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Die Entwicklung von Jugendgewalt in Deutschland unter Berücksichtigung der Ethnisierungsdebatte

Sowie ursächlicher Entstehungsfaktoren und Maßnahmen der Prävention und Intervention

AutorStefan Langbein
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl162 Seiten
ISBN9783640676972
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Soziologie - Recht, Kriminalität abw. Verhalten, Note: 1,5, Universität Duisburg-Essen (Institut für Soziologie), Sprache: Deutsch, Abstract: Im Folgenden werden die allgemeinen Ursachen von Jugendgewalt hinterfragt. Anhand von unterschiedlichen theoretischen Erklärungsansätzen sollen mögliche Gründe, bzw. Auslöser für gewalttätiges Handeln bei Jugendlichen dargestellt werden. Dabei werden sowohl von der individuellen Ebene ausgehende Ansätze berücksichtigt, als auch solche, die gesellschaftliche Aspekte bei der Entstehung von Gewalt mit einbeziehen. In diesem Zusammenhang wäre es zudem interessant zu erfahren, ob theoretische Erklärungsansätze existieren, die speziell auf die Gewaltbelastung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund eingehen. Abschließend soll diskutiert werden, welche Präventions- und Interventionsmaßnahmen geeignet sind, um Jugendgewalt wirkungsvoll zu bekämpfen. Da unter anderem viele hochrangige Politiker härtere Strafen oder sogar 'Erziehungscamps', bzw. einen so genannten 'Warnschussarrest' für jugendliche Gewalttäter fordern, stellt sich außerdem die Frage, ob derartige Maßnahmen tatsächlich ein geeignetes Mittel zur Eindämmung von Jugendgewalt sind?

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Leseprobe

2. Entwicklung von Jugendgewalt im Zeitverlauf

 

2.1 Die Polizeiliche Kriminalstatistik

 

Bei der Beantwortung der Frage, ob Jugendliche heutzutage gewalttätiger sind als zu früheren Zeiten, kann der subjektive Eindruck täuschen und muss keineswegs mit der tatsächlichen Entwicklung übereinstimmen. Daher ist es hinsichtlich der quantitativen Entwicklung von Gewalttaten erforderlich „präzise Quellen“ zu verwenden (vgl. Mansel/Hurrelmann 1998, S.79). Möchte man die quantitative Entwicklung von Jugendgewalt[1] über einen längeren Zeitraum verfolgen, bietet die PKS[2] als einzige Statistik entsprechendes Datenmaterial (vgl. Baier et al. 2009, S.19). Sie basiert auf sogenannten Hellfelddaten, d.h. sie erfasst alle Tatverdächtigen einer Straftat, die bei der Polizei angezeigt werden und gegen die hinreichender Tatverdacht besteht (vgl. Mansel/Raithel 2003, S.9). Die Daten der PKS beziehen sich auf das gesamte Bundesgebiet und enthalten Angaben über „Art und Zahl der erfassten Straftaten, Tatort und Tatzeit, Opfer und Schäden, Aufklärungsergebnisse, sowie Alter, Geschlecht, Nationalität und andere Merkmale der Tatverdächtigen“ (Bundesministerium des Innern 2008, S. 2f).

 

Die Erfassung aller bekannt gewordenen Straftaten in Deutschland erfolgt zunächst in einer bundeseinheitlichen „Ausgangsstatistik“. Die Daten werden nach Abschluss der Ermittlungen vonseiten der Polizei erfasst, bei den Landeskriminalämtern gesammelt und in „tabellarischer Form“ an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt. Die Erfassung einer Straftat erfolgt dabei noch vor der Abgabe der Akten an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht. Das BKA fasst die übermittelten Daten dann für die PKS zusammen (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden 2008, S.9).

