliate-Marketing als Klasse soll bspw. zu dem Ziel führen, Neukunden in der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren zu akquirieren. Es besteht somit kein Anspruch auf universelle Gültigkeit des Modells, sondern nur für eine bestimmte Klasse und der damit einhergehenden Prioritäten.[65]
Ein Affiliate-Referenzmodell ist eine Plattform, die den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Anspruchspartner gerecht werden muss. Nur wenn das Referenzmodell die Belange der einzelnen Parteien berücksichtigt und gewährleistet, dass alle Beteiligten von diesem System profitieren, kann von einem dauerhaften Einsatz des Modells ausgegangen werden. Die Akteure im Affiliate-Marketing sind zugleich die Anspruchspartner des Referenzmodells und es sind deren Belange, die dieses Modell prägen. Gemäß Abb. 2 Grundkonzept des Affiliate-Marketings, ist die Anzahl der Anspruchsparteien von der Ausgestaltung des Systems abhängig. Entscheidet sich der Advertiser, z.B. ein traditionelles Kreditinstitut, dafür sein Partnerprogramm über eine Inhouse-Lösung umzusetzen, entscheidet er sich bewusst gegen den Einsatz eines Affiliate-Netzwerks als Intermediär zwischen sich und dem Affiliate. Erfolgt die Ausgestaltung des Affiliate-Marketings durch den Einsatz eines Affiliate-Netzwerks, ist dieses Netzwerk an sich ebenfalls eine Anspruchspartei, deren Belange in dem entwickelten Referenzmodell beachtet werden müssen. Demnach muss zuerst eine Entscheidung hinsichtlich der Umsetzung getroffen werden. Es ist also fraglich, ob die Umsetzung des Affiliate-Marketings durch eine reine Inhouse-Lösung oder unter Implementierung eines Affiliate-Netzwerks als Intermediär erfolgen soll. Auf Grundlage dieser Entscheidung kann zudem die Ausgangssituation der jeweiligen Anspruchsparteien festgestellt werden. Die Analyse der Ausgangssituation ist ein wichtiger Schritt, um Schwachstellen innerhalb des Systems, bzw. bei der Entwicklung dessen, zu identifizieren und zu eliminieren.
Bevor ein Affiliate-Referenzmodell entwickelt werden kann, muss eine Entscheidung über die Umsetzung des Systems getroffen werden. Insofern muss sich ein Kreditinstitut selbst die Frage hinsichtlich der Möglichkeiten einer Implementierung des Affiliate-Marketings beantworten und zudem eine begründete Entscheidung bezüglich der Auswahl einer der unterschiedlichen Alternativen treffen. Ein traditionelles Kreditinstitut in der Rolle des Advertisers hat „…drei Möglichkeiten zur Umsetzung des Affiliate-Marketings:
1. Eigenentwicklung einer Affiliate-Software (Make-Option)
2. Lizensierung einer Affiliate-Software (Buy-Option)
3. Nutzung von Affiliate-Netzwerken (Service-Option/Outsourcing)“[66]
Es muss also eine ökonomisch sinnvolle Auswahl einer der drei genannten Optionen erfolgen. Das Ziel eines Kreditinstituts muss sein, nicht nur ein möglichst kostendeckendes, sondern bestenfalls ein gewinnträchtiges Modell zu kreieren, um dieses in der eigenen Organisation einzusetzen.
