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Die EU und die derzeitige Finanzkrise

Integrationsstand der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, aktuelles Krisenmanagement und Reformbedarf

AutorSandra Hetges
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl140 Seiten
ISBN9783668017665
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,3, Hochschule Niederrhein in Krefeld, Sprache: Deutsch, Abstract: Seit dem Frühjahr 2010 ist die Gefährdung des Euro das dominierende Thema in der Europäischen Union. Der Euro ist mittlerweile die gemeinsame Währung von 19 der 28 Mitgliedstaaten der EU. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion 'erschaffen', die eine gemeinsame Währungspolitik - ausgeführt von der EZB - beinhaltet, jedoch keine echte Wirtschaftsunion, d.h. eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten 'nur' zu einer Koordination der Wirtschaftspolitiken und Haushaltsdisziplin. Bereits 1992 unterschrieben mehr als 60 Professoren ein Manifest gegen den Vertrag von Maastricht, in dem sie vor einer verfrühten Währungsunion warnten und exakt jene Entwicklungen vorausgesagt haben, die in der letzten Zeit eingetreten sind. Tatsächlich ermöglichte die Einheitswährung und die einheitliche Geldpolitik der EZB es den sog. Peripherieländern sich (zu) billig zu verschulden (z.B. Griechenland) und konnte einem ungesunden kreditfinanzierten Wirtschaftsboom (wie den Aufbau einer Immobilienblase in Spanien) - der die Preise und Löhne in den Krisenländern viel rascher als in den anderen Euroländern ansteigen ließ - nicht rechtzeitig entgegenwirken. Die verabredeten fiskalischen Kriterien, der Stabilitäts- und Wachstumspakt und die Verpflichtung zur Koordination der Wirtschaftspolitiken konnten die Verschuldungsprobleme ebenfalls nicht verhindern. Die Mitgliedstaaten der EU und die EU selber haben ein Bündel von Maßnahmen geschnürt, die alle darauf abzielen, alle bisher am Währungsraum teilnehmenden Ländern im Währungsraum zu halten. Ziel dieser Arbeit ist zum einen, die von der Politik ergriffenen Maßnahmen rechtlich und ökonomisch zu würdigen. Neben Bedenken, ob diese Maßnahmen mit dem Unionsrecht und dem Grundgesetz zu vereinbaren sind, stellt sich die Frage nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit und den möglichen Alternativen zur Krisenbewältigung. Zum anderen verfolgt diese Arbeit das Ziel mögliche Vorkehrungen darzustellen, damit sich ein solches Szenario nicht wiederholt. Hierzu ist es erforderlich, die Ursachen dieser Krise herauszuarbeiten, um wirksame Instrumente zur Verhinderung zukünftiger Krise zu entwickeln. Dabei geht es weniger um die Frage, ob die derzeitigen Regelungen zur Haushaltsdisziplin ausreichend sind, sondern eher um die Frage welcher Regelungen es bedarf, eine solide Haushaltspolitik wirksam durchsetzen und wirtschaftliche Konvergenz gewährleisten zu können.

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Leseprobe

4. Asymmetrie der EWWU


 

Während der Werner-Bericht noch betonte, dass eine Währungsunion sowohl die Zentralisierung der Entscheidungen über die nationalen Haushalte als auch die Ausweitung des Gemeinschaftsbudgets notwendig mache und somit neben einer Zentralbank auch eine europäische Wirtschaftsregierung forderte[80], wurde mit dem Vertrag von Maastricht ein anderer Weg beschritten.

