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Die Feigheit der Frauen

Rollenfallen und Geiselmentalität. - Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug

AutorBascha Mika
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641201470
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Das hochaktuelle Debattenbuch der ehemaligen taz-Chefredakteurin
In ihrer Streitschrift probt Bascha Mika den Aufstand gegen all jene Frauen, die sich kampflos in alte Rollenmuster und Abhängigkeiten locken lassen. Einerseits klug und gut ausgebildet, versuchen sie nach Einschätzung der Autorin erst gar nicht, sich zu behaupten, sondern gehen gleich den Weg des geringsten Widerstands. Aus Bequemlichkeit, letztlich aber aus Feigheit. Die ehemalige taz-Chefredakteurin analysiert überkommene Rollenfallen und entwirft einen Aktionsplan zu mehr weiblicher Selbstbestimmung. Sie macht deutlich, dass rhetorische Emanzipation nicht ausreicht, was zählt ist die Praxis.

Bascha Mika wurde 1954 in einem schlesischen Dorf in Polen geboren und übersiedelte als Kind in die Bundesrepublik. Nach einer Banklehre studierte sie Germanistik, Philosophie und Ethnologie. Sie arbeitete als Redakteurin und Journalistin und veröffentlichte 1998 eine kritische Alice-Schwarzer-Biografie, die für großes Aufsehen sorgte. Von 1999 bis 2009 war sie Chefredakteurin der taz. Heute ist sie Honorarprofessorin an der Universität der Künste, Berlin, und freie Publizistin.

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Leseprobe

Der Sog – zu Beginn


Sie heißt Eva. Eva hat einen Mann, zwei Kinder, einen mittelgroßen Hund und einen mittelkleinen Garten am Reihenendhaus.

Ab halb sieben läuft ihr Programm: Eine schnelle Tasse Kaffee mit ihrem Rainer, Frühstück für Kinder und Hund, Charlotte und Max in die Schule gebracht, eingekauft, aufgeräumt, Essen vorbereitet, danach ist schon wieder Zeit, die Kinder zu holen. Der Einkauf, der Garten, ihre Pilates-Gruppe, der Lauf-Treff. Zweimal in der Woche geht Max zum Fußball, Charlotte zum Judo, beide haben Klavierstunden. Hinfahren, abholen, zu Freunden bringen. Die Hausaufgaben, Elternsprechtage, Kindergeburtstage.

So sieht es aus bei Eva. Sie ist zufrieden – sagt sie. Da sind ihr Mann, die Kinder, das Haus … Eva ist achtunddreißig, Max und Charlotte sind fünf und sieben Jahre alt. Rainer ist gerade Oberarzt geworden, er verdient genug für sie alle. Doch wenn Eva nachts aufwacht, kommt die Angst: Was, wenn sie Rainer verliert? Was, wenn die Kinder weg sind? Was, wenn …

 

Alle ihre Freundinnen leben so oder so ähnlich. Alle benehmen sich, als hätten sie es gut getroffen. Soll Eva damit rausrücken, dass sie sich ihr Leben eigentlich mal anders vorgestellt hat?

Sie war immer ehrgeizig. Eine gute Schülerin, eine prima Abiturientin, ihre Ausbildung zur Bankkauffrau hat sie hervorragend abgeschlossen. Sie wollte finanziell auf niemanden angewiesen sein. Was es heißt, ohne eigenes Geld dazustehen, hatte sie bei ihrer Mutter erlebt. Das sollte ihr nicht passieren. In ihrer Familie würde es partnerschaftlich zugehen, alles sollte geteilt werden, auch die Haus- und die Kinderarbeit. In der Liebesbeziehung auf Augenhöhe zu leben, ist doch kein Problem, dachte sie, man muss es nur wollen. – Das war der Plan.

Als sie in der Bank mit Ende zwanzig ihre erste Abteilung übernahm, war Eva wahnsinnig stolz – und lernte Rainer kennen. Ein interessanter Typ, der wusste, was er wollte. Ihr schwante zwar bald, dass ihr Held sehr konventionell gestrickt war, was Frauen anging, aber das würde sie schon ändern, dachte Eva. Sie war sehr verliebt.