 

Jeder erfassten Straftat in der PKS ist dabei eine Schlüsselzahl zugeordnet. Die Erfassung eines Tatverdächtigen erfolgt über diese Schlüsselzahl (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden 2008, S.25). Jede Körperverletzung wird beispielsweise dem Straftatenschlüssel mit der Nummer 220000 zugeordnet (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden a, S. 23). Ist eine Person in mehreren Fällen mit derselben Schlüsselzahl tatverdächtig, so wird derjenige nur einmal als Tatverdächtiger dieser Schlüsselzahl zugeordnet (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden 2008, S.25). Zusätzlich zu den jährlich erscheinenden PKS - Ausgaben, besteht die Möglichkeit, die Entwicklung aller registrierten Straftaten für den Zeitraum von 1987 – 2008 in den „PKS-Zeitreihen“ zu verfolgen. Alle Daten für den besagten Zeitraum sind dort, sortiert nach Straftatenschlüssel, in Tabellenform elektronisch verfügbar (Bundeskriminalamt Wiesbaden c).

 

2.2    Quantitative Entwicklung von Jugendgewalt

 

2.2.1 Quantitative Entwicklung von Jugendgewalt im Hellfeld

 

Betrachtet man die Entwicklung von Gewaltkriminalität bei Jugendlichen[3] und Heranwachsenden[4] auf Basis der PKS-Daten, fällt der enorme Anstieg bei den Tatverdächtigenzahlen (TVZ) auf. So stieg die Anzahl der tatverdächtigen Jugendlichen von 1987 bis 2008 um mehr als das 4,4 fache und bei den Heranwachsenden um mehr als das 2,5 fache (eigene Berechnungen anhand der PKS–Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden a).[5]

 

Abb.1

 

Tatverdächtigenzahlen für Gewaltkriminalität bei Jugendlichen und Heranwachsenden 1987 – 2008

 

 

Eigene Darstellung in Anlehnung an die Daten der PKS-Zeitreihen 1987-2008

 

(vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden a)

 

Die Zahlen für Körperverletzungsdelikte zeigen ein ähnliches Bild. Seit 1987 stieg die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen hier um mehr als das 4,7 fache und bei Heranwachsenden um mehr das 2,8 fache (eigene Berechnungen anhand der PKS-Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden a).[6]

 

Abb.2

 

Tatverdächtigenzahlen für Körperverletzungsdelikte bei Jugendlichen und Heranwachsenden 1987 - 2008 

 

 

Eigene Darstellung in Anlehnung an die Daten der PKS-Zeitreihen 1987-2008 (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden a)

 

Bei den oben angeführten Tatverdächtigenzahlen handelt es sich jedoch um absolute Zahlen, die im zeitlichen Längsschnittvergleich nicht aussagekräftig sind (vgl. Universität Konstanz, Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung 2001). Der Grund hierfür ist, dass sich die vorhandene Kriminalität „nicht gleichmäßig über alle Bevölkerungsgruppen verteilt, sondern in hohem Maße vom Alter und vom Geschlecht abhängig ist“ (Heinz 2008, S.6). Somit beeinflussen die Größe der Bevölkerung und besonders „die Zusammensetzung der Bevölkerung das Maß an Kriminalität“ (vgl. Heinz 2008, S.6). Um die Entwicklung von Jugendgewalt über einen längeren Zeitraum darstellen zu können, ist es daher erforderlich, standardisierte Zahlen zu verwenden. Für einen zeitlichen Vergleich werden daher die sogenannten Tatverdächtigenbelastungszahlen (TVBZ) herangezogen (vgl. Universität Konstanz, Konstanzer Inventar Kriminalitätsentwicklung 2001). Hierbei wird die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen auf 100.000 Einwohner der entsprechenden Bevölkerungsgruppe, in diesem Fall Jugendliche und Heranwachsende, errechnet (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden 2007, S.15). Die TVBZ werden allerdings nur für deutsche Tatverdächtige berechnet, da bei Nichtdeutschen die „Bezugsgesamtheit in Größe und Struktur nicht hinlänglich verlässlich bekannt ist“ (Heinz 2008, S.2). Der Punkt TVBZ für Nichtdeutsche wird jedoch noch in Kapitel 4.1 ausführlicher beleuchtet. Nachfolgend sollen daher die TVBZ für Jugendliche und Heranwachsende mit deutscher Staatsangehörigkeit bei Gewaltkriminalität und Körperverletzungsdelikten dargestellt werden.