 

Die währungspolitischen Kompetenzen von mittlerweile 17 Mitgliedstaaten sind auf die Europäische Union übertragen worden,[81] während dagegen die Befugnisse im Bereich der allgemeinen Wirtschaftspolitik sowie der Haushalts- und Finanzpolitik bei den Mitgliedstaaten verblieben sind.[82] Auf mehr als eine wirtschaftliche Koordination und eine gemeinschaftsrechtliche Aufsicht über die nationalen Schuldenpolitiken konnten die Mitgliedstaaten sich im Vertrag von Maastricht nicht einigen, da dies politisch nicht gewollt und rechtlich wohl auch nicht möglich war.[83] Die Vergemeinschaftung der Wirtschaftspolitiken hätte die Übertragung der Budget- und Steuerhoheit auf Unionsebene zur Folge gehabt, wodurch die Staatlichkeit der Mitgliedsländer ernsthaft in Frage gestellt worden wäre.[84] Die im Vertrag von Maastricht verwirklichte Währungsunion stellt damit nicht den krönenden Abschluss einer politischen Vergemeinschaftung dar, sondern dient als Lokomotive, die die wirtschaftspolitische Integration nach sich ziehen soll. Spätere Reformen der Gemeinschaftsverträge änderten an dieser Grundkonstruktion der EWWU nichts.[85] Lediglich mit dem Vertrag von Lissabon wurden Änderungen im Verfahren der multilateralen Überwachung, im Defizitverfahren und die Stärkung der Stellung der Euro-Gruppe[86] beschlossen.[87]

 

4.1 Integrationstand Währungsunion


 

Die Zentralbanken der Mitgliedstaaten werden mit Beginn der Dritten Stufe der Währungsunion integraler Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) und sind dann gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) weisungsgebunden[88]. Das ESZB besteht aus den nationalen Zentralbanken der Euro-Mitgliedstaaten und der EZB. Seine vorrangigste Aufgabe ist die Gewährleistung der Preisstabilität, wozu es die Geldpolitik festlegt und durchführt, die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedstaaten hält und verwaltet, Devisengeschäfte tätigt und das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme fördert.[89] Für die Mitgliedstaaten der Euro-Zone liegt die Kompetenz der Währungspolitik daher ausschließlich bei der Union,[90] ein paralleles Handeln der Mitgliedstaaten ist damit ausgeschlossen.[91]

 

Bis zu diesem Zeitpunkt waren die nationalen Währungssysteme Teil der staatlichen Rechtsordnungen. So war die Deutsche Bundesbank als Währungs- und Notenbank durch Art. 88 GG verfassungsrechtlich verankert.[92] Da die Europäische Union als „supranationale“ Organisation durch Übertragung staatlicher Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten mit eigenen Regelungskompetenzen ausgestattet ist und nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (jetzt Art. 5 Abs. 1 EUV) nur gesetzgeberisch im Rahmen der ihr vertraglich übertragenen Kompetenzen tätig werden kann [93] (Fehlen der sog. Kompetenz-Kompetenz[94]), [95] bedurfte es der Übertragung währungshoheitlicher Befugnisse auf die EU.[96]

 

In Deutschland hatte der Bund kraft seiner Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Währungs-, Geld- und Münzwesens das Bundesbankgesetz erlassen und die Deutsche Bundesbank errichtet. Es bestand eine gesetzliche Verpflichtung mit der Bundesregierung zusammen zuarbeiten; sie war jedoch von Weisungen der Bundesregierung unabhängig.[97] Diese Unabhängigkeit war in anderen Ländern der EU nahezu unbekannt. Daher mussten zahlreiche Länder, wie Frankreich, Spanien, Italien, die Niederlande und Belgien ihre Gesetzgebung in Vorbereitung auf die EWWU in diesem Sinne ändern.[98] Anders als die Europäische Zentralbank bestand für die Deutsche Bundesbank keine Verpflichtung zur Sicherung der Preisstabilität. Mit besonderem Nachdruck betont der EG-Vertrag in der Fassung von Maastricht die Verpflichtung des ESZB auf eine Stabilitätspolitik (Art. 105).[99] Nach Art. 24 Abs. 1 GG kann der Bund durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen. Weitergehend sieht Art. 23 GG vor, dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der EU mitwirkt, die demokratischen, rechtstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen entspricht, und dass der Bund hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen kann (Art. 23 Abs. 1 GG). Dies erfolgte durch das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Maastricht.[100] Art. 88 S. 2 GG sieht seitdem ausdrücklich vor, dass die Aufgaben und Befugnisse der Bundesbank auf die EZB übertragen werden können, die unabhängig und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung im Oktober 1993 Verfassungsbeschwerden gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht zurückgewiesen, womit entschieden wurde, dass die Übertragung der Geld- und Währungspolitik auf das ESZB mit dem Deutschen Verfassungsrecht vereinbar ist.[101]

