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Die Europäische Verfassung - Die EU auf dem Weg zum Bundesstaat?

Die EU auf dem Weg zum Bundesstaat?

AutorMarkus Postulka
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783638523882
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Jura - Europarecht, Völkerrecht, Internationales Privatrecht, Note: 2,0, Hochschule Bochum, 51 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach knapp 50 jähriger europäischer Integrationsgeschichte haben sich am 29.10.2004 die Staats- und Regierungschefs der nun 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der drei Beitrittskandidatenstaaten in Rom auf einen gemeinsamen Verfassungsentwurf geeinigt. 'Die Vertiefung der Europäischen Union ist mithin ein inzwischen jahrzehntelanger Prozess, der kontinuierlich vorangetrieben wurde und auch weiterhin vorangetrieben werden muss.' Dies bestätigt sich in der Präambel der Verfassung, in der es heißt: 'In der Gewissheit, dass die Völker Europas ... immer enger vereint ihr Schicksal gemeinsam gestalten.' Nun stellt sich die Frage, wann die Finalität des Integrationsprozesses erreicht ist und, wie diese sich ausdrückt. Grundsätzlich kommen nur zwei mögliche Verfassungstypen für die Europäische Union in Frage, ein Europäischer Bundesstaat oder eine Fortentwicklung eines Staatenbundes. Mit der Frage, um welche rechtliche Verbindung es sich bei der Union handle, entschied bereits am 12.10.1993 das Bundesverfassungsgericht mit dem Maastricht-Urteil. Die Europäische Union sei ein Staatenverbund sui generis zur Verwirklichung einer immer engeren Union der - staatlich organisierten - Völker Europas, kein sich auf ein Europäisches Staatsvolk stützender Staat. Fraglich ist allerdings, ob diese Begriffsbestimmung nicht nach dem Inkrafttreten der Verfassung einer Aufarbeitung bedarf. Denn es ist unklar, wann ein Mitgliedstaat nur geringfügige Kompetenzen an ein übergeordnetes Organ überträgt oder wann ein Mitgliedstaat die Kompetenzen überträgt, durch die er handlungsunfähig und nicht ausreichend souverän erscheint um weiterhin einen Staat zu begründen. Alleine der Begriff 'Union', der augenscheinlich lediglich die Übertragung begrenzter Kompetenzen und somit den Staatenbund impliziert, kann keine Antwort auf die Frage geben, ob die Europäische Union bereits ein Bundesstaat ist. Denn 'der mächtigste Staat der Erde, die Vereinigten Staaten von Amerika, bezeichnet sich selbst als eine Union.' Es ist aber unbestritten, dass die USA eine präsidiale Republik mit bundesstaatlicher Verfassung ist. Die Frage der Bundesstaatlichkeit ist daher viel tiefgreifender zu erforschen. Dazu bedarf es zunächst eines historischen Abrisses des konstituierenden Prozesses der Union. Ferner bedarf es genauer Begriffsbestimmungen um sich der Antwort der Staatlichkeit zu nähern. Enden soll die Arbeit mit einem Fazit, das mehr als den status quo beschreibt.

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Leseprobe

3. Die Entwicklung der EU bis zur Verfassung


 

3.1 Die EGKS und die EWG


 

Um einen Vorausblick auf die Entwicklung der Europäischen Union zu wagen, ist ein Rückblick auf den jahrzehntelangen Integrationsprozess unabdingbar.

 

„So wurde ein Vorschlag, den der französische Außenminister Robert Schuman in einer Regierungserklärung 1950 unterbreitete und der vor allem von seinem Mitarbeiter Jean Monnet entwickelt worden war (Schuman-Plan), zum Ausgangspunkt des Integrationsprozesses und zur Grundlage des institutionellen Gefüges der EG.“[61]

 

„Die mit dem Vertrag zur Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) von 1951 eingeleiteten normativen Entwicklungsschritte zur EU unterscheiden sich grundlegend von den theoretischen Entwürfen einer europäischen Föderation: Sie umfaßten weder die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den beteiligten Staaten, noch schufen sie eine endgültige Verfassungsstruktur für den Verband.“[62] Die Gründungsmitglieder waren Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg.