Kurz darauf bewarb sich Rainer für seine Ausbildung zum Facharzt auf eine Stelle in Nordrhein-Westfalen. Er zog weg von Bremen. Eine Zeit lang pendelten sie, doch Eva fürchtete, das würde die Beziehung sprengen. Gleichzeitig wurde ihr der Arbeits- und Leistungsdruck in der neuen Abteilung zunehmend unangenehm, und die Stimmung war auch nicht sonderlich kollegial. Eva zog Rainer hinterher. Einen Job in der neuen Stadt hatte sie nicht. Den würde sie schon noch finden, glaubte sie. Stattdessen wurde sie schwanger.

Wie wird das mit dem Kind, wer kümmert sich? Rainer freute sich, Vater zu werden, wollte aber auf keinen Fall beruflich aussetzen; das könnte er sich nicht leisten, meinte er. Obwohl Eva ihre Arbeit vermisste, verstand sie ihren Liebsten irgendwie, und vor allem wollte sie nicht mit ihm streiten. Ein Jahr plante sie auszusetzen, um dann neu zu starten.

Sie konzentrierte sich auf Kind und Mann. Als Charlotte zwei Jahre alt war, überlegte sie, beruflich wieder einzusteigen. Ihre Mutter war entsetzt: Wie sie sich das vorstellte? Das Kind alleine lassen? Rainer arbeitete pausenlos. Sollte sie jetzt von ihm verlangen, zurückzustecken und sich mehr um die Kleine zu kümmern? Wo er doch ganz selbstverständlich erwartete, dass sie ihm den Rücken freihielt. Eva wurde wieder schwanger. Und dann kauften sie das Haus.

Ihr Sohn Max war aus dem Gröbsten raus. Eine Stelle suchen, wieder reinkommen? Nach fünf Jahren zu Hause wusste Eva nicht mehr so recht, wie sich das Arbeitsleben anfühlte. Außerdem wartete auf Rainer ein Posten als Oberarzt. Wie sollte das alles gehen?

Irgendwie war sie nicht glücklich. Etwas war anders geworden, das spürte sie. Wo war ihr Selbstbewusstsein? War es der Blick von ihrem Garten auf die Welt, der so manche Perspektive vermissen ließ? Sie rieb sich auf zwischen Mann und Kindern, ohne dass für sie etwas übrigblieb. Was war denn ihr eigenes Leben? Hatte sie Ziele? Aber dann beruhigte sie sich wieder: Da war ja ihre Familie, und was sollte sie mit einem Job, der sie nur unter Druck setzte.

 

So sieht es aus bei Eva. Sie ist Ende dreißig und wird sich irgendwann eine kleine Stelle suchen. Ansonsten kann sie sich ja beschäftigen – mit den Kindern, mit dem Haus, dem selten anwesenden Mann. Sie sei zufrieden, sagt sie. Es wäre ja auch nicht anders gegangen, sagt sie. Sie habe doch ein erfülltes Frauenleben, sagt sie. Es hat sich eben einfach alles so ergeben.

Die Verlockung


Was ist los mit Eva? Und Millionen anderen Frauen, die es ähnlich treiben wie sie? Sie sind klug, gut ausgebildet und halten sich für modern. Irgendwann einmal träumten sie von einem selbstbestimmten Leben. Einem Leben, das nicht begrenzt ist durch typisch weibliche Rollen. Sie wollten für sich selbst verantwortlich sein, ihre Chancen nutzen. Haben sie ihre Wünsche in eine Flasche gestopft, zugekorkt und auf die Reise über die Meere geschickt? Damit sie von ihnen nicht mehr belästigt werden?

Was ist passiert mit Eva und Millionen anderen Frauen? Sie hocken in der Falle und betreiben ihre eigene Vermausung. Dabei haben sie früher selbstverständlich die gleichen Rechte für sich beansprucht wie Männer – das Beste aus beiden Welten: Liebe und Geborgenheit im privaten Leben, im öffentlichen Raum Bestätigung und Anerkennung. Eine Familie gründen und sich im Beruf beweisen. Eigenständig sein. Und jetzt behaupten sie, Erfüllung geht anders, und lassen ihr Leben zerkrümeln zwischen der Zuneigung zu ihrem Mann und den Bedürfnissen ihrer Kinder.

Ihre Bildung dient ihnen gerade mal zur gepflegten Unterhaltung mit Gästen, und ihr trainiertes Gehirn darf das kleine Einmaleins bei den Schulaufgaben rechnen. Währenddessen versickert ihre Selbstbestimmung zwischen Ehepflichten und Sandkasten.