 

4.2 Integrationsstand Wirtschaftsunion


 

Aus der Konzeption der EWWU ergibt sich, dass der Verpflichtung des ESZB zur Stabilitätspolitik keine durchsetzbare Stabilitätsverpflichtung der Mitgliedstaaten, ihren Regierungen und Parlamenten in der Finanz- und Haushaltspolitik gegenübersteht. Während die währungshoheitlichen Befugnisse durch die EZB im Verbund mit den nationalen Zentralbanken erfolgen, wird bezüglich der Wirtschaftspolitik lediglich eine Koordinierung (durch den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister) vorgenommen,[102] d.h. es erfolgte keine Übertragung von Hoheitsrechten hinsichtlich der Wirtschaftspolitik auf Gemeinschaftsebene.[103]

 

4.3 Spannungsverhältnis und daraus resultierende Gefahren der EWWU


 

Durch die Zentralisierung der Geldpolitik bei weiterhin nationalstaatlicher Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik bedarf es einer Koordinierung zwischen der Geldpolitik und den anderen Politikfeldern (Budgetpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Lohnpolitik). Die grundsätzliche Verantwortlichkeit für das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum liegt bei den Regierungen und Gewerkschaften, da die EZB die anderen in Art. 3 EUV[104] genannten Ziele der EU nur in Betracht zieht, soweit die Preisstabilität nicht gefährdet ist.[105] Zu einem Spannungsverhältnis kann es dann kommen, wenn der politische Wille bei den Mitgliedstaaten zur Bereitschaft, eine möglichst homogene Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Tarif- und Sozialpolitik zu betreiben, nicht besteht. Von einem solchen Spannungsverhältnis gehen folgende Gefahren aus:

 

4.3.1 Gefahr einer expansiven Fiskalpolitik


 

Durch den Verbleib der finanzpolitischen Kompetenz bei den Mitgliedstaaten können Konflikte zwischen der nationalen Finanzpolitik und der stabilitätsorientierten Geldpolitik entstehen. Betreiben die nationalen Entscheidungsträger eine expansive Politik, so ist fraglich, ob die EZB auf Dauer eine restriktive Geldpolitik durchsetzen kann.[106] Insbesondere dann, wenn übermäßig kreditfinanzierte Staatsausgaben zu Belastungen und Reaktionen der Finanzmärkte führen und somit der politische Druck auf die Europäische Zentralbank und ihre Organe steigt.[107] Die Gefahr, dass die EZB ihren stabilitätspolitischen Kurs aufgibt, ist wahrscheinlich, wenn Staatsanleihen von überschuldeten Staaten überwiegend in den Portfolios europäischer Banken gehalten werden. Eine mögliche Zahlungsunfähigkeit eines Landes könnte sich so leicht zu einer Bankenkrise ausweiten, da die geringe Eigenkapitalausstattung der Banken einen Zahlungsausfall kaum verkraften könnte.[108] Weiterhin würde die hohe Staatsverschuldung in einem oder mehreren Mitgliedsländer zu Zinserhöhungen führen, die tendenziell von den anderen Mitgliedstaaten mitgetragen werden müssten,[109] da nach Abschaffung aller Kapitalverkehrskontrollen das Kapital vermehrt in die Länder fließt, die höhere Zinsen zahlen müssen und somit das Angebot an Kapital in anderen Ländern schrumpfen lässt, was dort ebenfalls zu Zinssteigerungen führt.[110] Durch eine inflationäre Geldpolitik der Zentralbank würde zwar der Realwert der Staatsschulden sinken,[111] der Ankauf von Staatsanleihen hochverschuldeter Länder durch das ESZB am Sekundärmarkt diesen zu einem Zinsvorteil verhelfen[112] - die Preisstabilität innerhalb der EWWU und die Unabhängigkeit der EZB würde hierdurch jedoch gefährdet.[113]

 

4.3.2 Gefahr einer expansiven Tarifpolitik und fehlender realwirtschaftlicher Konvergenz


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