 

Hier zeigt sich, dass die TVBZ für Gewaltkriminalität bei Jugendlichen seit 1987 um das 2,8 fache gestiegen sind. Für Heranwachsende ergibt sich sogar eine Steigerung um das 4,3 fache (eigene Berechnungen anhand der PKS-Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden b).[7] In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass 1987 knapp 406 tatverdächtige Jugendliche pro 100.000 ihrer Bevölkerungsgruppe wegen Gewaltkriminalität polizeilich registriert wurden. Bis 2008 stieg ihre Zahl auf knapp 1124 Tatverdächtige.

 

Abb.3

 

TVBZ für Gewaltkriminalität bei Jugendlichen und Heranwachsenden 1987 - 2008 

 

 

Eigene Darstellung in Anlehnung an die Daten der PKS-Zeitreihen 1987-2008 (vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden b)

 

Bei Heranwachsenden betrug die TVBZ 1987 knapp 247, bis sie 2008 einen Wert von knapp 1066 Tatverdächtigen pro 100.000 Einwohner aller Heranwachsenden in Deutschland erreichte (eigene Berechnungen anhand der PKS-Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden b).

 

Bei den Körperverletzungsdelikten stiegen die TVBZ für Jugendliche um das 4,5 fache, bei Heranwachsenden immerhin um das dreifache im besagten Zeitraum. Im Detail bedeutet dies, dass 1987 knapp 382 Jugendliche pro 100.000 Einwohner ihrer Bevölkerungsgruppe als Tatverdächtige eines Körperverletzungsdelikts polizeilich registriert wurden. Im Jahr 2008 waren es demgegenüber knapp 1700 Jugendliche. Für Heranwachsende betrug die Zahl der Tatverdächtigen 1987 gut 635 und lag 2008 bei knapp 1929 pro 100.000 der entsprechenden Bevölkerungsgruppe (eigene Berechnungen anhand der PKS-Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt b).[8]

 

Es muss jedoch gerade bei der quantitativen Entwicklung von Jugendgewalt von Ende der 1980er Jahre bis in die Gegenwart darauf hingewiesen werden, dass im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands nach 1989 rund 16 Millionen neue Bundesbürger hinzukamen (vgl. Garhammer 2003, S.181).

 

Sowohl die Tatverdächtigenzahlen, als auch die TVBZ verdeutlichen also, dass Jugendliche heutzutage wesentlich häufiger als Tatverdächtige von Gewalttaten in der PKS erfasst werden, als noch vor 15 Jahren (vgl. Baier et al. 2009a, S.25). Der enorme Anstieg der Gewaltkriminalität bei Jugendlichen und Heranwachsenden seit Ende der 1980er Jahre ist dabei ausschließlich auf die steigende Zahl von Körperverletzungsdelikten zurückzuführen. Im Jahr 2006 machte allein die gefährliche und schwere Körperverletzung 70% der unter Gewaltkriminalität subsumierten Straftaten aus (vgl. Heinz 2008, S.10f). Die TVBZ für gefährliche und schwere Körperverletzung bei Jugendlichen stieg demnach seit 1987 um das 4,8 fache, bei Heranwachsenden um rund das dreifache (eigene Berechnungen anhand der PKS-Zeitreihen 1987 – 2008, vgl. Bundeskriminalamt Wiesbaden b).[9]

 

Mittlerweile sind 38,5% der wegen Gewaltkriminalität registrierten Tatverdächtigen...

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