 

„Zunächst wurde ein kleiner, wenngleich, wichtiger Bereich staatlicher Souveränität in europäische Zuständigkeit überführt...“[63], denn Inhalt der Montanunion war der Verbund der Kohle- und Stahlindustrie und die Abgabe von Kompetenzen der nationalen Staaten auf eine übergeordnete, unabhängige Ebene.

 

„Die Genialität des Planes lag in seiner Bescheidenheit. Durch die ‘Vergemeinschaftung’ eines Wirtschaftssektors, nämlich der Schwerindustrie, sollte die von Schuman beschworene ‘Solidarität der Tat’ entstehen, d.h. eine kleine, aber auf konkrete wirtschaftliche Tatsachen und Fortschritte gegründete Gemeinschaft.“[64]

 

Außerdem wollte er, „daß eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den europäischen Staaten dann nicht mehr möglich sein würde, wenn sie nicht mehr allein über diese Schlüsselindustrien verfügen könnten, sondern nurmehr in Gemeinschaft mit anderen“[65]. Das Ziel des Bündnisses war also der Frieden und der Ursprung vieler blutiger Kriege zwischen europäischen Staaten.

 

„Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl wird dadurch charakterisiert, daß die Wirtschaftsverwaltung für ihre Geltungsbereiche aus den nationalen Zuständigkeiten ausgegliedert und auf die Gemeinschaft übertragen worden ist.“[66] Grund dafür war der Wille der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens neben der USA und der Sowjetunion keine „dritte Macht“ zu bilden, sondern eher durch die Vermischung von Gesetzgebungskompetenzen die Gefahr einer Diktatur gering zu halten. So war das Originelle an dem Schuman-Plan „die institutionelle Architektur mit ihrer, dem direkten Einfluss der Nationalstaaten entzogenen und mit echten Kompetenzen ausgestatteten Hohen Behörde“[67]. Neben der Hohen Behörde wurden die Organe „‘Gemeinsame Versammlung’, ‘(besonderer) Ministerrat’ und ‘Gerichtshof’ (Art. 7 EGKS-V) ins Leben gerufen, die später als Vorbilder für die Organe der anderen europäischen Gemeinschaften dienten und damit auch für das institutionelle Gefüge der EU“[68]. Der Gerichtshof fungierte als Verfassungs-, Verwaltungsgericht und Schlichtungsinstanz. Die Hohe Behörde bestand aus neun, von den Mitgliedstaaten gewählten Mitgliedern mit Jean Monnet als Präsident.[69] „Dieses supranationale Organ, das 1967 mit der EG-Kommission verschmolzen wurde, entschied mit Stimmenmehrheit im Interesse der Gemeinschaft.“[70]

 

Um erneut die weitgehend von den Mitgliedstaaten unabhängige Stellung zu unterstreichen, sei betont, dass die EGKS bereits damals über eigene Einnahmen verfügte um so auch eine finanzielle Unabhängigkeit zu sichern. Zurückblickend ist beachtlich, dass sich Staaten freiwillig von ihrer Souveränität, wenn auch nur teilweise, gelöst haben um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und ein neues Gemeinwesen zu bilden, das unabhängig handeln konnte. Obgleich wurde die Hohe Behörde durch die Mitgliedstaaten besetzt, sodass der nationale Einfluss nicht zu unterschätzen war.