 

Als Eva in ihr Erwachsenenleben startete, war die Geschlechterfrage für sie kein Thema. Plumpe Rollenspiele hatten in ihrem Zukunftsentwurf keinen Platz, weibliche Selbstbeschränkung ebenso wenig. Der Mann als Brötchengeber und die Frau verwiesen auf den Unterstützungsbereich? Das fand sie ja schon bei der eigenen Mutter unerträglich.

Ihr Zukünftiger sollte ein wirklicher Partner sein. Mit ihm wollte sie alles teilen – die Berufs-, aber auch die Haus- und die Kinderarbeit. Eine gleichberechtigte Beziehung zu führen, war für sie keine Frage, sondern selbstverständlich. Ihr Wohl und Wehe auf die männliche Karte setzen? Viel zu trügerisch. Die Aussicht, auf den familiären Handlungsraum beschränkt zu sein? Richtig beklemmend.

Und doch ist sie genau dort gelandet.

Eva ist bequem geworden. Und feige. So wie Millionen andere Frauen, die es ähnlich halten wie sie. Da war ihr Anspruch auf Eigenständigkeit, da war aber auch die Verlockung der altbekannten Frauenrolle. Der sind sie erlegen: Haben sich einen Mann gesucht, der ihre Idee einer Partnerschaft unter Gleichen boykottiert. Sind geflüchtet vor den Ansprüchen einer unfreundlichen Berufswelt. Haben das Kind genutzt, um in die heimische Überschaubarkeit zu desertieren – und dort zu bleiben.

Eva hat sich selbst entmachtet und sich für die Unmündigkeit entschieden. Sich unterworfen, statt sich zu behaupten. Hat sich verführen lassen von einem Lebensentwurf, der nicht ihr eigener war, und sich herüberziehen lassen in eine Rolle, die sie früher verachtete.

 

Frauen wie Eva leben in der Deckung. Hübsch versteckt hinter den Mauern, die sie selbst hochgezogen haben. Mit einem Mann, der den Lebensrahmen bestimmt und ihr finanzielles Auskommen sichert. Mit den aufreibenden Anforderungen eines Familienlebens, das sie nicht nachdenken lässt und so eingerichtet ist, dass es ohne sie nicht läuft.

Immer wieder gab es Punkte in ihrer Biographie, an denen Eva sich so oder so hätte entscheiden können: für oder gegen eine schablonenhafte weibliche Existenz. Eva hatte die Wahl. Doch das sieht sie nicht. Sie kann jede Menge Gründe anführen, warum es für sie so kommen musste und nicht anders ging. In ihren Augen hat sie individuelle Entscheidungen getroffen und keinem Anpassungsdruck nachgegeben. Sie lügt sich in die Tasche, aber das leugnet sie. Schließlich trägt sie noch immer den Anspruch auf einen freien Lebensentwurf vor sich her, der von keinem Rollenbild beherrscht ist.

Zuzugeben, dass sie in die Falle gegangen ist, dass sie ein Leben aus zweiter Hand führt und sich selbst betrügt, wäre allzu schmerzhaft.

Irgendwann ist Eva in den Rollen-Kokon gekrochen, den die Gesellschaft und ihr Umfeld für sie bereitgehalten haben. Dort hat sie sich eingerichtet und kommt nicht mehr heraus. Es sei denn, sie würde richtig was riskieren.

Der Anspruch


Wir reden von Eva – doch gemeint sind wir alle. Wir Frauen. Denn wir alle sind an diesem Spiel beteiligt, auf die eine oder andere Art. Als Töchter, Mütter und Schwestern, als Freundinnen, Kolleginnen und Erzieherinnen. Das Leben von Eva ist ein Massenphänomen, Millionen von Frauen haben diese Existenz gewählt, und Millionen unterstützen sich gegenseitig darin.

Selbstverständlich gibt es Frauen, die nie den Anspruch auf Eigenständigkeit hatten, sondern sich auf ein behütetes Leben mit dem männlichen Versorger freuten. Aber um die geht es hier nicht. Die wollten, was sie bekommen haben; ihre Chance, glücklich zu werden, ist dadurch vielleicht gar nicht so schlecht.

Nein, wir reden von den anderen. Von denen, die auf ihrer Wunschliste einmal Selbstbestimmung und Unabhängigkeit hatten. Die auf...

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