Nach Ralf Kreutzer (2015) verzichten die meisten Unternehmen aufgrund der beträchtlichen Kosten, auf eine Eigenentwicklung der Partnerprogramm-Software. Zusätzlich zu den hohen Kosten für die Ausgestaltung eines leistungsstarken Tracking- und Verwaltungssystems, muss der Advertiser einen erheblichen Kostenaufwand für die kontinuierliche Wartung und Weiterentwicklung dieser Software in seine eigenen Kalkulationen miteinbeziehen. In diesem Zusammenhang sind besonders die Kosten für das Bereitstellen von qualifiziertem Personal für die Wartung und Pflege der Plattform relevant. Eben diese Personalkosten müssen nicht nur bei der Make-Option, sondern ebenfalls bei der sogenannten Buy-Option von einem Kreditinstitut gestemmt werden. Der Unterschied zwischen beiden Optionen besteht lediglich darin, dass der Advertiser bei der Make-Option das Partnerprogramm nach seinen eigenen Wünschen programmieren und gestalten lässt. Bei der Buy-Option lizensiert bzw. kauft das Kreditinstitut eine bereits existierende Affiliate-Software. Die erstandene Software muss dann nur noch in das eigene System integriert und auf dem Server der Bank installiert werden. Es entstehen für den Advertiser somit keinerlei Kosten für die Entwicklung der Partnerprogramm-Software, allerdings muss ein Einmalbetrag oder eine monatliche Pauschale für den Kauf bzw. die Nutzung der Plattform entrichtet werden. Das Programm Post Affiliate Pro von der Firma QualityUnit ist eine solche Partnerprogramm-Software, die von einem Merchant erworben werden kann. Laut aktueller Preisliste (Stand 19.11.2014) der Firma QualityUnit muss ein Advertiser für die Software Post Affiliate Pro Kosten in Höhe von (i.H.v.) bis zu 1899 US-Dollar veranschlagen. Unterstellt man, dass ein Kreditinstitut ein ähnliches Programm von einem Mitarbeiter erstellen lassen könnte, müssen, um eine begründete Entscheidung hinsichtlich beider Optionen treffen zu können, die Kosten für diesen Mitarbeiter den Kosten für die Lizensierung einer Software gegenübergestellt werden. Unterstellt man weiterhin, dass ein in der Kreditwirtschaft angestellter Informatiker den durchschnittlichen Bruttolohn von 45.500 Euro pro Jahr (Stand: November 2013) bezieht, kann errechnet werden, in welcher Höhe Personalkosten bis zur Fertigstellung des Programms entstehen. Gelingt es dem Mitarbeiter, die entsprechende Software innerhalb eines kurzen Zeitraums von nur einem Monat anzufertigen, muss der Advertiser allein für diesen Zeitraum einen Bruttolohn von 3791,67 Euro an den Arbeitnehmer entrichten. Der Arbeitgeber darf in seiner Kalkulation allerdings nicht nur den Bruttolohn des Arbeitnehmers berücksichtigen, sondern muss vielmehr den Bruttolohn zuzüglich des Arbeitgeberanteils für die Sozialversicherungen in die Berechnung miteinbeziehen. Im vorab genannten Beispiel müsste der Arbeitgeber, zusätzlich zum Bruttolohn des Arbeitnehmers, einen Arbeitgeberanteil i.H.v. 730,85 Euro an die verschiedenen Sozialversicherungen entrichten. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland muss ein Advertiser diese Berechnung allerdings immer auf Basis der gültigen Beitragssätze des jeweiligen Bundeslands durchführen, in denen das Unternehmen seinen Sitz hat, denn die Beitragssätze können von Bundesland zu Bundesland variieren. Die vorliegende Berechnung ist mit den für das Jahr 2014 gültigen Beitragssätzen für das Bundesland Rheinland-Pfalz erstellt worden. Aufgrund dieser einfachen Berechnung kann festgehalten werden, dass die Anschaffungskosten bei der Buy-Option weitaus geringer als bei der Make-Option sind. Den Ausgaben von 1899 US-Dollar für den Erwerb der Software Post Affiliate Pro stehen dann Personalkosten in dreifacher Höhe entgegen. Allein unter der Prämisse der kalkulierten Entwicklungskosten ist es für ein Kreditinstitut wirtschaftlicher, wenn dieses die Lizensierung einer Software einer Eigenentwicklung vorzieht.[67]
Weiterhin entstehen dem Kreditinstitut bei beiden Optionen auf Dauer hohe Personalkosten. In beiden Fällen übernimmt der Advertiser den kompletten Betrieb des Partnerprogramms in Eigenregie, d.h. das Kreditinstitut muss Aufgaben wie die Verwaltung der Plattform bzw. die Betreuung der Affiliates selbst übernehmen und...