 

Nach dem erfolgreichen Gelingen der Gründung der EGKS sollte die Integration schnell fortgeführt werden. Allerdings konfrontierten europäische Visionäre schnell mit der Realität. „Das Paket aus Europäischer Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und Europäischer Politischer Gemeinschaft (EPG), das nicht nur eine europäische Armee, sondern auch eine europäische Verfassung schaffen will, scheitert im August 1954 an den Vorbehalten der französischen Nationalversammlung zur EVG.“[71]

 

Am 25. März 1957 wurden die sogenannten Römischen Verträge in Rom von den bereits zuvor genannten sechs Gründungsmitgliedern der EGKS unterzeichnet. Die parlamentarische Ratifizierung stellte in keinem Mitgliedstaat ein Problem dar. „Die Stimmung hatte sich seit dem Streit um die EVG deutlich gebessert.“[72]

 

Trotzdem wuchs bereits damals die Angst einiger Politiker, einen „Superstaat“ zu gründen. „So erhielt der Vertrag über die EWG das Minimum, was zum Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich war, aber das Maximum des politisch Erreichbaren.“[73]

 

Inhalt der Römischen Verträge war die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäische Atomgemeinschaft (EAG). Die EAG hatte den Inhalt der Konsolidierung, Forschung und friedlichen gemeinschaftlichen Nutzung von Atomkraft.

 

„Die EWG beinhaltete eine Zollunion und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes, womit auch die Koordinierung und Harmonisierung nationaler Politiken verbunden war.“[74]

 

Die vollständige Zollunion entwickelte sich jedoch langsam während einer dreistufigen Übergangszeit von jeweils vier Jahren zwischen 1958 und 1969.[75]

 

„Die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckende Zollunion hatte dadurch bereits den Charakter einer Wirtschaftsunion, daß sie auch das grundsätzliche Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen sowie aller ‘Maßnahmen gleicher Wirkung’ umfaßte (Art. 12, 30 EWG) und die Garantie des freien Warenverkehrs mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, dem Niederlassungsrecht, der Dienstleistungsfreiheit und dem freiem Kapital- und Zahlungsverkehr verband.“[76]

 

Außerdem wurde eine Kommission, der Vorreiter der heutigen Kommission, gegründet. „Die EWG-Kommission mit Sitz in Brüssel erhielt die Aufgabe, den fairen Wettbewerb im Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu überwachen und Maßnahmen gegen unzulässige staatliche Beihilfen der Mitgliedstaaten zu ergreifen.“[77]

 

Mit dem Fusionsvertrag vom 08. April 1965 fasste man die Bereiche der EWG und der EAG zur Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammen. Die Weiterentwicklung der EWG war das Europäische Währungssystem. „Auf Initiative von Bundeskanzler Helmut Schmidt sowie des französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d´Estaing konnte der Europäische Rat sich am 05. Dezember 1978 auf die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS) einigen.“[78] Damit wurden immer mehr Kompetenzen auf die europäische Ebene übertragen, zudem wurden die noch heute bestehenden Organe gegründet und gestärkt.

 

Die Fortführung der europäischen Integrationsentwicklung erfolgte im Jahre 1986 mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA). „Die EEA legt weitere Kompetenzen der Gemeinschaft in Bereichen fest, die in den Römischen Verträgen nicht oder nur am Rande erwähnt werden, z.B. in den Bereichen der Umweltpolitik, der Forschungs- und Technologiepolitik sowie der Sozialpolitik.“[79]

 

Außerdem wurde die Finanzierung der Union beschlossen, die einen einheitlichen Prozentsatz vom nationalen Bruttosozialprodukt beinhaltete. Zudem sei erwähnt, dass sich die EG zu einer immer bedeutenderen Organisation entwickelte. Bis zum Maastrichter Vertrag erfolgte die erste Erweiterung 1973 durch die Aufnahme Großbritanniens, Irlands und Dänemarks, 1981 durch Griechenland und 1986 durch Spanien und Portugal.[80]

 

Mit der Erweiterung der Mitgliedstaaten und der Erweiterung der Kompetenzen wurde der Standpunkt EG in Europa sukzessiv gestärkt. 

 

3.2 Der Vertrag von Maastricht


 

Ausgangspunkt für den Maastrichter Vertrag war die EEA. „Dieses Vertragswerk, welches am 28.02.86 verabschiedet wurde und im Jahre 1987 in Kraft trat, kann als Grundlage für den Vertrag von Maastricht im Jahre 1992 und die dritte Aufnahmewelle (Schweden, Österreich, Finnland) im Jahre 1995 gelten.“[81]

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